Ethik

Wird Eizellspende bald auch in Deutschland möglich?

In Deutschland ist eine Eizellspende verboten. Der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz plädiert für eine Gesetzesreform. Er argumentiert, es sei ja auch legal, seine Niere zu spenden

Von 
Stefanie Ball
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Eizellenspende (Symbolbild) © Grafik

Die Bundesregierung hat eine Kommission einberufen, die prüfen soll, ob die in Deutschland bislang verbotene Eizellspende und die altruistische Leihmutterschaft, bei der die Leihmütter allenfalls eine angemessene Aufwandsentschädigung erhalten, erlaubt werden soll. Der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz ist Mitglied in dem Gremium.

Herr Taupitz, in Deutschland verbietet das Embryonenschutz-gesetz die Eizellspende. Sollte das Gesetz gelockert werden?

Jochen Taupitz: Das Embryonenschutzgesetz ist über 30 Jahre alt. Die medizinischen Möglichkeiten und auch die Vorstellungen von Familie haben sich seitdem stark weiterentwickelt. Vor allem aber hat jeder ein Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper, auf reproduktive Selbstbestimmung und auf Familiengründung, das ist in unserer Verfassung verankert. Der Staat braucht triftige Gründe, diese Rechte einzuschränken. Denn wir leben in einem freiheitlichen Staat. Es gilt die Freiheitsvermutung.

Und diese triftigen Gründe gibt es nicht?

Taupitz: Meiner Auffassung nach nicht! Man hat seinerzeit Identitätsfindungsprobleme der später geborenen Kinder befürchtet, wenn sie erfahren, dass sie neben der Mutter, die sie ausgetragen hat, eine genetische Mutter haben, die die Eizelle gespendet hat. Diese Befürchtungen haben sich im Ausland als haltlos erwiesen. Auch eine „Instrumentalisierung“ der Frau ist nicht gegeben, wenn sie informiert und freiwillig entscheidet, ihre Eizellen zu spenden. Wenn eine Frau ihre Eizelle spenden möchte und sie findet dafür eine Empfängerin, dann darf der Staat das nicht verbieten.

Alle Menschen haben das Recht, frei über ihre eigenen Wege der Fortpflanzung zu entscheiden

So einfach spendet eine Frau ja nicht ihre Eizellen.

Taupitz: Das ist richtig, es ist zumindest aufwendiger als die Samenspende. Und die Eizellentnahme birgt auch gewisse Risiken. Weshalb das auch immer als Argument angeführt wird, warum in Deutschland eine Samenspende erlaubt ist, eine Eizellspende aber nicht. Dennoch: Selbst wenn das Verfahren, um Eizellen zu gewinnen, aufwendiger ist, die Frau sich dafür Hormone spritzen muss, ist es immer noch die Entscheidung der Spenderin, die natürlich über das Verfahren und die Risiken angemessen aufgeklärt sein muss. Ich habe ja auch das Recht, zum Beispiel meine Niere zu spenden und dabei potenziell meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Warum sollte das im Bereich der Fortpflanzungsmedizin verboten sein?

Ein Paar möchte unbedingt ein Kind. Kann aus diesem Verlangen ein Recht auf ein Kind abgeleitet werden? Könnte dieser Wunsch außerdem nicht auch anders befriedigt werden – indem ein Kind adoptiert oder in Pflege genommen wird?

Taupitz: Es gibt kein „Recht“ auf ein Kind, und schon gar nicht auf ein gesundes Kind. Aber es gibt das Recht, freiwillig geleistete Hilfe anderer bei der Überwindung von Kinderlosigkeit in Anspruch zu nehmen. Eine Frau, die keine eigenen fruchtbaren Eizellen produzieren kann, hat das Recht, dass ihr eine andere Frau aus freien Stücken zu einem Kind verhilft, mit dem die „Wunschmutter“ zumindest durch die Schwangerschaft biologisch verbunden ist. Die Adoption ist damit nicht vergleichbar. Alle Menschen haben das Recht, frei über ihre eigenen Wege der Fortpflanzung zu entscheiden.

Aber wo ist die Grenze? Schon jetzt können Eltern in ausländischen Kinderwunschkliniken angeben, welche Augen- oder Haarfarbe ihr künftiges Kind haben soll – oder eben nicht haben soll. Greift der Mensch da nicht sehr stark ein in Natur und Zufall?

