Mannheim. Sie können es erst nicht glauben, als der Grund für den Alarm auf den Wachen durchgesagt wird: „Hubschrauber prallt an Fernmeldeturm“. Genau dieser Notruf erreicht die Feuerwehr Mannheim vor 30 Jahren, am 5. Dezember 1994, laut Protokoll morgens gegen 3.51 Uhr. Was für die Einsatzkräfte zunächst so unwahrscheinlich klingt, erweist sich dann tatsächlich als großes Unglück, bei dem vier Männer - drei Soldaten der Bundeswehr und ein Notarzt - ihr Leben verlieren.
Man hat erst gedacht, das sei ein Scherz
„Man hat erst gedacht, das sei ein Scherz“, weiß Michael Fischer noch. Seit 37 Jahren ist er bei der Mannheimer Feuerwehr. „Die Bilder waren schon schrecklich“, sagt er. Damals zählt er („Ich war ja noch jung“) zum Angriffstrupp, im Jahr 2025 wird er pensioniert. Viele, die in der Dezember-Nacht 1994 alarmiert werden, können sich solch ein Szenario gar nicht vorstellen. Auch Jens Tischer, seinerzeit Zugführer und nun auch wenige Monate vor der Pensionierung, weiß noch, dass es bei dem Alarm anfangs Zweifel gab, ob sich nicht jemand einen Scherz erlaubt, etwa weil er verabschiedet wird.
Doch es ist bittere Realität. Der Hubschrauber „SAR 46“ des Such- und Rettungsdienstes der Bundeswehr (SAR: Search and Rescue) hat gerade eine Frau aus Pforzheim ins Uni-Klinikum Heidelberg geflogen. Jetzt ist die Maschine vom Typ Bell UH 1-D (Spitzname „Teppichklopfer“), die zum (inzwischen aufgelösten) Lufttransportgeschwader 61 gehört, auf dem Rückflug nach Bad Kreuznach, woher der Notarzt kommt. Offenbar übersieht die Besatzung, so ergibt später die Untersuchung, die völlig von Wolken verhüllte Spitze des Fernmeldeturms.
Feuerwehrleute steigen die Treppe des Fernmeldeturms hoch
Die Feuerwehr rückt sofort mit zwei Löschzügen und zahlreichen Sonderfahrzeugen an. Als die ersten Einsatzkräfte eintreffen, sehen sie brennende Wrackteile zwischen Bruchstücken der Turmspitze. Auf dem Dach der Restaurantplattform ist von unten Rauch, aber kein Feuerschein zu sehen.
Feuerwehrleute des Löschzugs Nord steigen dann über die Nottreppe im Turm bis ins Technikgeschoss oberhalb des Drehrestaurants, kontrollieren alles einschließlich der fünf Antennenplattformen. „Feuer oder Brandschaden konnten nicht festgestellt werden. Es konnten keine losen Teile der Turmkonstruktion oder Wrackteile des Hubschraubers entdeckt werden“, heißt es im Einsatzbericht der Männer, die den weiten Weg auf den Turm absolviert haben. „Die Wendeltreppe da hoch zu laufen, das ist ganz schön anstrengend“, sagt Jens Tischer dazu.
Die Mannschaft vom Löschzug Mitte, die unten bleibt, hat aber ebenso anstrengende Aufgaben. Sie muss die brennenden Wrackteile auf dem Parkplatz mit Schwerschaum löschen, kleinere brennende Trümmerteile, die in die Grünanlage gefallen oder auf die Gleise gestürzt sind, werden per Hochdruckrohr mit Wasser abgelöscht. Zudem legen die Männer Schläuche zur stationären Löschwassereinspeisung am Turmschaft, sollte es oben doch brennen, und stellen überall Scheinwerfer auf.
Abgestürzter Hubschrauber hinterlässt Krater am Fernmeldeturm in Mannheim
Auf dem Parkplatz am Fuß des Fernmeldeturms liegt der Rumpf des Hubschraubers, ausgebrannt. „Der hat da einen Riesenkrater hinterlassen - durch den Aufprall“, weiß Michael Fischer noch. Zwei Leichen seien noch in den Resten der Maschine entdeckt worden, nachdem man den Löschschaum wieder entfernt hatte. Die sterblichen Überreste der anderen Besatzungsmitglieder seien, teils sehr verbrannt, weit verstreut rund um den Fernmeldeturm gefunden worden. „Das waren schon sehr gravierende Bilder“, seufzt Michael Fischer.
Ich glaube, wir waren da eine ganze Woche.
Schlimmer sei für ihn indes der Brand in den U-Quadraten gewesen bei dem 2014 drei Kinder ums Leben gekommen sind. Auch zwei Unfälle, bei denen Menschen unter Straßenbahnen eingeklemmt waren, hat er mehr präsent als das Hubschrauberunglück. „Vielleicht ist es Glück, dass ich vergessen und verarbeiten kann“, sagt er - denn psychosoziale Notfallversorgung zur Nachbereitung von belastenden Einsätzen gibt es nach dem Hubschrauberabsturz noch lange nicht.
Dabei ist es ein langer, kräftezehrender Einsatz, wie auch Jens Tischer noch weiß. „Ich glaube, wir waren da eine ganze Woche“, sagt er. Parkplatz, Grünanlagen, Neckarufer und OEG-Gleise, überall habe man nach Leichen- und Wrackteilen gesucht. „Das lag alles ganz weit zerstreut“, so Tischer, der damals als Verbindungsmann zur Einsatzleitung der Polizei und zur Koordination eingesetzt ist. Vom Feuerlöschboot aus habe man den Uferbereich des Neckars und die Neckarwiese abgesucht, Taucher hätten unter Wasser nach Wrackteilen Ausschau gehalten und herausgefischt.
Michael Fischer wie Jens Tischer erinnern sich besonders an das prägende Bild, wie die etwa 18 Meter lange abgebrochene Spitze des Fernmeldeturms auf der Straße liegt. „Als das so da unten lag - irgendwie komisch“, so Fischer. Beide wissen ebenso noch, dass die Bundeswehr schnell alles abgesperrt habe. „Wenn die Besprechung hatten, mussten auch wir rausgehen“, denkt Tischer zurück.
Anweisung der Soldaten sei gewesen, wirklich jedes Trümmerteilchen zu finden, da zur Ursachenforschung die Maschine wieder weitgehend zusammengesetzt werden sollte. Ein technischer Fehler ist damals nicht gefunden worden. Die nach dem Unglück wieder installierte neue Antenne wurde mit einem auffallenderen rot-weißen Anstrich und mit einer neuen, helleren roten Flugsicherheitsbefeuerung versehen.
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