Bildung

Wie in Mannheim Kitas und Schulen beim Wechsel kooperieren

Mit der Einschulung beginnt ein neuer Lebensabschnitt für die Kinder. Damit der Übergang gut gelingt, gibt es Kooperationen zwischen Kitas und Schulen. Warum das nicht überall gleich gut klappt

Von 
Bertram Bähr
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Die Kooperationslehrkräfte Angelina Mandel (l.) und Marion Esser bringen den Vorschulkindern des Kinderhauses Gerhart Hauptmann spielerisch Buchstaben näher. Im Normalfall kümmert sich eine Lehrerin um die jeweilige Kita-Gruppe, für das Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“ sind beide gekommen. © Bertram Bähr

Mannheim. Manchmal wirkt ein Zauberspruch Wunder: „Eeene mene meise, ich bin jetzt ganz leise, hex hex“, sagt Marion Esser. Und tatsächlich wird es ganz leise im Gruppenraum des Kinderhauses Gerhart-Hauptmann, die Vorschulkinder kommen zur Ruhe. Die Konrektorin der gleichnamigen, direkt benachbarten Grundschule (GHS) auf der Rheinau bringt den Kindern damit nahe, was ein paar Monate später im Unterricht wichtig sein wird: Anderen zuhören. Sich auf eine Sache konzentrieren. Und noch so einiges mehr - zum Beispiel gezielte Förderung von Wahrnehmung, Sprache und mathematischen Grundlagen.

Grob gesagt geht es darum, die Vorfreude auf die Schule und am Lernen zu wecken, Kontakte zur künftigen Grundschule zu knüpfen, den Einstieg in die erste Klasse zu erleichtern. GHS-Konrektorin Marion Esser ist ebenso wie ihre Kollegin Angelina Mandel für die Kooperation mit Kindertagesstätten im Einzugsgebiet der Schule zuständig. Neben dem Kinderhaus halten die beiden Kontakt zur Evangelischen Kita Halmhuber und der Katholischen Kita St. Johannes.

Im Idealfall kommen die beiden GHS-Kooperationslehrkräfte für insgesamt fünf Stunden pro Woche in die drei Betreuungseinrichtungen im Stadtteil. Wobei das nicht immer klappt. Denn für den regulären Unterricht in der Schule ist das Personal knapp, und wenn sich Krankheitsfälle häufen, geht mitunter der Vertretungsunterricht vor.

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Dennoch: Marion Esser freut sich über das Zeitbudget, das vergleichsweise regelmäßige Kita-Besuche ermöglicht. Dabei ist die GHS unter den 33 Mannheimer Grundschulen in einer besonderen Situation, denn sie ist neben der Astrid-Lindgren-Schule ein Bildungshaus, das laut Landeskonzept eine intensivere Zusammenarbeit mit den Kitas ermöglichen soll.

Normalerweise steht einer Grundschule dagegen nur eine Stunde pro Woche zur Verfügung - unabhängig davon, wie groß die Schule ist und wie viele Kitas sie in ihrem Einzugsgebiet hat. Das können je nach Stadtteil auch schon mal ein gutes Dutzend Betreuungseinrichtungen sein.

Bildungsgeschwerkschaft GEW: Eine Stunde ist zu wenig

Schon als das Land im Jahr 2019 die entsprechende Verwaltungsvorschrift erließ, kritisierte die Bildungsgewerkschaft GEW das vehement, eine vernünftige Kooperationsarbeit sei damit nicht zu leisten. Damals forderte die GEW zwei Anrechnungsstunden pro Kita im Umfeld der jeweiligen Schule. Getan hat sich seitdem nichts, bedauert die Mannheimer Kreisvorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende Ricarda Kaiser. Und das, obwohl es Empfehlungen der Einigungsstelle gebe, das Zeitbudget zu erhöhen. Offensichtlich fehle es am politischen Willen, die Schulen an dieser Stelle besser auszustatten.

So lässt sich derzeit zum Beispiel an der GHS beobachten, was möglich wäre, wenn mehr Personal zur Verfügung stünde und die Stunden - zumindest überwiegend - während des gesamten Schuljahrs wöchentlich stattfinden könnten. Zur Sprachförderung gehören zum Beispiel Silbenspiele, bei denen die Kinder die Anzahl der Silben zählen und mit Klatschen verdeutlichen. Sie erweitern permanent ihren Wortschatz, etwa bei Reimspielen. Dabei müssen sie eines von drei Bildern ausstreichen, das sich nicht mit den anderen reimt - etwa Pferd/Herd/Hund oder Zahn/Hahn/Knopf.

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Oder: Auf einem großen Strandbild gilt es, Dinge beim Namen zu nennen, alle Boote, Bälle, Vögel und mehr zu identifizieren und deren Anzahl zu bestimmen. Was wiederum zu den mathematischen Grunderfahrungen gehört. Diese machen die Kinder nicht nur beim Zählen von Gegenständen, sondern auch beim Kennenlernen und Beschreiben geometrischer Grundformen wie Kreise oder Dreiecke.

Vertrautheit beim Übergang schaffen

Und natürlich geht es auch darum, dass man sich gegenseitig hilft. Als die Kinder Begriffe, die mit einem I beginnen, blau ausmalen sollen, Worte mit O dagegen rot, hat ein Junge Probleme. Und schon steht ihm Nina zur Seite und hilft ihm, das I-glu, die I-nsel oder die I-gel richtig zuzuordnen.

Es gehe um den „Stoff der ersten zwei, drei Wochen“, erklärt Marion Esser. Und darum, ein Stück Vertrautheit beim Übergang von der Kita in den nächsten Lebensabschnitt zu schaffen. Die Buchstaben und Bilderkarten, die in den Förderstunden zum Einsatz kommen, erkennen die Kinder dann in der ersten Klasse wieder. Oder die Fingerübungen, die sich später wiederholen: Beim Trommeln mit Fingern oder Fäusten zeigen die Kinder, dass sie das auch ganz leise hinbekommen - oder eben sehr laut.

Die Kooperation beginnt nicht erst mit dem neuen Schuljahr, sondern bereits mit einem Abend für die Eltern der Vorschulkinder kurz vor den Sommerferien. Dabei haben Schule und Kita auch umfangreiche Dokumentationspflichten. Sie füllen - falls die Eltern dem zustimmen - beispielsweise einen mehrseitigen Beobachtungsbogen aus.

Leiterin des Kinderhauses Gerhart Hauptmann: „Ein ganz tolles Projekt“

Zur Kooperation gehören natürlich auch gemeinsame Unternehmungen wie zum Beispiel das Spiel- und Sportfest oder die Teilnahme der Vorschulkinder am Adventssingen in der Schule. Daneben werden im Mai Schulbesuche in den ersten Klassen angeboten, außerdem gehen die aktuellen Erstklässler im Herbst in ihre frühere Kindergartengruppe. Das alles erleichtert den Einstieg in die Schullaufbahn.

Das sei „ein ganz tolles Projekt“, findet Katharina Dillich, die Leiterin des Kinderhauses Gerhart Hauptmann. Beim Einstieg „kennen die Kinder bereits die Schule, sie kennen die Lehrer, und die Lehrer kennen die Kinder“.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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