Mannheim. Es ist eigentlich nur ein kleiner Verbindungskanal - aber aktuell ist der so voll mit Wasser, dass die Fluten gefährlich nahe an den Gehweg reichen. Direkt an der Teufelsbrücke steht deshalb mittlerweile eine stählerne Wand - direkt angrenzend ans Kreativwirtschaftszentrum C-Hub. Dort klebt an diesem sonnigen Dienstagmittag, nur wenige Meter vom Wasser entfernt, auf einer Betonmauer ein Mann Holzlatten zusammen.
Ob er sich Sorgen macht wegen des Hochwassers? „Wir haben die Wetterlage im Auge, und Regen soll es ja so schnell nicht wieder geben“, sagt der Mitarbeiter vom Architektenbüro Yalla Yalla. Das hat direkt am Ufer Büroräume im Erdgeschoss des C-Hubs gemietet, vom Fenster aus können die Mitarbeiter hier aufs Wasser blicken. Seit gestern, berichtet der junge Mitarbeiter, habe man Sandsäcke im Treppenhaus gelagert und eben diese stählerne Wand aufgebaut.
Wer diese Wand errichtet hat? Darauf weiß man auf Nachfrage bei der Stadt auch keine Antwort. Ein Sprecher erklärt: Die Stadt war es definitiv nicht, da es sich beim Verbindungskanal aber um Hafengebiet handelt, könnte die Hafengesellschaft zuständig sein. Auf Nachfrage heißt es hier: Man kenne die neue Wand - aufgestellt aber hat man diese nicht. Gut also, dass laut Wetterexperten die Pegel bald wieder sinken sollen. Tatsächlich sind durch die vergangenen Regentage in ganz Süddeutschland Neckar und Rhein drastisch angeschwollen.
Selbst die Stadt spricht von einem zehnjährigen Hochwasser. Den Höhepunkt erreichen die Fluten laut Prognosen der Stadt genau an diesem Dienstag, mit 8,60 Meter am Neckar und 8, 10 Meter am Rhein. Das ist an diesem Tag eben auch am Verbindungskanal zum Neckar deutlich zu sehen. Tatsächlich fehlt hier nur knapp ein Meter bis zum Gehweg. Selbst die Terrasse des Restaurant St. James, die sonst eigentlich weit über das Wasser ragt, droht fast zu versinken. Nachgefragt beim Restaurant erklärt eine Mitarbeiterin: Man mache sich schon Sorgen, ob man die Terrasse heute noch öffnen könne.
Sperrungen an Rheindamm, Neckarufer und auf dem Lindenhof
Schon am vergangenen Wochenende hatte der Stadtraumservice wegen der angekündigten Regenfälle samt möglichen Hochwassers Sperrungen entlang des Ufers eingerichtet, wie etwa in der Neckarstadt-West oder am Rheindamm. Obwohl das Hochwasser in diesem Jahr so hoch wie kaum je sonst in Mannheim ist - der höchste bekannte Wasserstand am Rhein wurde 1982 mit 9,17 Meter Ende Dezember gemessen -, rechnet die Stadt mit keinem weiteren Anstieg. Der bisher niedrigste Stand war im Oktober 2018 mit nur 85 Zentimetern. Trotzdem rechnet die Stadt damit, dass es einige Zeit dauern wird, bis sich das Hochwasser zurückzieht. Gründe sind der weiterhin anhaltende Regen in Süddeutschland und die Wassermassen, die dadurch in den Rhein fließen. Der wiederum werde den Neckar an der Rheinmündung weiterhin zurückstauen.
Warum aber dauert es so lange, bis das Wasser in unseren Flüssen wieder sinkt? Darauf kennt der Deutschen Wetterdienst eine Antwort. Laut Meteorologen gilt hier die Faustregel: je kleiner der Fluss, desto schneller fließt das Wasser wieder ab. Zudem fließt auch etwas von der Donau auch den Rhein, der widerrum mit dem Neckar verbunden ist. Die Scheitelwelle des zweitgrößten Flusses in Europa läuft wiederum nur sehr langsam ab, was sich auf die beiden Flüsse auswirkt.
Die Hochwasserzentrale Baden-Württemberg rechnet außerdem damit, dass die Pegelstände am Rhein bis voraussichtlich diesen Donnerstag wieder unter die für die Schifffahrt kritischen Werte sinken. Laut der Hochwasservorhersagezentrale sei auch am Neckar die Tendenz fallend. „Lediglich in Mannheim und in Heidelberg stagniert der Wasserstand gerade, dort wird er aber auch bald fallen“, so eine Sprecherin.
Warnung vor Strömung, Damm als Rückzugsort für Wildtiere
Allerdings ist das Neckarufer mittlerweile kaum wiederzuerkennen: Hier reicht das Wasser an der Kurpfalzbrücke bis weit nach oben an die Böschung, der Geh- und Fahrradweg ist längst versunken. Immer wieder blicken Spaziergänger ungläubig auf die steigenden Wassermassen. In der anderen Richtung sind außerdem der Basketballplatz sowie der Parkplatz des Uniklinikums tief im Wasser versunken. Wer sich hier raus wagt, setzt sich einem Risiko aus: Denn auch die Stadt warnt eindringlich vor der reißenden Strömung, besonders für Kinder kann die ziemlich gefährlich werden.
Bis die Pegelstände aber langsam wieder sinken, will die Stadt deswegen die Hochwassersperrungen stehen lassen. Nachgefragt bei der Stadt kann man auch hier nicht genau sagen, wie lange das dauern wird. Selbst am Rheindamm ist der Zugang für Spaziergänger und Radfahrer mittlerweile gesperrt, hier braucht man Gummistiefel, um etwa durch die riesigen Pfützen am Parkplatz zur Silberpappel zu waten. Dort ist dann die Hochwasserschranke nach unten geklappt, mit einem Hinweis: Auch die Tiere im Waldpark haben sich vor dem Hochwasser auf dem Damm gerettet und nutzen diesen nun als Rückzugsort und Rettungsinsel. Spaziergänger und Hundebesitzer sollen deshalb das Gebiet bis auf Weiteres meiden, da die scheuen Wildtiere besonders vor Mensch und Hund fliehen - und dann in den Fluten ertrinken können.
Zurück im Jungbusch bleibt man direkt am Wasser weiterhin gelassen. Eine explizite Warnung von der Stadt hat es hier nicht gegeben. „Außerdem hab’ ich den Eindruck, dass das Wasser langsam wieder sinkt“, sagt der Architekturmitarbeiter und klebt gelassen die nächste Holzlatte an. mit dpa/lsw
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-zehn-jahres-hochwasser-so-kaempft-mannheim-mit-ueberflutung-_arid,2212533.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Metropolregion Hochwasserschutz am Rhein: Hausaufgaben gemacht