Amokfahrt

Zwei Monate nach Amokfahrt in Mannheim: Stand der Ermittlungen

Vor zwei Monaten raste ein Auto über die Mannheimer Planken, verletzte zwei Menschen tödlich. Was der Tatverdächtige sagt. Und wie sich Passanten in der Innenstadt fühlen.

Von 
Simone Kiß
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An die Amokfahrt vom 3. März erinnern heute noch einige Blumen und Kerzen, die auf einer Bank am Paradeplatz abgelegt worden sind. © Thomas Tröster

Mannheim. Am 3. März – vor genau zwei Monaten – rast ein Mann mit seinem Auto Hunderte Meter weit über die Planken. Zwei Menschen sterben, 14 werden verletzt. An die Amokfahrt erinnern in der Innenstadt heute noch einige Blumen, die auf einer Bank am Paradeplatz abgelegt worden sind. Die meisten sind schon verwelkt, die Kerzen aus.

Die Stadtverwaltung hat diesen Ort zu einer vorübergehenden Gedenkstätte für die Opfer erklärt. „Die Stadt Mannheim möchte allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, an dieser Stelle Blumen und Kerzen als Zeichen der Trauer und Anteilnahme niederzulegen“, steht auf einem Schild.

Man werde diesen Ort erhalten, solange erkennbar sei, dass Bürgerinnen und Bürger das Bedürfnis nach einem solchen Ort zur Erinnerung an die Todesfahrt hätten, teilt ein Stadtsprecher auf Anfrage mit. „Nicht schön“, findet eine Passantin, die ihren Namen nicht nennen möchte, dieses Gedenken: „Da sollte eine Tafel her, die an die Opfer erinnert. Und ein schönes Blumenbeet drumherum.“

Mit diesem Kleinwagen raste Alexander S. am 3. März über die Planken. Ein Taxifahrer hatte den Mann schließlich gestoppt. © Michael Ruffler

Weggeräumt ist inzwischen das Kondolenzbuch, das nach der Tat im Eingangsbereich des Rathauses auslag. Mehr als 100 Bürgerinnen und Bürger hätten sich dort auf über 40 Seiten eingetragen – teils mit längeren Texten, teils nur mit ihrem Namen oder ihrer Unterschrift, berichtet der Sprecher.

9.000 Euro nach Mannheimer Amokfahrt bislang auf dem Spendenkonto eingegangen

Bislang rund 9.000 Euro sind auf dem Spendenkonto eingegangen, das die Bürgerstiftung eingerichtet hat. Das Geld ist sowohl für die Opfer als auch für die Arbeit der Notfallseelsorge in Mannheim bestimmt. Die größte Spende, nämlich 1500 Euro, kommt dabei von Vereinen aus Rettigheim im Kraichgau. Sie hatten nach der Todesfahrt am Rosenmontag beraten, ob sie ihren für den nächsten Tag geplanten Umzug durchführen sollten. Man entschied sich dafür und stellte an allen Verkaufsständen Spendenboxen auf. Das Ergebnis rundeten die Vereine dann auf.

Der Tatverdächtige Alexander S. sitzt weiter in einer Justizvollzugsanstalt. Zur Sache habe er sich weiterhin nicht eingelassen, teilt die Staatsanwaltschaft Mannheim auf Anfrage mit. Auch ein psychiatrisches Gutachten liege noch nicht vor. Der 40-jährige Deutsche, der zuletzt in Ludwigshafen wohnte, war seit Jahren psychisch erkrankt und in Behandlung. Bei seiner Festnahme soll er Polizeibeamte gebeten haben, ihn zu erschießen. Dass er Medikamente, die er verschrieben bekommen hat, zur Tatzeit nicht eingenommen hat, bestätigt der Leitende Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler wenige Tage nach der Amokfahrt.

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Weiter werde auch hinsichtlich eines möglichen Motivs in alle Richtungen ermittelt, so die Staatsanwaltschaft. Damit wird nach wie vor ein politisches Motiv nicht vollkommen ausgeschlossen. Die Online-Plattform Exif hatte Verbindungen von Alexander S. in rechtsextremistische Kreise öffentlich gemacht. Der 40-Jährige war außerdem unter anderem vorbestraft, weil er 2018 in sozialen Medien ein Bild, das Adolf Hitler zeigt, mit „Sieg Heil from Germany“ kommentiert hatte.

Dass sie inzwischen mit gemischten Gefühlen in die Mannheimer Innenstadt kommt, erzählt Ioana Lapolla aus Bruchsal: „Ich beobachte die Leute ganz genau und laufe auch dicht an den Läden entlang und nicht mehr in der Mitte.“ Nach ihrem Empfinden sind an diesem Vormittag zu viele Autos auf den Planken unterwegs. Dass die Anteilnahme schon wenige Tage nach der Amokfahrt spürbar verebbt sei, findet Ioana Lapolla schade. „Weil der Tatverdächtige kein Islamist war, sondern halt psychisch krank“, äußert sie ihre Vermutung.

Eine Rentnergruppe aus Baden-Baden sitzt derweil gemütlich im Außenbereich eines Cafés und plaudert. Ob sie nach der Tat vom Rosenmontag so unbeschwert hier sitzen können? „Daran denken wir, ehrlich gesagt, gar nicht mehr“, lautet die Antwort.

Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen beim Erlebniswochenende Ende Juni in Mannheim

Nicht vergessen kann dagegen Ilona Friedrich aus Ludwigshafen das Geschehen. Seitdem hält sie sich lieber drinnen oder in den geschützten Bereichen an den Rändern der Fußgängerzone auf. „Es ist ein komisches Gefühl“, gibt sie zu.

Dass ein Besucherrückgang in der Mannheimer Innenstadt nur in den ersten Tagen nach der Todesfahrt zu spüren gewesen sei, berichtet Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim City. Inzwischen sei die Frequenz wieder sehr hoch. Den immer wieder geäußerten Vorwurf, auf den Planken seien zu viele Autos unterwegs, kann er nicht nachvollziehen: „Bis 11 Uhr ist Lieferverkehr gestattet, und das muss auch sein. Daran ist rigoros Schluss. Und daran wird sich auch gehalten.“

Von weiteren Schranken oder Pollern hält er nichts. „Wir können die Innenstadt nicht dicht machen. Die Menschen sollen ja auch hierher kommen können, wir wollen ein offenes Zentrum“, so Pauels. Hier in die Extreme zu gehen, sei schwierig: „100-prozentige Sicherheit bekommt man nirgendwo.“ Gleichwohl arbeite man für das Erlebniswochenende mit verkaufsoffenem Sonntag Ende Juni schon jetzt an einem Sicherheitskonzept. „Wir sind in Gesprächen mit der Polizei und mit dem Fachbereich für Sicherheit und Ordnung“, berichtet Pauels und kündigt an: „Es wird auf jeden Fall verstärkte Kontrollen geben.“

Redaktion Reporterin Team Mannheim

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