Mannheim. Soula Samara wirkt erschöpft. Viel Zeit, um über ihre Nominierung für die „MM“-Serie „Äfach de Beschde“ nachzudenken, hatte die 58-Jährige noch nicht. „Ich hab vor Weihnachten so viel gekocht“, erzählt sie, „jetzt bin ich kaputt, aber glücklich“. Soula Samara gehört zu den sieben Kandidaten, die für „Äfach de Beschde“ nominiert und von der Jury für die engere Auswahl bestimmt wurden. Im Oktober hatte diese Zeitung dazu aufgerufen, Leute zu nominieren, die Besonderes leisten. Mannheimer, die sich engagieren und sich mit viel Herz für eine gute Sache einsetzen, stille Helden, die Anerkennung für ihre Leistung verdient haben. Menschen wie Soula Samara.
100 Hungrige bekocht
Die Wirtin vom „Restaurant am Stollenwörthweiher“ stellt sich jedes Jahr kurz vor Weihnachten und auch an den Osterfeiertagen für Menschen mit Behinderung an den Herd und zaubert ihnen ein Festmenü. Hackfleischröllchen, Gyros, Zaziki, Pommes und Salat gab es in diesem Jahr, fast 100 Hungrigen hat Soula Samara an zwei Tagen die griechischen Spezialitäten serviert. Für diesen Einsatz war sie von ihrem Restaurant-Stammkunden Thomas Friedrich nominiert worden. „Seitdem der Artikel in der Zeitung erschienen ist, reden alle darüber. Ich freue mich so“, sagt sie. Ob sie die Gewinnerin sein wird? „Ich muss erstmal Pause machen, im neuen Jahr werde ich den Leuten sagen, dass sie mich wählen sollen.“
Sarah Hofmann weiß, dass schon einige ihrer Bekannten über das Internet ihre Stimme abgegeben haben. Auch sie habe nur „total liebe Rückmeldungen“ erhalten, seitdem Ihre Nominierung öffentlich gemacht wurde, berichtet sie. „Ehemalige Klassenkameraden haben sich bei mir gemeldet. Leute, die ich Jahre nicht gesehen habe“, erzählt sie. Auch über die Internetplattform Facebook erhielt die 20-Jährige Reaktionen: „Wildfremde haben mir geschrieben und mir gesagt, dass sie toll finden, was ich mache“.
Immer samstags im Hospiz
Jeden Samstagvormittag verbringt die junge Frau im Hospiz auf dem Waldhof. Ehrenamtlich. Seit ihre Oma im Jahr 2011 dort für immer die Augen schloss, hat Sarah Hofmann eine besondere Beziehung zu der Einrichtung und zu den Menschen, die dort ihre letzten Wochen verbringen. „Für mich ist das keine Arbeit, sondern eine Bereicherung“, erklärte sie, als der „MM“ die Studentin bei ihrem Einsatz im Hospiz besuchte. Nominiert wurde Sarah Hofmann von ihrer Mutter, die über das Engagement ihrer Tochter nur staunen kann. „Ich könnte das nicht“, gibt sie offen zu, „ich bin viel zu nah am Wasser gebaut“.
„Eigentlich sollte das, was ich mache, doch ganz normal sein“, findet Lehrer Jan-Eric Storck, der von seiner Schülerin Leyla Cicek für „Äfach de Beschde“ vorgeschlagen wurde. Aber die Zwölfjährige weiß, dass es eben nicht selbstverständlich ist, einen Lehrer zu haben, der zuhört, die Probleme seiner Schützlinge ernst nimmt und sie respektvoll behandelt. Aus diesem Grund sei Jan-Eric Storck für sie „Äfach de Beschde“, das schrieb sie Anfang November an den „MM“. Zustimmung erhielt der Lehrer der Integrierten Gesamtschule Herzogenried (IGMH) seitdem „von allen Seiten“, sagt er. Besonders ans Herz ging ihm eine Mail mit „so herzlichen Zeilen“ seiner ehemaligen Rektorin. „Sie hat mich im Referendariat erlebt“, erzählt Storck, „ich hatte nicht damit gerechnet, in dem Zusammenhang von ihr zu hören.“ Auch bei Storcks Verwandtschaft in Italien sei „Äfach de Beschde“ jetzt eine bekannte Aktion, freut sich der 32-Jährige: „Ich bin gespannt, ob sie auch alle noch über das Internet für mich abstimmen.“
Die Nachbarin unterstützt
„Ich finde es schon spannend, wer gewinnt“, das gibt Josef Schuppe gerne zu. Gerade hat der Kandidat unter seinen Bekannten Flyer verteilt, die der „MM“ extra für die Serie hat drucken lassen, „und dabei bin ich mit einigen ins Gespräch gekommen“. Er erlebe viel positive Resonanz, berichtet er: „Aber nicht nur zu meinem Engagement. Vielmehr loben die Leute, dass eine Zeitung eine solche Aktion startet und über Leute berichtet, die sonst wenig Aufmerksamkeit bekommen.“
Seine Nachbarin Uschi Krieger hatte den 65-Jährigen nominiert, weil er immer für sie da ist, insbesondere seit deren Mann unter Alzheimer leidet und intensive Pflege benötigt. Aus Dankbarkeit für Schuppes Unterstützung schrieb sie einen langen Brief an den „MM“ und schlug ihn für „Äfach de Beschde“ vor. „Alleine, dass sie sich Zeit genommen hat, diese Zeilen zu formulieren, ist für mich schon Wertschätzung genug“, findet Schuppe: „Ja, das tut schon gut.“
Im Norma-Supermarkt in den H-Quadraten herrscht „klasse Stimmung“, weil Kassierer Pepe Arancio von einem ihm bis dahin unbekannten Stammkunden für die „MM“-Serie nominiert wurde. Jochen Winter heißt der Mann, der schon lange beeindruckt ist, vom lockeren und entspannten Umgang, den der 30-jährige Pepe Arancio mit der nicht immer einfachen Kundschaft pflegt. Winter hatte berichtet, wie der Kassierer immer die Ruhe bewahre, auch wenn Alkoholisierte randalierten, Genervte herumpöbelten und Eilige Hektik verbreiteten – „als ich den Aufruf in der Zeitung gelesen haben, dachte ich sofort an den Norma-Mann“, schrieb Jochen Winter in seiner Mail an den „MM“. „Seit ich nominiert wurde, sind die Kollegen noch netter und die Kunden freundlicher“, erzählt Pepe Arancio. Auch zwischen den Jahren sitzt er fröhlich an der Norma-Kasse, fühle sich durch „Äfach de Beschde“, so sagt er, „total beflügelt, fast wie ein Star“.
