Interview

Wie sich Mutter-Tochter-Konflikte verhindern lassen

Manchmal knallt es zwischen Mutter und Tochter! Die Mannheimer Sozialpädagogin Christiane Yavuz erklärt, warum Mutter-Tochter-Verhältnisse oft mit Konfliken beladen sind und was man dagegen tun kann

Von 
Valerie Gerards
Lesedauer: 
Auch in der US-Serie „Gilmore Girls“ (Bild) ist das Verhältnis von Müttern und Töchtern ein zentrales Thema, und zwar über mehrere Generationen hinweg. Die Serie ist beim Streamingdienst Netflix zu sehen, von dem dieses Bild stammt. © Robert Voets/Netflix/dpa

Mannheim. Die Mannheimer Pädagogin Christiane Yavuz befasst sich mit den speziellen Merkmalen der Tochterschaft und den Konflikten, die sich in Mutter-Tochter-Beziehungen ergeben. Im Gespräch mit dieser Redaktion berichtet sie, in welchen Situationen es besonders knallt und wie Töchter solchen Konflikten begegnen können.

Frau Yavuz, was ist die Intention hinter dem Thema Tochterschaft?

Yavuz: Das Mutterthema ist immer wieder bei Frauen oder bei Müttern in der Familienberatung aufgetaucht, die am Rande des Burnouts standen. Dort begann sich das Thema Tochterschaft auszuformen.

Warum haben gerade Töchter eine konfliktbeladene Beziehung?

Yavuz: Das hat viel mit der Haltung zu tun. Eine Tochter berichtete mir, dass sie die innere Bewertungsstimme ihrer Mutter als größte Entfaltungsbremse in ihrem Leben wahrnimmt. Die Mutter war es, die Dinge gutheißt oder eben nicht. Man kann aber lernen, mit diesen inneren Anteilen umzugehen und dann zwar die Bewertung der Mutter als innere Stimme zu hören, aber eben nicht zu übernehmen. Auf der Mutter-Tochter-Beziehung lasten aber nicht nur persönliche, sondern auch gesellschaftliche Strukturen, die die Mutter damals mitgeprägt haben: Sie konnte sich vielleicht nie verwirklichen, sie wurde diskriminiert oder steckte in traditionellen Rollenbildern fest.

Erfahrene Sozialpädagogin

  • Christiane Yavuz ist Diplom-Sozialpädagogin mit über zehn Jahren Berufserfahrung bei jugendschutz.net, dem Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet.
  • Seit 2021 ist sie selbständig als Familienberaterin, Mediatorin und Coach in Mannheim tätig.
  • Sie bietet Eltern und pädagogische Fachkräfte Kurse zur Stärkung von Konfliktkompetenzen und einer gleichwürdigen Haltung.
  • Yavuz hat den Onlinekurs „KLARE GRENZEN: Tochterschaft auf Augenhöhe“ entwickelt und schreibt aktuell an einem Buch zum Thema.
  • Nebenberuflich ist sie als Beraterin im Frauenhaus Mannheim tätig.
  • An der Uhland-Grundschule Mannheim hat sie eine „Superkräfte-AG“ zum Fördern von Stärken und Resilienz von Dritt- und Viertklässlern durchgeführt.

Geben Väter ihren Töchtern und Söhnen nicht genauso Rollenbilder mit auf den Weg?

Yavuz: Die Tochter hat mehr Identifikationspotenzial mit der Mutter. Sie hat oft den prägendsten Einfluss in der Kindheit. Die Chance, sich mit der eigenen Tochterschaft im Erwachsenenalter zu befassen, liegt darin, einen Blick auf diese prägenden Einflüsse zu werfen. Wenn eine Tochter sich damit beschäftigt, kann sie auch die Beziehung zu ihrer Mutter aufräumen.

Was bedeutet aufräumen?

Yavuz: Als Tochter kann man lernen, nicht nur der passive Empfänger der Beziehungsgestaltung zu sein, nicht nur bemuttert werden, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen. In bestimmten Lebenssituation öffnet sich den Töchtern eine riesen Tür. Das kann eine Falltür sein oder aber ein Tor, das ihr neue Möglichkeiten eröffnet.

