Mannheim. Pandemie, Krieg, Inflation - in den Mannheimer Stadtteilen überschatten die großen Krisen Europas und der Welt das Geschehen im lokalen Alltag spürbar. Und doch gibt es im zu Ende gehenden Jahr 2022 neben vielen Aufregern und Ärgernissen auch jede Menge positive Entwicklungen.
Hilfe für die Ukraine
Vor allem der Angriffskrieg der Russen gegen die Ukraine ruft vom ersten Tag an große Solidarität und Hilfsbereitschaft hervor. Einzelne Bürger, Vereine und Kirchengemeinden spenden, nehmen Flüchtlinge auf und organisieren Hilfslieferungen in das inzwischen seit zehn Monaten unter russischem Dauerbeschuss liegende Land.
Beispiel Sandhofen: Hier zögern Kinga Schneider und ihr Lebensgefährte Heiko Stasch nicht lange. Die beiden aktiven Stichler-Fasnachter sammeln Hilfsgüter im Freundes- und Bekanntenkreis, von HK Hörgeräte, der Firma Herbert und Pflege im Quadrat, und machen sich bereits Anfang März das erste Mal in Richtung Ukraine auf, um dort Lebensmittel, warme Kleidung und Hygieneartikel abzuliefern.
Engagiert im Ehrenamt
Überhaupt ist 2022 das Jahr der vielen ehrenamtlich Engagierten in der Stadt. In Kirchengemeinden und Vereinen, aber auch als Initiativen vor Ort setzen sich die Menschen für ihren Stadtteil ein. Beispiel Rheinau-Süd: Hier hat sich aus der BASF-Siedlergemeinschaft heraus eine Initiative gebildet, die sich drei Mal wöchentlich um die Sauberhaltung des Marktplatzes in Mannheims südlichstem Stadtteil kümmert - und das auch künftig weiter tun will.
Mit mindestens genau so viel Engagement gehen derweil Lisa Schulz und Michael Stein in der Innenstadt ans Werk. Die 31 Jahre alte Germanistin und Medienwissenschaftlerin und ihr 30-jähriger Co-Vorsitzender, ein studierter Physiker, leiten seit Sommer einen der ältesten Mannheimer Vereine: die 1840 gegründete Liedertafel. Und führen den altehrwürdigen Chor mit guter musikalischer Ausbildung, gutem Repertoire und guter Laune aus dem langsamen, aber stetigen Niedergang heraus, mit dem viele Gesangvereine in den Stadtteilen seit Jahren zu kämpfen haben.
In Seckenheim kommt eine Bürgerinitiative nach langen Verzögerungen endlich ans Ziel: Der Zabbe-Brunnen wird auf den Seckenheimer Planken wieder aufgestellt. Stadtteilfeste, Kerwe, Jubiläumsfeierlichkeiten: all das war 2022 nach den zwei Jahren der lähmenden Corona-Pandemie endlich wieder möglich - und wurde von den Menschen in Mannheims Stadtteilen mit großer Begeisterung als Aktive organisiert und als Besucher wahrgenommen. Beispiel Neckarau: Beim Marktplatzfest im Hochsommer war’s rund um den Pilwe-Brunnen so brechend voll wie lange nicht mehr, und Erster Bürgermeister Christian Specht (CDU) zeigte sich als Ehrengast gemeinsam mit der Vorsitzenden der Interessengemeinschaft der Neckarauer Vereine in Bestlaune.
Endlich wieder Feste und Feiern
Nicht nur in Sandhofen und Feudenheim, auch auf der Blumenau und in Seckenheim pilgerten im Spätjahr Tausende zur Kerwe. Und im Herbst lockte der Nachtwandel wie wenn nichts gewesen wäre in Mannheims Szeneviertel Jungbusch. Wenige Wochen später ging’s in fast allen Stadtteilen bei der Langen Nacht der Kunst und der Genüsse hoch her: Händler und Gewerbetreibende freuten sich über so viel Besucher-Interesse in den Einkaufsstraßen zwischen Rheinau und Sandhofen, Schwetzingerstadt und Seckenheim.
