Verkehrswende

Wofür zwei Mobilitätsforscher den Mannheimer Bertha-und-Carl-Benz-Preis bekommen haben

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Oberbürgermeister Peter Kurz, die Preisträger Andreas Knie und Weert Adalbert Canzler (v. l.) mit Jutta Benz, Urenkelin von Bertha und Carl Benz. © Valerie Gerards

Mannheim. Die Mobilitätsforscher Andreas Knie und Weert Adalbert Canzler sind am Freitag in der Kunsthalle Mannheim als Vorreiter der Verkehrswende geehrt worden. Die beiden Wissenschaftler erhielten den mit 10.000 Euro dotierten Bertha-und-Carl-Benz-Preis der Stadt. „Mit ihrer interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeit schaffen sie ein fundiertes Gerüst für eine umweltgerechtere, sozialere und einfachere Mobilität“, begründete Bürgermeister Peter Kurz die Auswahl der Jury. Die Forschungsansätze bleiben nicht theoretisch, sondern mündeten regelmäßig in Maßnahmen gegen den urbanen Verkehrskollaps.

Forschung für Mobilität

Knie und Canzler arbeiten seit den 90er Jahren gemeinsam auf dem Gebiet der sozialwissenschaftlichen Verkehrs- und Mobilitätsforschung im Wissenschaftszentrum Berlin. Die Mobilitätsforscher bringen die Ergebnisse in den öffentlichen Diskurs, die Verkehrs- und Technologiepolitik und die Führung von Wirtschaftsunternehmen ein. „Ich bin eine große Verehrerin von Bertha Benz“, bekannte Sigrid Nikutta, Vorsitzende des Vorstands der DB Cargo und Vorständin Güterverkehr Deutsche Bahn, in ihrer Laudatio. „Es ist unglaublich, was sie geleistet hat. Genauso verhält es sich mit diesen Herren. Vor 15 Jahren war das, was Knie und Canzler publiziert haben, etwas 'out of scope'.“

 Vorreiter einer Vekehrswende

Sie erinnerte an eines der bekanntesten Werke der beiden Forscher, das Handbuch Verkehrspolitik von 2007. Gegen den damaligen Zeitgeist habe Knie unter anderem die erste Car-Sharing-Aktion der DB initiieren wollen – aber damals meinte man noch, jeder brauche ein Auto und der Gütertransport sei mit dem LKW am besten. „Schöner wäre es, wir hätten schon eher auf die beiden gehört“, sagte Nikutta. Stattdessen sei man in den 70er Jahren stolz darauf gewesen, die autogerechte Stadt zu bauen. Heute stünden wir vor unglaublichen Herausforderungen, die autogerechte in eine menschengerechte Stadt zu verwandeln.

So habe laut Canzler der Wunsch nach der sogenannten "Rennreiselimousine" lange Zeit verhindert, dass sich andere Gedanken entwickeln können. So stieß Andreas Knie, der 15 Jahre bei der Deutschen Bahn tätig war und dort unter anderem DB Carsharing und Call a Bike eingeführt hat, mit einem neuen Bezahlsystem für den Ticketkauf auf taube Ohren. Einfach die Kosten verschleiern wie beim Auto, bei dem ja auch „nur Spritgeld“ anfalle – das sei zu viel für die Bahn gewesen, das hätten sie gleich wieder abgeschafft, erzählte Knie mit einem Augenzwinkern. „Wir sind zu strukturgläubig. Innovationen sind keine legalen Themen, die einfach auf den Schreibtisch kommen und man muss nur unten links unterschreiben.“

 Mehr Trial und Error

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Bertha Benz sei einfach losgefahren, und das war illegal. Sie hat auch noch ihre Kinder mitgenommen. Mit dem 1-Zylinder-Viertakt-Motor startete sie heimlich im Morgengrauen die erste Fernfahrt der Auto-Weltgeschichte. Auch heute bräuchten wir mehr Trial and Error, mehr kontrollierte Grenzüberschreitungen, um die Probleme unserer Zeit zu lösen und Innovationen zu entwickeln, sagte Knie. „Wir rufen auf zu mehr Regelübertretungen, sich mehr trauen. Wo, wenn nicht in Mannheim, wo Bertha Benz einst die verbotene Ausfahrt unternommen hat? Auf legalem Weg ist die Transformation nicht zu machen!“

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