Taupitz: Das alles hat nichts mit der Eizellspende zu tun. Eine Keimbahnveränderung, also ein Eingriff in das Erbgut, ist aus guten Gründen verboten. Bei der Eizellspende wird aber ebenso wenig wie bei der Samenspende in die Natur eingegriffen.

Jochen Taupitz



Jochen Taupitz ist Seniorprofessor für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Internationales Privatrecht an der Universität Mannheim.

Seit März ist er Mitglied in der Kommission, die das Verbot der Eizellspende überprüfen soll. Die Einsetzung des Gremiums wurde im Koalitionsvertrag vereinbart. sba

Embyronen, die bei einer künstlichen Befruchtung entstehen, aber nicht benötigt werden, dürfen gespendet werden. Warum ist das wiederum vom deutschen Embryonenschutzgesetz gedeckt?

Taupitz: Das ist nur dann nicht verboten, wenn Ei- und Samenzelle bereits miteinander verschmolzen sind, also ein Embryo entstanden ist und erst jetzt die Absicht besteht, ihn auf eine Frau zu übertragen, von der die Eizelle nicht stammt. Dann ist nach Auffassung des Gesetzgebers bereits neues menschliches Leben entstanden, das schützenswert ist. Eine Eizelle im Vorkernstadium – Ei- und Samenzelle wurden zusammengebracht, sind aber noch nicht miteinander verschmolzen – darf deshalb nicht gespendet werden.

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Wie viele dieser Vorkernstadien aus künstlichen Befruchtungen sind in deutschen Fortpflanzungskliniken derzeit eingefroren?

Taupitz: Allein im Jahr 2021 wurden über 100 000 Vorkernstadien eingefroren und etwa 40 000 wieder aufgetaut; bei den Embryonen wurden etwa 20 000 eingefroren und 10 000 wieder aufgetaut. Über die Jahre hinweg ergeben sich daraus ganz schön hohe Zahlen.

Wie häufig nehmen Paare eine Embryonenspende in Anspruch?

Taupitz: In Deutschland sind es wohl wenige 100. Es gibt keine offizielle Statistik. Vielleicht liegt die geringe Zahl auch daran, dass es kein geregeltes Verfahren gibt.

Die Kommission, die sich mit der Lockerung des Embryonenschutzgesetzes mit Blick auf die Eizellspende beschäftigt, soll auch prüfen, ob eine altruistische Leihmutterschaft möglich sein soll. Wie stehen Sie dazu?

Taupitz: Die Leihmutterschaft ist eine komplexere Situation als die Eizellspende. Neun Monate Schwangerschaft sind ein langer Zeitraum, die Leihmutter ist körperlich gebunden und eingeschränkt. Jede Schwangerschaft kann auch Komplikationen bergen, die ein Risiko für die Leihmutter darstellen. Es stellen sich überdies schwierige rechtliche und ethische Fragen, wenn die Leihmutter das Kind nicht abgeben möchte. Sie kann über die Zeit von Schwangerschaft und Geburt eine emotionale Bindung zum Kind entwickelt haben, so dass es für sie eine große Belastung sein kann, das Kind abgeben zu müssen. Umgekehrt kann es sein, dass die Wunscheltern das Kind doch nicht übernehmen möchten, weil das Kind vielleicht behindert ist. Überhaupt muss geregelt werden, wie die Wunscheltern rechtlich Eltern des Kindes werden. Denn nach deutschem Recht ist die Frau, die das Kind geboren hat, automatisch die rechtliche Mutter.

Das klingt nach einem ziemlich risikoreichen Unterfangen – für alle Beteiligten. Was könnte trotzdem dafür sprechen, die Leihmutterschaft in Deutschland zu erlauben?

Taupitz: Auch hier geht es um das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen – der Leihmutter – und um das Recht auf Familiengründung – der Wunscheltern. Wenn die Eizellen der Wunschmutter für die Schwangerschaft der Leihmutter verwendet werden, ist die Wunschmutter zugleich genetische Mutter „ihres“ Kindes; sie verwirklicht also mit fremder Hilfe ihr Recht auf Fortpflanzung.

Freie Autorin

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