Schriesheim. Krieg, Wirtschaft, Migration. Energiewende und Klimaschutz haben es derzeit schwer, gegen diese Mammutaufgaben zu bestehen. Dabei hängen doch alle irgendwie zusammen. Und so lassen sich viele vor Ort nicht beirren. „Die Energiewende beginnt nicht in einem Ministerium, sondern auf diesem Platz“, formuliert denn auch Margritt Liedloff von „Energiewende Bergstraße e. V.“ am Samstag.
Es ist die Eröffnung der „allerersten Energiewendemesse an der Bergstraße“, wie sie mit Stolz formuliert. Organisiert vom Energiewende e. V. und den Ökostromern Dossenheim, unterstützt von der Allianz für Beteiligung im Rahmen des Förderprojekts „Nachbarschaftsprojekte“. Auf dem oberen und unteren Schulhof reihen sich mehr als ein Dutzend Stände aneinander: Initiativen, die für Nachhaltigkeit werben, Unternehmen wie die RNV, die sich ihr verpflichtet haben, Ehrenamtliche, die sich dafür engagieren.
Kein erhobener Zeigefinger, stattdessen professionelle Beratung in praktischen Dingen, von der Isolierung von Fenstern bis zu Förderprogrammen. Kinder können ein Windrad bauen, mit Sympathiewerbung für das von vielen zu Unrecht verteufelte Gerät kann man nicht früh genug beginnen. Eine Tombola, als deren Hauptgewinn ein Balkonkraftwerk winkt, Crêpes von Schülern des Gymnasiums. Und da man in Schriesheim ist, darf der Weinwagen der WG nicht fehlen.
Wichtig: Die Stadt stellt sich hinter das Projekt. „Unser Ziel bleibt die Klimaneutralität 2045“, versichert Bernd Hergmann, Stellvertreter des erkrankten Schirmherrn Christoph Oeldorf. Und der einflussreiche Fraktionschef der Freien Wähler versichert: „Dies nehmen wir ernst.“ Als Beispiel nennt er die erfolgte Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED und die Vorbereitung von Windkraft in Zusammenarbeit mit der Nachbargemeinde Dossenheim.
Energiewendemarkt in Schriesheim: Vorträge inhaltlich interessant
Glanzpunkte des Tages sind die Vorträge, wobei das ermüdender klingt als es ist. Vielmehr Blitzlichter auf interessante Themen, konkret, der Situation angepasst und dem Publikum, das auf Stühlen vor der katholischen Kirche lauscht. Aufgelockert durch Einlagen wie die der Physikanten: Etwas Harald Lesch, etwas Show.
Für den schwungvollen Start sorgt Sven Riedler: Der Mitarbeiter der Kliba Heidelberg trifft den Spirit des Publikums („Wir bleiben beim Klima Du“). Doch von ihm wie überall hier keine Ideologie, sondern Information. Denn: „Wärmepumpe ist keine Sache des Bauchgefühls, sondern von Naturwissenschaft und Technik.“
Riedler spricht fast eine halbe Stunde völlig frei, bezieht sein Publikum ein. Fragt, ob die Zuhörer wissen, welchen Energiebedarf ihr Haus hat. Nur wenige Hände gehen nach oben. Ganz anders bei der Frage nach dem Benzinverbrauch des eigenen Autos. „Ist das nicht erstaunlich?“, formuliert er die Erkenntnis, die das Publikum teilt.
Dabei ist gerade im Haus, so seine zentrale Botschaft, „mit einem kleinen Dreh an den Stellhebeln so viel zu erreichen“. Programmierbare Thermostate, Dämmung hinter den Heizkörpern, Dichtung der Fenster. Nur Erkenntnis und Tun sind nötig. „Wer weiß, wo die Bedienungsanleitung seiner Heizung liegt?“, lautet seine Frage, die frappiert. Das ist, inhaltlich wie in ihrer Performance, Energieberatung wie sie sein soll.
Vom Einzelnen zum großen Ganzen: Agri PV, also Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen. „Ein heikles Thema“, weiß Ralph Treitz von den Ökostromern Dossenheim: „Denn sie stehen auf der gleichen Fläche, auf der etwas wachsen soll.“ Dennoch gibt es für dieses Dilemma eine Lösung: doppelte Nutzung für Pflanzen und PVs, diese natürlich individuell abgestimmt auf den jeweiligen Anbau.
Energiemarkt Schriesheim zeigt: Unter Photovoltaikanlagen ist sogar Weinbau möglich
Nur bei Bohnen und Mais geht das nicht. „Aber der Anbau von Mais ist ja ohnehin einer, der ökologisch wenig sinnvoll ist.“ Möglich dagegen bei Erdbeeren, Tomaten, Äpfeln, Spargel, ja sogar Wein. Da horcht WG Vizechef Hartmut Haas natürlich besonders aufmerksam hin.
Ein solcher Anbau hat viele Vorteile: höhere Schutzfunktion vor schädlichen Einflüssen, günstigeres Mikroklima, weniger Verdunstung, dadurch weniger Bedarf für Bewässerung, beim Wein weniger Pilzbefall, weniger Spritzbedarf, damit nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch vorteilhaft.
„Wein braucht Sonne“, weiß Treitz: „Doch inzwischen hat er zu viel davon.“ Traditionelle Sorten wie Riesling vertragen das nicht, erleiden Sonnenbrand. „Die neue Konstruktion hilft, dass wir Riesling auch künftig nicht nur aus Dänemark oder Südschweden bekommen können.“
Und wie sieht es konkret in der Region aus? „Natürlich kann auch ich mir eine solche Anlage entlang der Hänge in Schriesheim und Dossenheim nicht vorstellen“, bekennt der Experte: „Aber es gibt auch Flächen, die nicht einsehbar sind.“ In Dossenheim soll es versucht werden, in etwa zwei Jahren in Hirschberg einen Lehrpfad geben, installiert von der dortigen Spezialfirma für Überdachungen, Goldbeck.
Und die Finanzierung? „Agri PVs rechnen sich nicht so gut wie Haus PVs“, bekennt Treitz. Doch auch diese amortisieren sich nach 15 Jahren. Und sind damit durchaus eine Alternative für die klassische Landwirtschaft, „mit der sich ja auch nur noch schwer Geld verdienen lässt.“ Die Potenziale sind gigantisch: Würde man nur fünf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland derart nutzen, wäre der Strombedarf des Landes gedeckt.
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