Mannheim. Die Spannung steigt: Am Donnerstag verkündet die EU-Kommission, welche 100 Städte sie in ihren Bemühungen unterstützen will, bis 2030 klimaneutral zu werden. Auch Mannheim hat sich beworben.
Was ist das eigentlich, eine EU-Mission?
Dabei handelt es sich um Programme, mit denen die EU zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen will. Beispiele sind die Krebsbekämpfung, der Schutz der Ozeane - oder eben der Klimawandel. Die Inspiration für die Bezeichnung geht zum Teil auf die Apollo-Missionen zurück, im Rahmen derer die ersten Menschen zum Mond geflogen sind.
Warum hat die EU die Mission „Klimaneutrale und intelligente Städte“ initiiert?
Sie soll eine entscheidende Rolle zur Umsetzung des „Europäischen Grünen Deals“ spielen, im Rahmen dessen sich die EU unter anderem vorgenommen hat, bis 2050 klimaneutral zu werden. Nach Angaben der EU nehmen Städte zwar nur etwa 3 Prozent der Landfläche der Erde ein - produzieren aber mehr als 70 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen. Schätzungen gingen davon aus, dass bis 2050 rund 85 Prozent aller Europäerinnen und Europäer in Städten lebten. Darum spielten sie eine Schlüsselrolle im Klimaschutz. Die 100 ausgewählten Kommunen sollen bis 2030 klimaneutral werden und als Vorreiter Erfahrungen sammeln, von denen die restlichen Städte profitieren können.
Wie viele Städte haben sich beworben?
377. Allerdings hat sich herausgestellt, dass nicht alle die Kriterien erfüllen, weshalb 15 Anträge nicht angenommen wurden. Das heißt also, dass 362 Städte übriggeblieben sind, von denen nun 100 ausgewählt werden sollen.
Aus welchen Ländern kommen die Bewerber?
Aus 35 verschiedenen - nämlich aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten sowie aus acht assoziierten, also solchen, mit denen diese besonders eng wirtschaftlich zusammenarbeiten: Das sind beispielsweise Israel, die Türkei oder das Vereinigte Königreich. Die meisten Bewerber, 36, schickt - laut einer Liste, in der alle Städte aufgeführt sind, die der Veröffentlichung zugestimmt haben - Italien ins Rennen. Auf Platz zwei landet Deutschland (30 Städte), gefolgt von Spanien (25). Aber auch in der Türkei (24), Frankreich (23) sowie Griechenland (21) und Portugal (20) ist das Interesse groß. Am geringsten scheint es in Tschechien: Es ist der größte Staat mit nur einem Bewerber.
Wer hat sich alles als Modellstadt beworben?
Die Liste liest sich fast wie ein „Who’s who“ der europäischen Zentren: Paris, Rom, Madrid, Barcelona, Sofia, Warschau, Kopenhagen, Stockholm, Athen, Budapest und wie sie alle heißen. Ein paar bekannte Namen wie Berlin, London oder Prag fehlen allerdings. Dafür stehen manche drauf, die man in der Region gut kennt: etwa Mannheims Partnerstädte Haifa und Klaipeda oder, mit Antwerpen, Lorient und Gaziantep, die von Ludwigshafen.
Welche deutschen Städte haben sich beworben?
Insgesamt 30: Die Liste reicht von Aachen, Braunschweig, Dortmund und Dresden über Konstanz, Leipzig, München und Münster bis zu Rostock, Schwäbisch Gmünd, Tübingen und Würzburg. Aus der weiteren Region haben neben Mannheim Darmstadt, Frankfurt und Heidelberg ihr Interesse bekundet.
Wie gut sind Mannheims Chancen, ausgewählt zu werden?
Das lässt sich kaum sagen: Fest steht nur, dass Städte aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten zum Zuge kommen werden. Würden die Plätze einigermaßen gleichmäßig unter diesen verteilt, dürften drei bis vier deutsche Bewerber einen Zuschlag erhalten. Allerdings sind manche Länder ja deutlich kleiner. Und aus Tschechien und Malta hat sich beispielsweise nur eine Kommune beworben. Das erhöht womöglich die Chancen der deutschen Interessenten. Andererseits buhlen auch 48 Städte aus Nicht-EU-Ländern um die Plätze mit - es darf also munter spekuliert werden.
Wer wählt die Städte nach welchen Kriterien wie aus?
Nach Angaben einer Sprecherin der EU-Kommission sind das deren Dienststellen - und zwar nach einer Methode, die sicherstellen soll, dass möglichst eine vielfältige Gruppe entsteht: also größere Städte, weil dort das Einsparpotenzial sehr hoch ist; aber auch kleinere, von denen man sich erhofft, dass sie den vielen vergleichbaren Kommunen Wege aufzeigen; ebenso Städte, die schon weit sind, und solche, die sich durch clevere Ideen hervorgetan haben.
Was hat Mannheim davon, wenn es ausgewählt wird?
Auch das lässt sich derzeit nur vage beantworten: Die Städte werden „eine gute Ausgangsposition haben, um über Pilotprojekte im Rahmen dieser Forschungsmission Zugang zu Mitteln aus dem EU-Forschungsprogramm Horizont Europa zu erhalten“, erklärt die Kommissionssprecherin. Für die EU-Mission stehen im Rahmen dieses Programms bis 2024 insgesamt 350 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem hätten die Auserwählten „auch eine gute Ausgangsposition, was den Zugang zu Strukturfonds und anderen EU-Programmen, zu nationalen und regionalen Mitteln und vor allem zu privaten Finanzmitteln angeht“, so die Sprecherin weiter. Das scheint auch nötig: Oberbürgermeister Peter Kurz rechnet damit, dass ein zweistelliger Milliardenbetrag investiert werden muss, um Mannheim klimaneutral zu machen. Neben finanzieller Unterstützung könnte die Stadt durch Experten auch praktische bei der Umsetzung erhalten, sagt ein Sprecher der Verwaltung.
Warum hat sich Mannheim überhaupt beworben?
Weil es aus Sicht von Verwaltung und Gemeinderat eine gute Gelegenheit war: Die Stadt musste ohnehin ihre Klimaschutzkonzeption fortschreiben, hat sich ambitionierte Ziele gesetzt und erarbeitet deshalb zurzeit den Klimaschutzaktionsplan 2030. Sollte sie nun zu den 100 Modellstädten gehören, „werden wir durch die EU deutlich mehr Hilfe für den Klimaschutzaktionsplan erhalten, als dies aus eigener Kraft möglich wäre“, so Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell.
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