Innenstadt

Zu Besuch in Mannheims „Little Istanbul“

Eine Schlemmertour durch die G- und H-Quadrate zeigt, wie vielfältig und hochwertig die türkische Küche mitten in Mannheim ist. Ein Abstecher dorthin kann sich anfühlen wie ein Urlaubstag

Von 
Verena Reeg-Dahmen
Lesedauer: 
Necdat Koçak bereitet den Spieß für Cag Kebap im Oltu Cag Kebap. © Thomas Tröster

Mannheim. Es braucht keine weite Anreise, um in den Genuss des türkischen Lebensgefühls zu kommen. Mitten in Mannheim, in den an den Marktplatz angrenzenden Quadraten G und H, ist es zu spüren. An einem heißen Sommerabend herrscht dort reges Treiben auf den Straßen und Gehwegen. Überall laufen oder sitzen Menschen verschiedenster Nationen, um die Geschäfte und zahlreichen gastronomischen Betriebe zu besuchen: Die Rede ist von „Little Istanbul“, wie das Viertel in Mannheim liebevoll genannt wird. Dort finden sich hauptsächlich türkische Läden – von Gastronomie über Brautmoden bis hin zu Schmuck und mehr. Aus mehreren hundert Kilometern Entfernung – auch aus der Schweiz oder dem Elsass – kommen die Menschen, um hier einzukaufen und die kulinarischen Besonderheiten zu genießen. Denn genießen ist dort das Stichwort – so auch bei einer Gastrotour, die wir mit Fatih Ekinci, Leiter des Büros Regierungsangelegenheiten der Stadt Mannheim, gemacht haben.

Slav Yordanov und Medeni Yilmaz kümmern sich um die Fleischspieße für die Spezialität Adana Kebap im Türk Sofrasi Ocakbasi. © Thomas Tröster

Der türkischstämmige Ekinci kennt so gut wie jeden in dem Viertel und schwärmt nur so von den kulinarischen Genüssen, die die Besucher dort vorfinden. „Hier hat jedes Restaurant seine eigenen besonderen Spezialitäten“, sagt er. Und die Qualität ist sehr gut. „Bei fast 30 hauptsächlich kleinen und einigen großen Restaurants in den vier Quadraten G1, G2 und H1 und H2 muss einfach jeder sein Bestes geben, denn die Konkurrenz ist groß.“ So ist es auch nicht verwunderlich, dass wir bei der Gastrotour nicht alle Läden ansteuern können – eine kleine Auswahl des kulinarischen Angebots in „Little Istanbul“ zeigt dennoch, wie vielfältig und lecker es dort ist. Was überall zu spüren ist: die Offenheit und Gastfreundlichkeit der Menschen, die stolz auf ihr hochwertiges und frisches Essen sind.

Schon einmal vorab: Da die türkische Küche traditionell sehr fleischlastig ist, haben wir uns dem bei unserer Schlemmertour angeschlossen und hauptsächlich traditionelle Fleischgerichte getestet. Vegetarisches oder Veganes ist in „Little Istanbul“ selbstverständlich überall in großer Auswahl zu bekommen. Auch in diesem Bereich sind die Köche kreativ.

Acili Ezme heißt so viel wie „zerstampfte Schärfe“

Zum ersten Stopp der Tour kehren wir im Türk Sofrasi Ocakbasi ein. Übersetzt heißt das so viel wie „Der türkische Essenstisch direkt am Grill“ – und wie der Name schon vermuten lässt, gibt es im hinteren Teil einen Bereich, in dem die Köche hinter einem breiten Holzkohlegrill schwitzen. Das am Marktplatz gelegene größere Restaurant gibt es seit 2014 und bietet feine türkische Spezialitäten wie Adana Kebap, das uns serviert wird. Das Gericht stammt ursprünglich aus der türkischen Provinz um Adana – daher auch der Name.

Die Fleischspieße aus fein gewürztem Hackfleisch – Hammel- oder Lammfleisch, in unserem Fall Letzteres – werden über dem Holzkohlegrill zubereitet und sind wunderbar zart und saftig. Dazu bekommen wir Reis und Bulgur, angemachte Zwiebeln mit frischer Petersilie, gegrillte Tomaten und Peperoni, die aufgrund ihrer Schärfe mit Vorsicht zu genießen sind. Scharf ist auch die rote Gewürzpaste Acili Ezme, übersetzbar als „zerstampfte Schärfe“. Sie stammt ursprünglich aus der kulinarisch sehr geschätzten Gegend um die Stadt Gaziantep in Südost-anatolien und harmoniert bestens mit den gegrillten Lammspießen. Alles in allem ein gelungener Auftakt unserer Tour an diesem Abend.