Auch aus der Norma-Zentrale in Fürth erreichte Pepe Arancio ein großes Lob. „Mir wurde ein Einkaufsgutschein über 100 Euro versprochen“, freut sich der Neckarstädter. Auch der Nominierende Jochen Winter soll bald einen Großeinkauf bei Norma umsonst machen dürfen, heißt es aus der Zentrale im fränkischen Fürth.
„Aus ganz Deutschland“ hat Julia Heffner Nachrichten erhalten, seit ihre Geschichte Mitte November im „MM“ erzählt wurde. Die 37-Jährige kümmert sich auf der Kinderintensivstation im Mannheimer Universitätsklinikum um die Familien von Frühchen oder schwer kranken Babys. Mehrmals in der Woche nimmt sie sich Zeit, insbesondere für die Mütter. Oft verbringen sie Monate an den Bettchen ihrer Minis, sind abgekapselt vom „normalen“ Alltag, brauchen seelischen Beistand, aber auch praktische Hilfe. Julia Heffner gibt ihnen beides. Denn sie kennt diese Situation. Auch ihre Söhne kamen in Mannheim auf die Welt, lagen beide wochenlang auf der Intensivstation. „Ohne Julias Erfahrung und ihre Unterstützung hätte ich die Zeit dort nicht überstanden“, das sagen gleich zwei Mütter, die Julia Heffner unabhängig voneinander für „Äfach de Beschde“ vorgeschlagen haben. Aber Julia Heffner hat noch zwei weitere Fans, die ganz besonders stolz auf sie sind: „Meine Söhne haben gejubelt, als sie ihre Mama in der Zeitung gesehen haben“, berichtet sie: „Das ist natürlich auch für mich besonders schön.“
Silvester im Calvin-Haus
„Du bist wirklich die Beschde“, das haben, so berichtet die siebte Nominierte selbst, viele Leute gesagt, als sie davon erfahren haben, dass Eva Fiebig zu den sieben Kandidaten gehört. Die 70-Jährige aus Neckarau hat ein großes Herz für Menschen mit Behinderung. Obwohl sie längst in Rente ist, kehrt sie weiterhin regelmäßig an ihre alte Arbeitsstätte, das Johannes-Calvin-Haus, zurück und bleibt den Heimbewohnern treu. Sie organisiert Ausflüge, musiziert mit ihren Lieben und lässt sich Unterhaltungsprogramme einfallen.
Für dieses Engagement wurde Eva Fiebig von ihrer Freundin Sabine Reiss nominiert. „Uns hat das noch enger zusammengeschweißt“, sagt Eva Fiebig über die besondere Beziehung. „Sabine Reiss hat mich sogar eingeladen, mit ihr Silvester zu feiern“, berichtet die Nominierte: „Aber das geht nicht. Da möchte ich im Johannes-Calvin-Haus sein. Ich habe für die Bewohner eine Verlosung vorbereitet. Und das geht für mich vor.“
Abstimmung bis 6. Januar
Sieben Kandidaten, sieben Geschichten und viele anrührende Reaktionen – davon haben wir in der „MM“-Serie „Äfach de Beschde“ bisher berichtet. Den Blick auf Menschen lenken, die Außergewöhnliches leisten, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken, das war das Ziel der Aktion. „Etwas, das im Alltag viel zu selten passiert“, das erwähnte auch Pfarrer Theo Hipp in seiner Predigt an Heilabend in St. Sebastian mit dem Hinweis auf die „MM“-Serie. Wer am Ende tatsächlich „Äfach de Beschde“ sein wird, spielt für die meisten Nominierten, so sagen sie, kaum eine Rolle. Dennoch: Jede Stimme ist ein kleiner Applaus und eine Wertschätzung ihrer Leistung. Bis zum 6. Januar läuft die Wahl noch, mehr als 1000 Teilnehmer haben bereits ihre Stimme abgegeben. Aber der Applaus darf gern noch lauter werden.
Info: Dossier und Abstimmung unter https://morgenweb.de/debeschde
Die Abstimmung
- Bis zum 6. Januar läuft die Abstimmung für „Äfach de Beschde“.
- Die Teilnahme ist möglich im Internet unter https://morgenweb.de/debeschde oder per Postkarte, bitte mit Absender an: Mannheimer Morgen, Lokalredaktion, „Äfach de Beschde“, Dudenstraße 12-26, 68167 Mannheim.
- Im Internet sowie per Postkarte wird jeweils nur eine Stimme pro Teilnehmer gezählt.
- Unter den Teilnehmern verlosen wir drei Ticketgutscheine über 100 Euro und einen Rundflug über die Region.
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