Grünen-Landtagsabgeordnete

Nach Hass-Kommentaren gegen Fadime Tuncer - Staatsanwaltschaft ermittelt

Bei einer Diskussion über die Sicherheit in Freibädern ergreift die Schriesheimer Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer das Wort. Ein Video mit Ausschnitten ihrer Rede sorgt für zahlreiche Hass-Kommentare

Von 
Torsten Gertkemper-Besse
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Die Grünen-Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer. © Lena Lux Fotografie

Schriesheim. Die Schriesheimer Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer (Grüne) sieht sich im Internet zahlreichen Hass-Kommentaren ausgesetzt. Dabei handelt es sich um Reaktionen auf eine Rede, die Tuncer vor einigen Wochen im Stuttgarter Landtag gehalten hat. Thema ist die aktuelle Situation in Freibädern. Die AfD-Fraktion hatte unter dem Titel „Sommer, Sonne, Schlägereien: Geht die innere Sicherheit baden?“ eine Diskussion dazu beantragt. Tuncer übernahm bei dieser Debatte den Redebeitrag der Grünen-Fraktion, Daniel Lindenschmid den der AfD.

Video von Fadime Tuncers Rede zur Gewalt in Freibädern häufig geteilt

Ein Zusammenschnitt von Tuncers Rede, den Lindenschmid auf Facebook veröffentlicht hat, wurde rund 1700 mal geteilt und über 5100 mal kommentiert. Viele Kommentare greifen Tuncer und die Politik der Grünen scharf an und äußern sich hasserfüllt über die Partei sowie ihre Vertreterinnen und Vertreter. Immer wieder sind Emojis (bildliche Darstellungen von Emotionen) zu sehen, die sich übergeben.

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Manche Äußerungen haben nun auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf den Plan gerufen. Ein Behördensprecher teilte auf Anfrage des „MM“ zwar mit, dass er personenbezogene Daten „weder nennen noch auf Anfrage bestätigen“ könne. Allerdings erklärte er, dass wegen der Facebook-Kommentare ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet worden sei - wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Beleidigung. Die Kommentare würden derzeit „auf eine etwaige strafrechtliche Relevanz“ überprüft.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Hasskommentaren

Die Ermittlungen seien „von Amts wegen und auf Grund einer Strafanzeige“ erfolgt. Vereinfacht gesagt: Die Staatsanwaltschaft ist von sich aus aktiv geworden, es hat aber auch eine Anzeige gegeben. Von Fadime Tuncer stammt sie nicht, wie sie im Gespräch mit dem „MM“ erklärt. Die Grünen-Politikerin schließt nicht aus, dass sie in Zukunft Anzeige erstattet, will aber erst einmal abwarten.

Zum Hintergrund: Der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Lindenschmid hatte am 24. Juli auf Facebook einen Zusammenschnitt von Tuncers Rede hochgeladen - unter anderem versehen mit dem Hinweis „Fadime Tuncer von den Grünen erklärt die Situation in unseren Freibädern und was wir dagegen unternehmen sollen“.

© Screenshot Facebook

Das Vorschaubild ist mit einem Clowns-Gesicht versehen. Außerdem gibt es eine Begleitmusik, die auch bei einer Zirkus-Aufführung laufen könnte. Anfang August veröffentlichte er noch einmal die Rede - dieses Mal in kompletter Länge und ohne Clowns-Musik. Dieses Video wurde über 300 mal kommentiert und gut 500 Mal geteilt, also deutlich weniger oft als der Ausschnitt.

„Manipulativer Zusammenschnitt“

Tuncer spricht bei dem ersten Video von einem „manipulativen Zusammenschnitt“. Anders als in dem Kurzfilm suggeriert, verschweige sie die Probleme in Freibädern nicht. Sie sagt unter anderem, dass Gewalt und sexuelle Übergriffe nirgendwo etwas zu suchen hätten, das gelte auch in Freibädern. In dem Kurz-Zusammenschnitt ist diese Passage zum Beispiel nicht zu sehen.

Lindenschmid weist Kritik an der Auswahl der Ausschnitte zurück. Für das kurze Video habe er die Passage Tuncers nicht als relevant angesehen. Es gehe ihm nicht um Manipulation, sondern um das Herausstellen „wesentlicher Punkte“. Außerdem habe er später auch die Rede in voller Länge hochgeladen. Lindenschmid bestätigte, dass er Kommentare gelöscht habe. Er verurteile es, wenn Leute auf seinen Seiten strafrechtlich relevante Inhalte teilten.

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Das nachträgliche Hochladen des gesamten Videos löst für Tuncer nicht das Problem: „Es beschert dem Abgeordneten einfach nur mehr Reichweite.“ Tuncer, die als Kind nach Deutschland kam und seit über 20 Jahren deutsche Staatsbürgerin ist, ist geschockt von dem Hass in den Kommentaren. „Es ist erschreckend, wie menschenverachtend die Aussagen sind“, sagt sie und fügt an: „Auf keinen Fall werde ich mich jetzt aus den sozialen Netzwerken zurückziehen. Wir müssen weitermachen, zum Schutz von Demokratie und Gesellschaft.“ Leichter wird es für sie nicht. Wie Tuncer berichtet, seien in den vergangenen Wochen auch schon Fake-Profile mit ihrem Namen im Internet erstellt worden.

Redebeiträge im Internet

Die Plenardebatte mit den Redebeiträgen Lindenschmids (Minute 9:05 bis 17:36) und Tuncers (Minute 18:00 bis 28:37) lässt sich auch über die Mediathek des Landtags nachschauen. Den Inhalt wiederzugeben, ist an dieser Stelle aufgrund des Umfangs nicht möglich. Unter anderem ging es in der Debatte darum: Während Lindenschmid die Probleme in Freibädern mit der Zuwanderung in Zusammenhang brachte, warnte die Grünen-Abgeordnete davor, Pauschalurteile zu fällen.

Redaktion Redaktion Neckar-Bergstraße, zuständig für Ilvesheim und Friedrichsfeld

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