Mehr zum Thema

Wirtschaft

Erfolgreiche Migranten - zwei Gründergeschichten aus Mannheim

Veröffentlicht
Von
Ilgin Seren Evisen
Mehr erfahren
Orte: Marktplatz

Ein kleines Stück Istanbul

Veröffentlicht
Von
Miray Caliskan
Mehr erfahren
Mannheim

Ministerin Öney besucht "Little Istanbul"

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Weiter geht es einfach nur um die Ecke. Dort befindet sich mit dem Oltu Cag Kebap in H2, 19 unsere nächste Station. Wir werden herzlich begrüßt, genauso, wie bereits bei unserem ersten Halt. Da wir noch einiges vorhaben, versucht Fatih Ekinci mit den Gastronomen auszuhandeln, uns wirklich nur kleine Portionen zum Verkosten zuzubereiten – zu gerne möchte uns das Team um die Familie von Mustafa Atci Speisen in großen Mengen auftischen. Wie der Name des Schnellrestaurants schon verrät, ist das Vorzeigegericht dort Cag Kebap. Dabei handelt es sich um Spieße aus 100 Prozent Lammfleisch. „Zur Zubereitung wird der große Drehspieß nicht wie bei einem Döner vertikal, sondern horizontal gegrillt“, erklärt Ekinci. Die absolute Besonderheit im Oltu Cag Kebap: Das Fleisch wird in einem Holzofen quer gegrillt – laut Mustafa Atci der einzige für Cag Kebap seiner Art in Deutschland. „Das Holz macht ein ganz besonderes Aroma“, sagt Ekinci. Durch die Querlage des Drehspießes tropft das Fett zudem nach unten und läuft nicht wie beim Dönerfleisch am Spieß herunter.

Heraus kommt ein unglaublich zartes, saftiges Fleisch. Gegessen wird Cag Kebap auch besonders: Der Spieß, der uns serviert wird, liegt auf einem hauchdünnen, selbst gebackenen Fladenbrot. Ekinci zeigt uns, wie wir mithilfe des Brots kleine Fleischstücke vom Spieß abreißen und essen – sehr lecker. Neben den Spießen und dem Brot finden sich wieder scharfe grüne Peperoni auf dem Teller. Außerdem frische Tomaten und Zwiebeln, die mit dem säuerlich-fruchtig schmeckenden Sumak gewürzt sind. Der Clou: Darüber wird im Oltu Cag Kebap Granatapfelsirup gegeben, was dem Ganzen eine erfrischende und leicht süßliche Würze verleiht. „Unsere Gerichte sind ohne Knoblauch“, verrät Inhaber Mustafa Atci, „wer möchte, bekommt ihn dazu – wir haben immer auch den frischen Knoblauch hier“.

Ein ganz besonderes Pide

Mit schon leicht gefülltem Magen machen wir uns auf zum nächsten Halt. Diesmal laufen wir einige Minuten nach G5, 12 ins Uzun Tasfirini. Das Holzfeuerofen-Restaurant betreiben Nursemin und ihr Mann Mehmet Uzun seit 2004, mittlerweile ist es Kult, denn ihr Pide, gefüllte Brotfladen, ist einzigartig gut – was auch die Bewertungen im Internet deutlich machen. Der Teig besteht nur aus Mehl, Wasser und Salz, „ohne Zusätze“, wie Mehmet Uzun betont. Die beiden setzen sich mit ihrer Tochter vor dem Imbiss zu uns, nachdem wir uns im Inneren den riesigen Ofen angeschaut haben. Der macht eine so große Hitze in dem kleinen, gemütlichen Restaurant, dass wir die Bäcker nicht beneiden. „Den Ofen gibt es so nicht, den haben wir über neun Monate lang aus einzelnen Steinen gebaut“, sagt Nursemin Uzun mit Stolz. Sie managt den Laden, nennt sich „Innenministerin“ und ihren Mann „Außenminister“.

Fatih Ekinci und Mehmet Uzun genießen das Pide im Uzun Tasfirini. © Verena Reeg-Dahmen

Der Ofen hat immer eine Hitze von rund 250 bis 300 Grad, auch nachts. Morgens reicht es, das Buchenholz aufzulegen, schon fängt die Glut wieder Feuer. Buchenholz verwenden die Uzuns, weil daraus beim Brennen keine Holzsplitter spritzen. Die Hitze im Ofen, der übrigens kein Pizzaofen ist, wird auch durch ein rund drei Tonnen schweres Gemisch aus Salz und Scherben unter den Steinen gehalten. „Als wir Steine im Ofen austauschen mussten, haben wir den Laden vier Wochen zugemacht und mussten den Ofen ausgehen lassen - nach drei Wochen waren es darin immer noch 65 Grad“, erzählt die Chefin. Und diesen ganzen Aufwand kann man schmecken. Das Pide ist unglaublich gut gewürzt, das Brot dafür gebacken und nicht angebrannt wie teilweise beim Pizzaofen. Wir probieren Pide mit Hackfleisch und mit Spinat und Käse gefüllt. Das mit Hackfleisch wird mit frischer Petersilie gegessen, was wunderbar schmeckt. Alternativ ist bei den Gästen auch die Linsensuppe der Uzuns beliebt, die nicht gestreckt nur aus Linsen besteht und nach Omas Rezept gekocht wird.

Nach den überaus netten Gesprächen und einem mehr als gefüllten Magen beenden wir unsere Gastrotour – wir hätten noch in zahlreiche weitere Restaurants und Imbisse in „Little Istanbul“ gehen können und wären genauso herzlich empfangen und kulinarisch verwöhnt worden. Der Abend öffnet bereits die Türen für weitere Besuche. Ein kulinarischer Abstecher in die G-H-Quadrate lohnt sich einfach.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen