Mannheim. Als die Kolonne mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor das Alte Rathaus auf dem Marktplatz fährt, ist dort bereits kaum mehr etwas zu hören. Bis zu 2000 Menschen, so schätzt es Polizeisprecherin Sabine Abeln, sind am sonnig-warmen Freitagvormittag auf den Marktplatz gekommen. Immer wieder treten einzelne von ihnen oder auch ganze Gruppen an das am Brunnen liegende Meer aus Blumen und Kerzen. Manche verneigen sich, andere legen Blumen nieder. Das Bellen eines kleinen Hundes ist zu hören. Gesprochen aber wird kaum. Erst recht nicht, als der Bundespräsident mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) und Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) an die Gedenkstätte tritt. Auch die Eltern und die Schwester von Rouven Laur sind gekommen.
Steinmeier legt einen Kranz nieder und richtet die Trauerschleife. Die Uhr am Turm der Kirche von Sankt Sebastian zeigt 11.25 Uhr. Bis zur offiziellen Gedenkminute sind es noch fast zehn Minuten. So lange schweigt die Delegation an jenem Ort, an dem der Polizist Rouven Laur vor genau einer Woche niedergestochen wurde. Aus der Schweigeminute werden Minuten des Schweigens.
Die langen zehn Minuten erinnern an die vergangenen sieben Tage, die die Stadt verändert haben. Die Atmosphäre auf dem Platz ist beeindruckend. Sie bewegt. Und sie bedrückt. Jeweils ein Glockenschlag von Sankt Sebastian um 11.34 Uhr und um 11.35 Uhr umrahmt die offizielle Schweigeminute.
Frank-Walter Steinmeier in Mannheim: „Diese Gewalt muss aufhören.“
Nachdem der Bundespräsident und die Gäste den Marktplatz verlassen haben, folgt ihnen eine ebenfalls anwesende Einheit der Polizei. Applaus brandet auf. Ein Spalier bildet sich. In den Gesichtern der etwa 50 Beamten ist noch immer Fassungslosigkeit zu erkennen. Trauer. Vielleicht mag der eine oder die andere Uniformierte aber auch denken, dass die im Angesicht der Tragödie nun signalisierte Wertschätzung ihnen - und vielen anderen Uniformierten - auch viel öfter im Alltag entgegengebracht werden müsste.
Später spricht der Bundespräsident in einem Presseraum des Polizeipräsidiums vom „blutigen“ und „grausamen Terrorakt von Mannheim“, der Rouven Laur das Leben gekostet hat. Der Polizeihauptkommissar habe in dieser Stadt „unter Einsatz von Leib und Leben alles getan“, um andere vor dem Attentäter zu schützen.
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Mit Angriffen auf Bürgermeister, Minister, Abgeordnete und Ehrenamtliche habe es in den vergangenen Wochen noch weitere „abscheuliche Akte politisch motivierter Gewalt“ gegeben, erinnert Steinmeier. „Wir, die Demokratinnen und Demokraten dieses Landes, dürfen und werden uns an Gewalt in der politischen Auseinandersetzung niemals gewöhnen.“ Das Staatsoberhaupt fordert, gerade heute und hier in Mannheim, wie er sagt: „Diese Gewalt muss aufhören.“
Polizisten formen riesiges „R“ im Ehrenhof des Mannheimer Schlosses
Auch im Ehrenhof des Mannheimer Schlosses wird am Freitagmorgen Rouven Laurs gedacht. Wie auf dem Marktplatz stehen die Kollegen und Kolleginnen des getöteten Polizisten schon Minuten vor der offiziellen Schweigeminute um 11.34 Uhr gemeinsam mit Rettungskräften und der Feuerwehr in kompletter Stille in Reih und Glied auf dem Hof. Mehr als 500 sind gekommen, viele in Uniform, manche in Zivil, Polizistinnen mit Kindern, andere ganz in Schwarz mit Blumen. Sie kommen von allen Dienststellen des Polizeipräsidiums Mannheim, von der Kripo in Heidelberg bis zur Streife aus dem Rhein-Neckar-Kreis. Keiner spricht, kein Funkgerät ist angeschaltet. Es ist einer der wenigen Momente, in denen sich die Polizei, aber auch die restlichen Einsatzkräfte von ihrer verletzlichen Seite zeigen. Ein Moment des Innehaltens, des gemeinsamen Trauerns und Gedenkens, bevor es zurück in den turbulenten Dienstalltag geht.
„In diesen schweren Tagen sind wir so eng zusammengerückt, wie nie zuvor. Möge die Erinnerung an ihn in unseren Herzen weiterleben. Lasst uns gemeinsam jetzt verweilen, um Abschied zu nehmen“ - mit diesen Worten eines Mannheimer Polizisten beginnt die Schweigeminute - und wie auf ein Kommando ziehen die Beamten nacheinander ihre Dienstmützen vom Kopf. Später werden sie ein riesiges „R“ samt Herz im Hof bilden und dazu weiße Luftballons und Tauben in den Himmel aufsteigen lassen.
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