Mannheim. Neues Jahr, alte Herausforderungen: Man muss kein Hellseher sein, um zu sagen, dass auch 2025 die Unterbringung vieler Geflüchteter Mannheim vor Schwierigkeiten stellt. So hatte auch Oberbürgermeister Christian Specht beim Neujahrsempfang der Stadt erklärt, die Unterbringung werde die Kommune 2025 „weiter beschäftigen“. Antworten auf Fragen dazu.
Wie hat die Stadt die Unterbringung 2024 bewältigt und wie ist die aktuelle Situation?
„Wir haben 2024 etwas Glück gehabt“, sagte Jens Hildebrandt, der als Leiter des städtischen Fachbereichs Arbeit und Soziales die Unterbringung koordiniert, Ende vergangenes Jahres. So seien weniger Menschen gekommen als prognostiziert, gleichzeitig habe die Stadt durch Anmietungen und Käufe vergleichsweise mehr Kapazitäten aktiviert. Die werden aber nicht lange ausreichen. Man sucht weiter dringend benötigte Unterkünfte. Aus diesem Grund kann man auch die in der Bochumer Straße in Rheinau-Süd nicht aufgeben. Die Unterkunft steht, wie berichtet, in der Kritik. „Wir würden sie lieber gestern als übermorgen abgeben“, sagt Hildebrandt.
Auch das Bündnis Sicherer Hafen, das sich für Aufnahme und Integration von Geflüchteten in der Stadt einsetzt, kritisiert, dass „einige Geflüchtete in Schrottimmobilien“ leben. Insgesamt habe es 2024 zwar eine „deutliche Verbesserung“ bei Anzahl und Qualität der Unterkünfte gegeben. Das Bündnis moniert aber auch knappen Wohnraum und zu wenige Sozialwohnungen. Das führe dazu, „dass Menschen zwar aus den Unterkünften ausziehen könnten, dies aber praktisch nicht möglich ist, weil sie keinen Wohnraum finden. So werden Kapazitäten blockiert“.
Wie ist der Stand der Sanierung in der Landeserstaufnahme (LEA) in der Pyramidenstraße?
Specht hatte dem Gemeinderat zuletzt erklärt, dass sich die Fertigstellung bis 2027 verzögere. Die Stadt ist für die Sanierung nicht zuständig.
Eine Sprecherin des Regierungspräsidiums (RP) verweist in dieser Frage ans Amt für Vermögen und Bau. Ein Sprecher erklärt, das Land sei lediglich Mieter der Immobilie und könne deshalb „keine verlässliche Auskunft“ zum Zeitplan geben. „Nach Kenntnis des Landes gab es in dem stark sanierungsbedürftigen Objekt verschiedene unerwartete bauliche Herausforderungen“, heißt es. Details aber müssten Eigentümer oder Bauherren erläutern.
Die in München sitzende Morten Group soll indes für die Eigentümer sprechen, heißt es während der Recherche von mehreren Stellen. Ein Sprecher bittet Ende November um eine schriftliche Formulierung der Anfrage. Seit Anfang Dezember sind dann allerdings mehrere Mails mit Fragen, ob man den Zeitplan bis 2027 bestätigen könne, von welchem Quartal man für die Wiederinbetriebnahme ausgehe und worin die Gründe der Verzögerung liegen, unbeantwortet geblieben.
Ursprünglich war geplant, die Sanierung bis Herbst 2022 abzuschließen, nachdem die Immobilie 2020 geschlossen worden war. Nach Informationen dieser Redaktion soll unter anderem die Insolvenz einer Baufirma ein Grund für einen zwischenzeitlichen Baustopp gewesen sein. Offiziell bestätigt ist dies nicht.
Das Land sucht nach einem Standort für eine zweite LEA. Wie ist hier der Stand?
Dem Vernehmen nach soll Bewegung in die Suche gekommen sein – eine Entscheidung aber noch ausstehen. Die Sprecherin des RP bestätigt, dass das Land „kontinuierlich“ Standorte suche. Konkretere Informationen aber könnte sie derzeit nicht geben. Specht hatte beim Neujahrsempfang erklärt: „Wir erwarten in diesem Jahr eine Entscheidung.“
Für die Stadt ist die Frage eines LEA-Standorts wichtig. Falls ein sogenanntes LEA-Privileg vorliegt, verringert sich die Zahl der Menschen, die eine Kommune darüber hinaus aufnehmen muss. Mannheim war LEA-Standort, weshalb man – so die Argumentation der Verwaltung – über lange Zeit weniger Kapazitäten aufbauen musste als andere Kommunen. Das sei nun von Nachteil.
