Schriesheim. Erst am Tag danach gönnt Oliver Scherer sich eine Mütze Schlaf. „Bis eben“, schmunzelt der Kommandant der Feuerwehr Schriesheim, als wir ihn am Montag um 12.17 Uhr telefonisch erreichen. „Alles gut“, quittiert er unsere Entschuldigung. Doch hinter ihm liegt ein Einsatz, der die ganze Nacht andauerte. „Einer der größten, die wir in den letzten Jahren hatten“, bekennt er. Zum Glück ohne Personenschäden. Und sogar die Hauskatze ist gerettet.
Es ist Sonntag, 17.31 Uhr, als die Freiwillige Feuerwehr Schriesheim von der Leitstelle in Ladenburg alarmiert wird. Ein Großbrand sei ausgebrochen, in der Schriesheimer Altstadt, in der Heidelberger Straße. In jenem Haus, das vor Ort weithin als „Deutscher Hof“ bekannt ist. Besonders dramatisch an der Alarmmeldung: Sie enthält die Information, dass sich noch Menschen in dem Gebäude befinden.
Brand in Schriesheim: Bewohner können sich rechtzeitig retten
Zumindest die damit verbundenen Befürchtungen bewahrheiten sich nicht, als die Feuerwehr kurz darauf vor Ort eintrifft. „Die Bewohner hatten das Gebäude noch rechtzeitig verlassen können“, stellt Kommandant Oliver Scherer erleichtert fest, nachdem er mit seinen Leuten vor Ort eintrifft: „Das Gebäude ist nun menschenleer.“ Die Bewohner werden in ein Krankenhaus gebracht, um eine Rauchgasvergiftung auszuschließen: „Sie kamen jedoch mit dem Schrecken davon“, berichtet Scherer erleichtert.
Allerdings gibt es hier noch ein weiteres Lebewesen, dem die Sorge der Feuerwehrleute gilt: Eine Katze befindet sich ebenfalls in dem betreffenden Gebäude. „Sie konnte aus dem brennenden Gebäude gerettet werden“, berichtet Scherer. Doch das völlig verängstigte Tier entwischt seinen Rettern. Wo sie geblieben ist? Hinweise willkommen. Auch der Verbleib einer weiteren Katze ist aktuell noch ungeklärt.
„Deutscher Hof“ in Schriesheim: Nach dem Brand ist wenig zu retten
Von dem Haus jedoch ist nur noch wenig zu retten. Und das, obwohl die Feuerwehr in Rekordgeschwindigkeit vor Ort ist. „Ich selbst war nach viereinhalb Minuten dort“, berichtet Scherer. Seine Schutzkleidung hat er bei sich zu Hause, wo er sich zu diesem Zeitpunkt aufhält. Ebenso wie die meisten seiner Kameraden. „Dass Sonntagabend war und sie nicht auf der Arbeit waren, hat natürlich erleichtert, dass sie so schnell vor Ort waren“, berichtet ihr Kommandant.
Als die Feuerwehr eintrifft, schlagen die Flammen im rückwärtigen Bereich bereits in voller Ausdehnung aus den Fenstern. Da sich der Brandherd im ersten Obergeschoss befindet, müssen die Helfer insgesamt drei Drehleitern einsetzen. Erst recht, als sich die Flammen unaufhaltsam durch die Decke ins Dachgeschoss durchfressen. In den historischen Strohmattendecken finden sie ein leichtes Futter. Im weiteren Verlauf des Einsatzes öffnen die Feuerwehrleute von der Drehleiter aus komplett die Dachhaut, um letzte Feuer- und Glutnester löschen zu können. Um 22.56 Uhr kann es heißen: Feuer aus! Doch beendet ist der Einsatz erst um 6 Uhr morgens.
Neben dem in Flammen stehenden Haus gehört die Aufmerksamkeit der Aktiven aber auch der unmittelbaren Umgebung. Denn das Gebäude befindet sich mitten im historischen Zentrum des Ortes, die Häuser in der Altstadt sind eng aneinander gebaut. „Es bestand die reale Gefahr, dass die Flammen auf die Nachbargebäude übergreifen“, berichtet Scherer.
Wohnheim mit 40 Bewohnern nicht von Brand betroffen
Zur Rechten befindet sich ein Wohnhaus mit einem Friseurladen, dem ehemals legendären Laden von Schorsch Hartmann. Um ein Übergreifen des Brandes zu verhindern, baut die Feuerwehr eine sogenannte Riegelstellung auf. Im rückwärtigen Bereich wiederum schließt sich ein christliches Wohnheim mit 40 Bewohnern an. Doch das wird glücklicherweise nicht betroffen, noch nicht einmal Rauch dringt ein. „Die Bewohner kamen mit dem Schrecken davon“, berichtet Scherer.
Nach Brand in Schriesheim: Haus ist nicht mehr bewohnbar
Das abgebrannte Haus selbst ist nun einsturzgefährdet und nicht mehr bewohnbar. Die Bewohner werden von der Stadt untergebracht. Der Sachschaden ist immens, wird von der Polizei auf 500.000 bis zu einer Million Euro geschätzt. Die Brandursache ist noch ungeklärt. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen übernommen.
Für die Schriesheimer Feuerwehr ist dies einer der größten Einsätze in der Altstadt seit Jahren. 168 Aktive sind vor Ort, nicht nur aus Schriesheim, sondern aus allen Feuerwehren der Umgebung. Hinzu kommen Rettungskräfte des Roten Kreuzes, insgesamt 212 Helfer.
Die Zerstörung des Gebäudes hat aber auch eine stadtgeschichtliche Dimension. Beim „Deutschen Hof“ handelt es sich um eine der ältesten gastronomischen Stätten Schriesheims. Die erste Gastwirtschaft in dieser Ecke wird 1797 errichtet und entwickelt sich in den Jahrzehnten danach zu einer Brauerei. 1838 entsteht auf diesem Grundstück ein Restaurant mit einem beliebten Tanzsaal im ersten Obergeschoss, das gemäß damaligem Zeitgeist „Deutscher Hof“ genannt wird.
Im Zuge der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg erwirbt die Gemeinde 1920 das Gebäude und lässt dort sieben Wohnungen einrichten. Die Gaststätte bleibt weiter bestehen, betrieben zuletzt, seit 1995, von Marianne Holzmann, einer bekannten Persönlichkeit der Stadt, 1974 bis 1984 Stadträtin der Freien Wähler. Legendär sind ihre „Hähnchentage“ jeweils donnerstags, an denen halbe Gockel zum Sonderpreis angeboten werden. Seit vergangenem Jahr ist das Lokal zu. Wie es nun aussieht, wohl für immer.
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