Mehr zum Thema

Kunstprojekt

Seideinfreund: Wenn Mannheimer Powerfrauen Brustkrebs enttabuisieren

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren
Wirtschaft (mit Fotostrecke)

Erfolgsgeschichten made in Mannheim: Ministerin Hoffmeister-Kraut bei Kontaktstelle Frau und Beruf

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren

Wie kann man die Falltür vermeiden?

Yavuz: Indem man die Tochterschaft wie ein Instrument benutzt, aus einer eigenmächtigen Rolle heraus. Das hat viel mit Klarheit und Reflektion zu tun.

Kommen diese Probleme zum Vorschein, wenn Töchter selbst Mutter werden?

Yavuz: Ja, es gibt ein paar Schlüsselphasen im Leben. Dann wird das ganze Mutter-Kind-Bild aufgerollt, und man muss sich neu finden. Oder wenn man vielleicht wieder näher zu den Eltern zieht, um eine Verstärkung beim Großziehen der eigenen Kinder zu bekommen. Einerseits braucht man die Unterstützung, aber die Nähe birgt auch Konfliktpotenzial.

Was raten Sie einer Tochter, die mit ihrer Familie in die Nähe der Eltern zieht?

Yavuz: Ich rate ihr dazu, sich ein paar Blickwinkel zurechtzulegen wie eine Checkliste, die sie durchgehen kann. Ist das meine Verantwortung? Habe ich überhaupt Einfluss darauf? Warum will ich überhaupt Nähe oder Distanz? Wo ziehe ich Grenzen?

Grenzen zu ziehen ist sicher nicht so leicht bei dem Menschen, der einem so nahesteht?

Yavuz: Das kann schwer genug sein. Ich versuche, mit Leichtigkeit und einem neugierigen Blick an das Thema heranzugehen.

Eine Mutter, die sich zu sehr einmischt zum Beispiel . . .

Yavuz: . . . die dann plötzlich den Haushalt der Tochter schmeißen will oder ungefragt Erziehungstipps gibt. Das passiert aus fürsorglichen Motiven heraus und ist okay. Aber wenn die Tochter das einfach laufen lässt, kann sich die Spirale auch abwärts drehen.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Wie könnte eine Tochter solche ungebetenen Ratschläge abwehren?

Yavuz: Es kommt immer auf den Leidensdruck an. Wenn sie das stört, kann sie versuchen, eine andere Umgangsstrategie zu finden. Den Appell zum Beispiel auf dem Ohr zu hören: „Meine Mutter drückt damit aus, dass sie sich gerne um mich kümmert.“ Das ist ja erstmal interessant. Trotzdem kann es sinnvoll sein, Grenzen zu setzen. Dafür braucht man aber die Klarheit, wo die Grenze überhaupt ist. Für Töchter ist das oft schwierig herauszufinden, weil sie schon ganz lange über ihre eigenen Grenzen gegangen sind.

Wie kann eine Tochter lernen, Grenzen gegenüber ihrer Mutter durchzusetzen?

Yavuz: Wenn eine Tochter ihrer Mutter sagt, dass sie nicht unangekündigt besucht werden will, ist die Tochter dafür verantwortlich, wie sie mit den Konsequenzen einer Grenzverletzung umgeht. Sie kann dann Nein sagen und die Tür wirklich nicht aufmachen, oder eine Ausnahme machen und es der Mutter noch mal durchgehen lassen.

Was dann wiederum zu Ärger führen kann.

Yavuz: Potenzial liegt darin, die eigene Konfliktpersönlichkeit kennenzulernen. Manche Töchter wollen Konflikte am liebsten vermeiden und stellen die eigenen Bedürfnisse hintenan. Andere haben einen konfrontativen, aggressiven Konfliktstil. Je nach Situation kann beides hilfreich sein. Die Kunst liegt darin, Konflikte bewusst zu gestalten. Davon profitiert sie dann auch jenseits der Tochterrolle.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke