Schriesheim. Die Emotionen im Publikum schlagen hoch an diesem Mittwochabend im Schriesheimer Gemeinderat. Die Mehrzahl der Anwohner in der Hans-Pfitzner-Straße fordern, dass der Name des umstrittenen Komponisten, Unterstützers der Nationalsozialisten und Antisemiten bleibt – und lediglich eine Erklärtafel auf die unrühmliche Vergangenheit des 1949 verstorbenen Namenspatrons hinweist. Dieses sogenannte „Wiener Modell“, nach dem die Österreicher verfahren, beschließt dann auch nach langer Debatte die Mehrheit des Gemeinderats mit 15:11 Stimmen – und kippt damit die Empfehlung der Stadtverwaltung mit Bürgermeister Christoph Oeldorf. Der Rathauschef hatte in seinen ausführlichen Erläuterungen zu Hans Pfitzner für eine Umbenennung der Straße geworben.
Zwei Drittel der Anwohner hatten sich im Vorfeld gegen eine Umbenennung ausgesprochen. „Pfitzner war gar kein fanatischer Nationalsozialist“, behauptete Siegfried Gebhardt in der Bürgerfragestunde am Beginn der Sitzung. Anja Hölzel erklärte, sie sei gegen jede Art von Antisemitismus, und schon ihr Vater habe ihr erzählt, dass Hans Pfitzner „kein guter Mensch“ gewesen sei. Trotzdem sei eine Umbenennung der Straße absurd, eine „Kultur des Vergessens und keine aufgeklärte Art, mit der Vergangenheit umzugehen“. Allein Kurt Büchler mahnte, so ein Straßenname sei auch mit Erklärtafel immer eine Ehrung – „und nicht zum Wohle der Stadt“.
Hans Pfitzner
- Informationen der Stadt Schriesheim über Hans Pfitzner: Hans Pfitzner (5. Mai 1869 bis 22. Mai 1949) war Komponist, Dirigent und Autor theoretischer und politischer Schriften, oft mit dezidiert antisemitischer Zielrichtung.
- Er schrieb unter anderem die Musik zum Ritterschauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“, welches in Schriesheim stark verwurzelt ist. Da es in Schriesheim eine Heinrich-von-Kleist-Straße und eine Käthchen-von-Heilbronn-Straße gibt, wurde der Namensvorschlag 1976 unter anderem mit der bisher fehlenden Anführung des zugehörigen Musikers begründet.
- Eine Expertenkommission der Stadt Graz in Österreich urteilte 2017, dass Pfitzner zur Verbreitung deutschnationalen Gedankenguts beitrug und Antisemit und NS-Sympathisant war.
Nach bestem Wissen und Gewissen habe Schriesheim die Sachlage geprüft, erklärte Christoph Oeldorf. Dabei hat sich der Bürgermeister in Düsseldorf kundig gemacht. Dort hat ein wissenschaftlicher Beirat die Straßennamen der Stadt untersucht und Kriterien festgelegt. Dabei sei Hans Pfitzner wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus, seiner Loyalität zum verbrecherischen Regime und seiner Judenfeindlichkeit in der Kategorie A eingestuft worden: schwer belastet, nicht haltbar! „Außerdem hat Pfitzner noch nach 1945 nachgelegt und versucht, die Verbrechen der Nazis zu rechtfertigen“, erklärte Oeldorf. Deshalb seine Empfehlung, die Straße umzubenennen, wie es andere Städte auch schon getan hätten.
Warnung vor Verharmlosung
Dem widersprach Bernd Hegmann von den Freien Wählern (FW) und präsentierte unter dem Applaus des Publikums einen Antrag, nach dem „Wiener Modell“ zu verfahren, den Straßennamen zu belassen und eben mit einer Erklärtafel auf den Namensgeber hinzuweisen. Vergeblich versuchte Bernd Molitor (Grüne Liste) das Blatt noch zu wenden: „Ein Straßenname ist eine Ehrung, kein Mahnmal, eine Erklärtafel keine Option!“ Ähnlich argumentierte Gabriele Mohr-Nassauer für die SPD-Fraktion: „Eine Erklärtafel für einen unbelehrbaren Antisemiten ist eine Verharmlosung, gerade bei einem wachsenden Antisemitismus!“
Gegen das Vergessen
„Gegen das Vergessen“ setzte sich Christiane Haase (CDU) ein und plädierte „für die Beibehaltung des Namens mit Erläuterungen“. Bernd Hegmann rechtfertigte den Antrag der Freien Wähler: „Das ,Wiener Modell‘ ist eine tragbare Lösung und berücksichtigt die Anliegen der Anwohner.“ Außerdem würde die Umbenennung der Straße mit 82 Haushalten und sieben Gewerbetreibenden die Stadt eine fünfstellige Summe kosten. Oeldorf hatte zugesagt, im Falle einer Umbenennung 100 Euro an Anwohner und 500 Euro an Betriebe zu zahlen.
Auch Wolfgang Renkenberger (FDP) kündigte an, für das „Wiener Modell“ zu stimmen. „Schild drunter machen“, so die Reaktion von Lieselore Breitenreicher (Initiative Schriesheimer Bürger). Thomas Köber (AfD) forderte einen Bürgerentscheid über die Hans-Pfitzner-Straße. Doch sein Antrag bekam keine Mehrheit. Darauf reagierte CDU-Fraktionssprecher Michael Mittelstädt: „Dass Hans Pfitzner ein Antisemit war und hoch zu verachten ist, bezweifelt hier im Gemeinderat bis auf ein Mitglied niemand.“ Trotzdem stimmte auch er mit der Mehrheit für das „Wiener Modell“ – und die Anwohner verließen zufrieden den Ratssaal.
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