Neckarstadt West. Mit „Filmschätze – eine audiovisuelle Reise durch Mannheims Geschichte“ ist die diesjährige Reihe Kinokult auf dem Neumarkt zu Ende gegangen. Publikum und Veranstalter hatten Glück mit dem Wetter: Morgens regnete es noch, die Wetter-App stand auf Grau, doch dann zeigte sich nachmittags die Sonne – der Kinoabend war gerettet. Sogar auf Picknickdecken konnten die Zuschauer sitzen, da der Rasen wieder trocken war.
„Der Kinokult ist in diesem Jahr toll gelaufen, wir haben einen neuen Zuschauer-Rekord“, sagte Jennifer Pohl, Quartiermanagement Neckarstadt-West. „Es kamen bisher zu den drei Filmen über 1000 Besucher, allein über 500 bei Dirty Dancing. Es waren Leute aller Nationen, jeden Alters. Zu den Vorführungen kommen viele Kinder, deshalb zeigen wir keine Filme ab 16 Jahren. Kurator Joachim Kurz hat ein fantastisches Händchen für die Filmauswahl.“
Mehr als 1200 Besucherinnen und Besucher beim Open Air Kino Mannheim
Die 100 Stühle, die das Team verteilt, waren an diesem Abend alle belegt. Zählte man die Leute dazu, die ihren eigenen Stuhl mitbrachten oder auf Bänken und Picknickdecken saßen, dürften es an die 200 Besucher gewesen sein – das macht über 1200 insgesamt.
Nicht nur der Eintritt war gratis, sondern auch das Popcorn, das ehrenamtliche Helfer ausgaben. An der Popcorn-Maschine standen vor allem die Kinder Schlange. Das Motto der diesjährigen Reihe lautete „Musik“. Diese war zwar nicht der Hauptinhalt der Dokumentationsfilme, spielte jedoch als Begleitung eine wichtige Rolle.
„Mich interessieren die Sachen, bei denen es um Mannheim geht, und sie sind mit Musik unterlegt. Außerdem finde ich es gut, dass es keinen Konsumzwang gibt“, sagte eine Zuschauerin, die in der Umgebung wohnt. „Ich finde es sehr gut, dass die Stadt so etwas anbietet. Der Film über die türkischen Musiker in Deutschland hat mir sehr gut gefallen. Wir sitzen hier mit einem Bierchen nach Feierabend. Das Wetter war immer gut. Wir dachten, heute fällt der Film vielleicht aus, wegen des Regens, doch wir haben Glück gehabt“, sagte Mohammad. Als Jennifer Pohl den Film ankündigte, betonte sie erneut, der Kinokult sei „gelebte Nachbarschaft“, und erntete damit Applaus, denn die Bewohner der Neckarstadt West wissen die Veranstaltung in ihrer unmittelbaren Nähe zu schätzen.
Vom Super-8-Film über die Buga 1975 bis zur Collini-Einweihung
Kommentiert wurden die Kurzfilme von Désirée Spuhler, Leiterin der audiovisuellen Sammlung im Marchivum. Im Stadtarchiv wurden mit der Aktion „Filmschätze retten“ vor acht Jahren historische Filme von alten Rollen in Feinarbeit digitalisiert, für immer haltbar und jederzeit abspielbar gemacht. Ohne diese Rettung hätten sich die Filme nach und nach durch chemische Prozesse zersetzt.
Den Anfang machte das älteste Filmdokument, das es von Mannheim gibt. Im Jahre 1907 feierte Mannheim sein 300. Jubiläum. Erbgroßherzog Friedrich II. von Baden und seine Gattin Hilda besuchen Mannheim, im Hintergrund sind der Park vorm Wasserturm und der Rosengarten zu erkennen. Die Herren tragen Frack und Zylinder, die Damen lange, taillierte Kleider und aufwändige Hüte, der Erbgroßherzog Uniform und Pickelhaube. Der Film ist in einem verblüffend guten Zustand, man hat das Gefühl, es sei nicht allzu lange her, dabei sind es schon 118 Jahre.
Ein zweiter Film führte die Zuschauer in die 1920er Jahre, gezeigt wurde Mannheim von oben. Was heute Drohnen können, filmte man damals aus dem Flugzeug heraus. Anlass war die Eröffnung des Flughafens Neuostheim (1926). Der Luftakrobat Oskar Dimpfel zeigte waghalsige Kunststücke in schwindelnder Höhe. Im nächsten Film von 1930 landete das Luftschiff Graf Zeppelin in Mannheim, ebenfalls ein historisch relevanter Moment.
Jede Menge gefilmt wurde in den 1950er Jahren: Man sieht die Eröffnung des Nationaltheaters, das bekannte Autohaus Opel Kannenberg, das Kaufhaus Vetter und die Eichbaum-Brauerei. Man erlebt das Wirtschaftswunder noch einmal und bewundert nostalgische Opel-Modelle und elegante Kleidung. Bis dato waren alle Filme in Schwarz-Weiß, ab den 1970er Jahren kam Farbe dazu.
Das Highlight war ein Super-8-Film über die Buga 1975. Ein Besucher hatte einen etwa halbstündigen Film gedreht und mit Vorspann, Musik und Kommentaren versehen. Bei der Musik handelt es sich um Jazz, und damit passte der Film zum Motto. Zu sehen ist die komplette, lieb gewonnene Buga-Palette in leuchtenden Farben, mit Seebühne, Blumen, Gondoletta, abenteuerlichen Spielplätzen, noch mehr Blumen und Dingen, die nicht erhalten blieben, wie die Hochbahn „Aerobus“ oder das „Parkbähnchen“ im Herzogenriedpark.
Tolle Musik gab es auch bei zwei weiteren, farbenfrohen Imagefilmen aus den 1970ern. Zur Einweihung des Collini-Centers wurden Jazz-Konzerte in der Galerie des Gebäudes veranstaltet, zwischendurch gab es Jazz-Dance-Auftritte. Das Center, gedacht als „multifunktionales Bauwerk“ war ein Hingucker – es ist traurig, wenn man heute daran vorbeifährt. Zum Abschluss gab es noch die „Stadtwerbung“ von Eberhalrd Fingado, musikalisch unterlegt vom Filmkomponisten Peter Thomas, der einst die Musik zu den Edgar-Wallace-Filmen komponierte. „Wenn Sie bei sich zu Hause auf dem Dachboden eine Filmrolle finden – bringen Sie sie ins Marchivum!“, gab Désirée Spuhler dem Publikum mit auf den Weg.
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