Mit einem sorgfältig von Ehrenamtlichen vorbereiteten Programm begingen die Bezirke Neckarstadt-West und -Ost im Spätjahr ein besonderes Jubiläum. Der Doppel-Stadtteil wurde vor 150 Jahren gegründet.
Kaum ein Thema hat die Menschen im Stadtteil Lindenhof indessen so bewegt wie die anstehende Sanierung des Rheindamms und die daher drohende Fällung von zahlreichen alten Bäumen am Damm. Mit großem Engagement bringen sich Bürgerinnen und Bürger ein, sei es in der Bürger- Interessengemeinschaft (BIG) Lindenhof oder bei der Initiative Waldpark Mannheim.
So funktioniert Demokratie
So funktioniert Demokratie: die engagierten Lindenhöfer sorgen für Aufmerksamkeit für ihr Anliegen und formulieren machbare Alternativen zu dem von den Karlsruher Behörden geplanten Kahlschlag am Rheindamm. Der von Walter Kohler geleitete Verein Deutscher Klimaschutz nimmt eine fundierte Zählung der Bäume auf dem Damm vor. Auf genau 1144 Bäume mit einem Stammdurchmesser von mindestens 30 Zentimetern ist er auf dem knapp vier Kilometer langen Rheindamm zwischen Lindenhof und Großkraftwerk gekommen.
Einwendungen gegen den Kahlschlag kann man übrigens noch bis Freitag, 19. Januar, bei der Stadt Mannheim einreichen.
Schutz für Bäume und Grün
Der Erhalt des Baumbestandes beschäftigt die Bewohner der Mannheimer Stadtteile an vielen Stellen. Groß ist die Empörung in Feudenheim, als dort im Juni bekannt wird, dass eine prächtige alte Kastanie für ein privates Bauvorhaben gefällt werden darf - was wenige Wochen später dann auch geschieht.
Dass solche Eingriffe in den alten Baumbestand auch auf privatem Grund und Boden in Zukunft nicht mehr so leicht möglich sind, dafür setzt sich der SPD-Stadtrat Bernhard Boll ein und kann über seine Fraktion im Gemeinderat - zunächst in einem Bebauungsplan für den Ortskern in Neckarau - durchsetzen, dass derlei nicht mehr automatisch erlaubt werden muss.
Dass es um den Baumbestand der Stadtwälder schlecht bestellt ist, wird an den Debatten und Aktionen um den Kollekturwald in Mannheims Norden deutlich. Der Wald, darin sind sich alle einig, muss umgebaut werden, damit er dem Klimawandel standhalten kann. Aber wie das geschehen soll - darüber zoffen sich die Waldbesitzer auf der einen und Umweltschützer auf der anderen Seite.
Baustellen und Parkplätze
Und natürlich der Verkehr: Seien es die Auto-Poser in der Innenstadt, Dauer-Baustellen und -Absperrungen vom Fahrlachtunnel über die BBC-Brücke bis zur Rhenaniastraße - durch alle Stadtteile zieht sich der Verdruss viele Autofahrer über den schlechten Zustand der Straßen und durch Umbauten und Verbote wegfallenden Parkraum.
Da ist Rheinau-Süd wegen Straßensanierungen quasi abgehängt, da befürchten Anwohner und Gewerbetreibende in Feudenheim, durch das „Anwohnerschutzkonzept“ der Bundesgartenschau ihr Auto im eigenen Stadtteil nicht mehr parken zu können, und da steigen Anlieger ihren Stadt- und Bezirksbeiräten auf die Füße, weil beim geplanten Umbau des Speckwegs (Käfertal/Waldhof) vermeintlich über ihre Köpfe hinweg Parkplätze gestrichen wurden. Diese Themen bewegen - und werden im Zusammenhang mit der Verkehrswende garantiert auch 2023 ganz schnell wieder oben auf der Tagesordnung stehen.
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