Das Wichtigste in Kürze
- Das Demokratiefest in Schriesheim feiert Vielfalt und Toleranz mit Musik und Theater.
- Ein Theaterstück über Georg Rufer berührt die Besucher emotional und zeigt Mut und Menschlichkeit.
- Geflüchtete berichten bewegend über ihre Erfahrungen und setzen sich für Demokratie ein.
Schriesheim. Demokratie beweist sich nicht nur an der Wahlurne! Toleranz, Vielfalt, Meinungsfreiheit, Respekt, Kampf gegen Vorurteile, Menschlichkeit und Mut – all das stand im Mittelpunkt des zweiten Demokratiefestes am Samstag in Schriesheim. Dazu gab es Musik, Vorträge, Leckeres aus einer Suppenküche und an der Kuchentheke sowie eine Spielecke für Kinder.
Auf und rund um den Bürgermeister-Rufer-Platz hatten mehrere Initiativen ihre Info-Stände aufgebaut. Ein Höhepunkt der Veranstaltung war ein kleines Theaterstück vor vollbesetzten Rängen über Leben und Wirken von Georg Rufer (1888 bis 1953). Der engagierte Demokrat und entschiedene Gegner des Nazi-Regimes war Bürgermeister in Schriesheim von 1920 bis 1933 sowie von 1945 bis 1952. „Die Idee für das Theaterstück hatten Eli Walter und Thomas Leinert“, berichtet Hannah Mieger-Höfer. Die Schwiegertochter von Alt-Bürgermeister Hansjörg Höfer hat die Texte geschrieben. Gecoacht hat Peter Nassauer die Truppe mit der Autorin sowie Sandra Hölzel, Christiane Haase, Patrick Schmidt-Kühnle, Gabi Dexheimer und den beiden Initiatoren Eli Walter und Thomas Leinert. „Wir wollten den Mut und die Menschlichkeit von Georg Rufer aufzeigen, der in schwierigen Zeiten an der Spitze Schriesheims stand“, betont Hannah Mieger-Höfer.
„Wir haben parteiübergreifend mehr als 80 Mitglieder“
So zeigt eine Szene seinen Widerstand 1933 gegen das Hissen der Hakenkreuzfahne. Rufer wurde von den Nazis aus dem Amt entlassen. „Auch seine Verschleppung als politisch Unzuverlässiger in eine Arbeitskolonie im Schwarzwald ist Thema“, erläutert die Autorin die „Zeitreise“. Seit Juli 2023 heißt das Areal am Zehntkeller Bürgermeister-Rufer-Platz. „Danke für die Info“, erklingt Lob aus dem Publikum, das teils emotional gerührt auf die Geschichte des Bürgermeisters reagiert.
Die Initiative „Gemeinsam für Demokratie“ zeigt Flagge. „Wir haben inzwischen parteiübergreifend mehr als 80 Mitglieder, davon sind viele auch Privatpersonen“, so CDU-Stadträtin Christiane Haase. Nebenan hat das Bündnis „Kein Schritt nach rechts“ aus Heidelberg seinen Stand aufgebaut. Sonja Beritt zur Bedeutung ihrer Gruppe: „Es ist wichtig, dass wir uns regional vernetzt für die Demokratie einsetzen. Ob Heidelberg, Schriesheim oder Mannheim, dieser Kampf darf nicht an den Stadtgrenzen aufhören!“
Berichte von Geflüchteten aus dem Irak, aus Afghanistan, Syrien oder der Ukraine
Besonders ergreifend sind an diesem Nachmittag die Berichte von Geflüchteten aus dem Irak, aus Afghanistan, Syrien, der Türkei, der Ukraine sowie einem FSJler von der Elfenbeinküste, der in Deutschland Fuß gefasst hat. „Ein mutiger Schritt, mit diesem Auftritt eine Verbindung zu unserer Stadtgesellschaft herzustellen und Vorbehalte abzubauen“, betont Initiatorin Margit Liedloff. „Alles ist besser als der Krieg. In Damaskus ist nichts mehr, wie es war“, sagt Muan Hassan. Sie lebt nach ihrer Flucht aus Syrien seit 2016 in Schriesheim. Nach dem Sturz des Diktators Assad träumt sie, dass die Syrer „jetzt gemeinsam ihre Zukunft gestalten“. Ob ihre Familie beim Wiederaufbau dabei sein wird? „Schwer zu sagen, wir haben uns hier ein gutes Leben aufgebaut.“
Penifana Quattara, ein Germanist von der Elfenbeinküste, hat an sein Freiwilliges Soziales Jahr eine Ausbildung als Pflegefachkraft angeschlossen. „Ich habe das Abenteuer gewagt, wollte die Kultur Deutschlands erleben“, sagt er. „Und ich möchte in einem Land leben, in dem Rassismus keinen Platz hat, in dem Solidarität, Respekt und Gleichheit für alle Menschen gilt!“, reagiert er auf die Frage: Westafrika oder Deutschland? Von ihrer „Flucht in die Zukunft“ berichtet Elaf Abdusamat aus dem Irak, wo Gewalt und Unterdrückung gerade gegen Frauen herrsche. Seit 2017 ist sie mit vier Geschwistern in Deutschland – und arbeitet in Heidelberg als medizinische Fachangestellte.
Weitere Diskussionsrunden am Samstag
Neelab Hakim berichtet von ihrem Weg von Kabul nach Deutschland, Sirin Akturk erzählt seine Geschichte aus der Türkei „von Null zur Demokratie“. Alla Makzymschuck ist vor den russischen Bomben auf ihre ukrainische Heimatstadt – „etwa so groß wie Mannheim“ – geflohen. „Wir waren nicht vorbereitet. Alles war normal, bis dann der Überfall der Russen kam. Ich musste mich und die Kinder an einen sicheren Ort bringen“, sagt die Frau mit einem Universitätsdiplom in Wirtschaft.
Wie in Deutschland diskutiert werden kann, wird am Samstag in drei Runden ausprobiert. „Soll Cannabis legalisiert werden?“, lautet das Thema unter der Moderation von Elisabeth Walter. Ausreden lassen, auf die Argumente hören, andere Meinungen akzeptieren, so das Fazit. Ein elfjähriger Schüler, eine Lehramtsstudentin, ein strikter Gegner jedweder Suchtmittel sowie eine Cannabis-Konsumentin aus medizinischer Sicht tauschen sich aus. Weitere Themen sind die autofreie Hauptstraße in Schriesheim und die Windräder auf dem Weißen Stein. „Demokratie lebt eben nicht nur von Wahlen, sondern auch vom Zuhören, einander verstehen und sich respektvoll begegnen“, erklärt Mit-Organisator Jan Brüning.
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