Soziales

Wohnungsnot und Obdachlosigkeit: Wie viele Menschen in Mannheim auf der Straße leben

Immer mehr Menschen haben Probleme, eine Wohnung zu finden oder sie zu behalten. Ein Überblick, wie viele Menschen in Mannheim derzeit keine feste Bleibe haben.

Von 
Stefanie Ball
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Ein Schlafplatz in einer Unterführung unterer Luisenpark, dokumentiert für das Langzeitprojekt „Dwelling Places". © Torsten Redler

Mannheim. Wohnungsnot ist in Deutschland ein drängendes Problem, das auch Menschen betrifft, die einen Job haben. Laut den aktuellen Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe sind 13 Prozent der befragten Klientinnen und Klienten von Wohnungsnot betroffen, obwohl sie arbeiten.

Elf Prozent aller erfassten Personen in der Wohnungsnotfallhilfe leben mit mindestens einem Kind im Haushalt. Das hat weitreichende Folgen für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe, wie die BAG warnt, die einmal im Jahr die Lage wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen analysiert.

Auch in Mannheim leben Menschen in prekären Verhältnissen, sind von Wohnungslosigkeit bedroht oder haben keine Wohnung. Aktuell gibt es nach Auskunft der Stadt rund 270 Personen, die aus unterschiedlichen Gründen keine - miet- oder pachtvertraglich gesicherte - Bleibe haben.

150 Personen in kommunalen Immobilien untergebracht

150 von ihnen sind im Rahmen der Wohnungslosenhilfe in kommunalen Immobilien untergebracht und werden aufgrund ihrer besonderen Bedürfnisse, etwa einer psychischen Erkrankung, betreut. Daneben gibt es Menschen, die von Wohnungsnot bedroht sind, die etwa kurz vor einer Räumungsklage stehen, weil sie die Miete nicht zahlen können. Hier versucht die Stadtverwaltung im Rahmen der Wohnraumsicherung im Vorfeld zu intervenieren, etwa durch Vermittlung an die Schuldnerberatung oder den Mieterverein.

Droht ein Räumungsklageverfahren, werden die betroffenen Haushalte nach Aussage der Stadt intensiv von der Wohnraumsicherung begleitet und beraten, und es werde nach individuellen Möglichkeiten gesucht, den Wohnungsverlust abzuwenden. Blieben sämtliche Versuche erfolglos, würden die Menschen vorübergehend in Ersatzwohnraum untergebracht. Das trifft derzeit auf 58 Haushalte mit insgesamt 120 Personen zu. Für die Zahl der Obdachlosen, also Menschen, die auf der Straße leben, nennt die Stadt Schätzungen von 80 bis 100; darunter seien auch Menschen, die als "Durchwanderer" von Stadt zu Stadt zögen.

Wohnungslosigkeit

  • Mehr als 600.000 Menschen sind laut Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe in Deutschland aktuell ohne Wohnung. Hauptgrund ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
  • Am stärksten betroffen sind demnach Menschen mit geringem Einkommen, Alleinerziehende und junge Erwachsene. Viele von ihnen müssen mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete aufbringen.

  • Am 11. September eines jeden Jahres findet der bundesweite Tag der wohnungslosen Menschen statt, um für die Problematik zu sensibilisieren.

Dass immer mehr Menschen keine Wohnung finden, die sie bezahlen können, ist seit Jahren bundesweit ein Thema. Im Verlauf des Jahres 2022 – das ist die derzeit aktuelle Zahl – waren laut der BAG in Deutschland mindestens 607.000 Menschen wohnungslos. Die allermeisten sind institutionell untergebracht, andere sind bei Freunden oder Verwandten untergekommen. Rund 50.000 lebten ganz ohne Unterkunft auf der Straße. Die Arbeitsgemeinschaft nennt die Zahlen besorgniserregend und mahnt, dass Wohnungslosigkeit kein vorübergehendes Problem sei. Es müsse deutlich mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Um effektiv Wohnungsverlust vorzubeugen, brauche es zudem einen stärkeren Mieterschutz und flächendeckend Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlust.

Langjähriges Projekt zur Prävention wurde eingestellt

Die Caritas Mannheim kritisiert in diesem Zusammenhang, dass es in Mannheim keine effektive Präventionsarbeit gebe. Ein langjähriges Projekt zur Wohnraumsicherung, das unter anderem über eine Stiftung, später vom Land und kurzzeitig auch der Stadt gefördert worden sei, sei Ende 2024 eingestellt worden. Die Stadt werde zwar auch selbst präventiv tätig. „Als Wohlfahrtsverband genießen wir gegenüber der Verwaltung bei den Menschen aber einen Vertrauensvorschuss“, erklärt Stefanie Paul, Abteilungsleiterin Arbeit, Migration, Soziales bei der Caritas. So hätten im Rahmen des Projekts zwei „Wohnraumretter:innen“ die Haushalte direkt aufgesucht, die aufgrund von Mietschulden oder einer drohenden Kündigung durch den Vermieter vor der Wohnungslosigkeit gestanden hätten. „Ist das Kind erst in den Brunnen gefallen, etwa die Räumungsklage durch den Vermieter schon vollzogen aufgenommen, ist es in der Regel zu spät, den Verlust der Wohnung noch zu verhindern.“

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Mit Blick auf die Menschen, die auf der Straße leben, fordert Paul eine bessere Versorgung, etwa in heißen Sommermonaten. „Während der Erfrierungsschutz immerhin gesetzlich geregelt ist, der Staat also Menschen vor dem Kältetod bewahren muss, gibt es bezogen auf die Hitze noch Nachholbedarf.“

Ein großes Problem seien überdies die Zugangsvoraussetzungen, um die Notübernachtungsstelle in Anspruch nehmen zu dürfen. Wenn die letzte Meldeadresse der Betroffenen nicht in Mannheim war, komme es häufig zu Problemen. Zum anderen fielen viele Menschen, etwa weil sie aus dem Ausland nach Deutschland kommen, aus dem Hilfesystem. „Diese Menschen haben dann auch keinen Anspruch auf einen Platz in der Notunterkunft.“ Dass in Deutschland niemand auf der Straße leben müsse, sei deshalb „Quatsch“.

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