Mannheim. Die Bauern in Deutschland protestieren aktuell massiv gegen die Sparpläne der Bundesregierung, die aufgrund ihres 60-Milliarden-Finanzlochs die Dieselsubventionen und die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge streichen möchte. Auch in Mannheim und der Rhein-Neckar-Region kam es in den vergangenen Tagen zu Demonstrationen. Die Auswirkungen, die der Schritt der Ampel-Koalition für die Bauern haben, fallen ganz unterschiedlich aus – je nachdem, wie der Betrieb aufgestellt ist.
Fehlende Zukunftsperspektive
Einer, der die Proteste unterstützt und die Demonstration in der Region organisiert hat, ist Landwirt Wolfgang Guckert aus Sandtorf. Der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Rhein-Neckar kritisiert, dass ihm die Zukunftsperspektive über das Jahresende hinaus fehlt, die Rahmenbedingungen für Landwirte nicht stimmen würden und er ein Gesamtkonzept in der Agrarpolitik vermisse.
„So kann man mit uns nicht umgehen. Wenn die Landwirte die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge voll bezahlen müssen und die Dieselsteuerrückvergütung gestrichen wird, wäre das ein Paket von einer Milliarde Euro.“Aus seiner Sicht sei die Rückerstattung von Diesel- und Kfz-Steuer keine Subvention: „Die Landwirte befahren nicht die Straße, sondern zu 80 bis 90 Prozent ihre Äcker.“ Nur deshalb werde bisher ein Teil dieser zweckgebundenen Steuer zurückgezahlt.
Im EU-Haushaltsjahr 2022 erhielten, so hat es das Institut der deutschen Wirtschaft veröffentlicht, die rund 270 000 Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland 6,9 Milliarden Euro an Subventionen. Dazu kamen noch einmal rund 2,4 Milliarden Euro an Subventionen von Bund und Ländern.
Auf dem Internetportal der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ist nach dem Transparenzgesetz der EU für jeden Landwirt aufgelistet, wie viele Gelder er aus den einzelnen Töpfen für Land- und Fischereiwirtschaft der Europäischen Gemeinschaft erhält. So auch für Guckert. Demnach waren es für den Mannheimer Landwirt, der neben seinen Flächen in Mannheim auch einen Viehzuchtbetrieb im Odenwald betreibt, im Jahr 2022 knapp 60 000 Euro. Im Schnitt machen laut der Tagesschau EU-Subventionen 57 Prozent der Zuschüsse aus, zusammen mit der Unterstützung aus dem Bundeshaushalt dürfte er hochgerechnet demnach an die 100 000 Euro an Subventionen erhalten.
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Der durchschnittliche Haupterwerbsbetrieb in Deutschland erhält laut Agrarbericht der Bundesregierung eine Rückzahlung der Dieselsteuer in Höhe von rund 2900 Euro pro Jahr. Bei Guckert, der 150 Hektar in Mannheim bewirtschaftet, fällt hingegen bei den Plänen der Bundesregierung ein Subventionsausfall durch die Dieselsteuer und die neue Kraftfahrzeugsteuer für Landmaschinen von rund 10 000 Euro an. Als Ackerbaubetrieb muss er für die Bewirtschaftung seiner Flächen viel Dieselkraftstoff einsetzen.
Er berichtet gegenüber dem „MM“, dass er pro Hektar und Jahr rund 250 Liter Diesel benötigt. Die Rückzahlung der Dieselsteuer beziffert sich auf 21,48 Cent je Liter und damit auf etwas mehr als 8000 Euro. „Jeder Euro, der fehlt, fällt ins Gewicht“, sagt Guckert mit Blick auf die Preisentwicklung für landwirtschaftliche Produkte und die immer teurer werdenden Investitionen.
Was verdienen Landwirte?
Mit den Subventionen sollen laut BLE vor allem größere Schwankungen der Preise für Agrarprodukte abgefedert werden, um das Einkommen der Betriebe zu stabilisieren. Guckert kritisiert jedoch, dass die Subventionen dazu führen würden, dass die Preisentwicklung der Erzeugnisse nicht der normalen Preissteigerung entspreche. So habe er im Jahr 1985 für 100 Kilogramm Weizen umgerechnet 25 Euro bekommen. 2023 seien es für die gleiche Menge Weizen nur noch 20 Euro gewesen. Für einen Liter Milch hätten Bauern damals 50 Cent erhalten, heute seien es nur noch 40 Cent.
Komplett andersherum sehe es laut Guckert bei den Ausgaben aus. 1985 habe eine Werkstattstunde für einen Schlepper 20 bis 25 Euro gekostet, heute seien es 100 Euro. Ebenso hätten sich Düngemittel, Pflanzenschutz und Strom verteuert. Landwirte bekommen für ihre Erzeugnisse aber immer weniger Geld, rechnet Guckert vor: „Wenn unsere Erzeugerpreise ganz normal mitgestiegen wären, wären wir viel unabhängiger und losgelöster von Subventionen und Kontrollen.“
Die BLE beziffert das durchschnittliche Einkommen deutscher Landwirte im Wirtschaftsjahr 2021/2022 auf rund 43 500 Euro pro Arbeitskraft. Rund 50 000 Euro hat Guckert laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr verdient. Für das nächste Jahr rechnet er indes nur mit 35 000 bis 40 000 Euro. So genau könne er das noch nicht vorhersagen. Er habe beispielsweise 20 Hektar Weizen auf der Friesenheimer Insel eingesät, die nach dem jüngsten Hochwasser vielleicht weg sind. Vielleicht muss er erneut einsäen. Er trägt das unternehmerische Risiko.
Ohne die Subventionen von EU und Staat würde unterm Strich nicht viel übrig bleiben, betont der Mannheimer Landwirt. Unter der Voraussetzung aber, dass die Rahmenbedingungen für Landwirte und auch die Erzeugerpreise geändert würden, wäre eine Landwirtschaft ohne Subventionen möglich, meint Guckert. Doch so lange das nicht der Fall ist, seien die Agrarsubventionen unerlässlich.
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