Müssen wieder Sporthallen belegt werden?
Das soll auf jeden Fall vermieden werden, bekräftigt der zuständige Dezernent Thorsten Riehle. Neben problematischer sozialer Bedingungen, die die Integration deutlich erschweren, sind Hallen im Verhältnis auch die teuerste Art der Unterbringung. Es könnte aber dazu kommen, Menschen in hotelähnliche Immobilien unterzubringen. Darauf greift die Stadt „partiell“ bereits für Geflüchtete aus der Ukraine zurück.
Wie ist die Planung auf Columbus und in der Edisonstraße?
Wie berichtet, will die Stadt in der Käfertaler Edisonstraße Modulbauten errichten. Am ehesten lassen sich die mit einem Baukastenprinzip vergleichen, bei dem Teile vorfabriziert und vor Ort montiert werden. Die Ausschreibung laufe, erklären Riehle und Hildebrandt. Erst nach Abschluss könne man etwas zu Kosten sagen. Riehle hofft, mit den Bauten in den nächsten Jahren – so es die Situation erlaubt – auch langfristig sozialen Wohnraum zu gewinnen.
Auf Columbus sollen „mobile Wohnanlagen“ entstehen. Im Volksmund könnte man sie mit containerartigen Bauten vergleichen, die laut Verwaltung aber wesentlich höherwertiger sind als übliche Container. Laut Hildebrandt hat sich der Zeitplan zuletzt „deutlich verzögert“.
Rechnet die Stadt nach dem Sturz Assads mit Konflikten in Unterkünften unter Syrern?
Davon gehen Hildebrandt und Riehle nicht aus. Für Unterstützer des Assad-Regimes seien in erster Linie wohl Länder Anlaufstellen, die Assad unterstützt hätten. Deutschland gehöre da nicht dazu.
Geht die Stadt davon aus, dass Kapazitäten frei werden, weil Menschen nach Syrien zurückkehren?
Nein. Riehle erklärt, dass ein Großteil der aus Syrien nach Deutschland geflüchteten Menschen seit Jahren hier lebt. „Die sind bereits integriert“ und würden nicht mehr in Unterkünften wohnen. Er warnt vor Forderungen nach schnellen Abschiebungen. Zum einen sei die Situation in Syrien unklar. Zum anderen würden vor allem Geflüchtete aus Syrien im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten. „Wenn wir jetzt alle Syrer abschieben oder die, die überlegen zurückzugehen, wirklich zurückkehren, stehen wir vor einer ganz anderen Frage: Wie halten wir unser Gesundheitssystem aufrecht?“
Wie viele Ausreisepflichtige halten sich in Mannheim auf?
Gegen Ende vergangenes Jahres haben laut RP etwa 600 Menschen in der Stadt gelebt, die geduldet, aber „vollziehbar ausreisepflichtig“ sind. „Zu einem weit überwiegenden Teil“ dürfte es sich dabei um abgelehnte Asylbewerber handeln, sagt eine Sprecherin und erklärt, dass rechtliche oder „tatsächliche Gründe“ eine Abschiebung verhindern könnten: fehlende Dokumente, mangelnde Rückführungsmöglichkeiten in Herkunftsstaaten oder eine familiäre Bindung. Erkenntnisse über Straftaten oder Haftaufenthalte lägen nur im Einzelfall vor. „Sie werden statistisch nicht aufbereitet“, erklärt sie.
Riehle warnt davor, Ausreisepflichtige vorschnell abzustempeln. „Wir brauchen dabei nicht über Menschen sprechen, die straffällig geworden sind“, sagt er. Aber: Man müsse Menschen stärker nach ihrer Relevanz für die Gesellschaft beurteilen „Das kann aufgrund von Arbeit zum Beispiel in der Pflege, von sozialem Engagement in Vereinen oder aus ganz unterschiedlichen Gründen wichtig sein.“
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