Soziales

Wie Lampertheim Kindern helfen will, Corona-Lücken zu schließen

"Corona hat seine Spuren hinterlassen", sagt Marius Schmidt, Erster Stadtrat in Lampertheim. Das belegen auch Studien. Die Stadt will Kindern und Jugendlichen helfen, die Dinge aufzuholen, die sie nicht lernen konnten

Von 
Daniela Hoffmann
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Immer mehr Kinder haben inzwischen auch Schwierigkeiten beim Fahrradfahren. © Getty Images/iStockphoto

Lampertheim. „Niemand muss sich wegen Schwierigkeiten schämen - Kinder nicht und Eltern auch nicht“, betont Marius Schmidt. Doch dem Ersten Stadtrat ist klar: Corona hat seine Spuren hinterlassen. Jungen und Mädchen sind inzwischen in ihrer Entwicklung oft nicht so weit wie Gleichaltrige noch vor ein paar Jahren.

Was bundesweite Studien erklären, macht sich auch in der Spargelstadt bemerkbar - etwa beim Übergang von der Kita in die Grundschule und ebenso danach. An einer soliden Zahlenbasis zu dem Problem, wie es sich vor Ort darstellt, wird derzeit gearbeitet, so Schmidt. Die Lampertheimer Verwaltung will das Thema in einer der nächsten Ausschusssitzungen auf die Tagesordnung bringen.

Hinweise zum Entwicklungsstand geben normalerweise zum Beispiel die Untersuchungen der künftigen Schulanfänger, die das Kreisgesundheitsamt vornimmt - die sogenannten Schuleingangsuntersuchungen.

Kinder können nicht schwimmen

Doch diese konnten während der Pandemie nicht alle durchgeführt werden, teilt Kreissprecherin Cornelia von Poser auf Anfrage mit. Daher seien die statistischen Angaben aus diesen Jahren nicht gut verwertbar. Stichhaltige Daten zu dem Themenkomplex könnten erst wieder nach Auswertung der aktuellen Untersuchungssaison erfolgen, erläutert die Sprecherin.

Trotzdem: Auffälligkeiten, was die Feinmotorik angeht, zeigen sich nach ersten Erkenntnissen etwa bei der Stifthaltung. „Die Fähigkeiten scheinen sich hier verschlechtert zu haben“, heißt es von der Kreisverwaltung in Heppenheim. Bei der Grobmotorik dagegen hielten sich die Auffälligkeiten „in Grenzen“ beziehungsweise scheinen „im unteren Normalbereich zu liegen“.

Das Hallenbad fehlte lange als Sportstätte. © Berno Nix

Aus der Praxis berichtet die Leiterin der Lampertheimer Schillerschule, Annette Wunder-Schönung, im Gespräch mit dieser Redaktion. Sie bedauert, dass sich inzwischen etliche Kinder beispielsweise mit dem Fahrradfahren oder Schwimmen schwertun. Einige könnten es auch gar nicht.

Die Schule versuche, generelle Defizite in Sachen Bewegung durch verschiedene Angebote aufzufangen. Beispielsweise werde im Sportunterricht Roller gefahren. Und natürlich gebe es die Verkehrserziehung. Doch gerade beim Radfahren wie auch beim Schwimmen brauche es regelmäßiges Training - und da seien die Eltern gefragt. „Das kann Schule nicht leisten“, so Annette Wunder-Schönung.

In Lampertheim habe neben der Pandemie in Sachen Schwimmen sicherlich auch die lange Sanierung des Hallenbads zu dem Problem beigetragen, meint der Erste Stadtrat, der auch Geschäftsführer der Biedensand-Bäder ist. Im vergangenen Jahr habe die ortsansässige Gruppe der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) jedoch wieder 250 Seepferdchen-Prüfungen abnehmen können.

Angebote für Kinder und Eltern

„Um gerade die Vorschulphase und die beginnende Grundschulzeit generell für Mädchen und Jungen besser zu gestalten, arbeiten in der Spargelstadt sogenannte Tandems, die sich aus Vertretern von Kitas, Schulen und der Schülerbetreuung zusammensetzen“, erklärt der Erste Stadtrat.

Dabei hätten die Fachleute auch soziale Kompetenzen und die Persönlichkeitsentwicklung im Auge. Denn die Zeit von Lockdown und Social Distancing sei auch an den Jüngsten der Gesellschaft nicht „spurlos vorübergegangen“, betont Marius Schmidt immer wieder.

Mit verschiedenen Angeboten versuchten Verwaltung und städtische Einrichtungen, Jungen und Mädchen sowie deren Eltern zu unterstützen. So habe man gerade 2023 in den Kitas mit dem Jahresthema „In mir wohnt eine Sonne“ den Fokus auf die Persönlichkeitsentwicklung gelegt. Mit unterschiedlichen Aktionen sollen Kinder dabei eigene Stärken und Schwächen besser kennen und gleichzeitig Empathie und Respekt gegenüber anderen lernen.

Ein Thema, das Annette Wunder-Schönung ebenfalls beschäftigt: Wertschätzendes Verhalten in der Gruppe und respektvoller Umgang müsse verstärkt wieder in der Grundschule geübt werden. „Die Mädchen und Jungen müssen lernen, sich gegenseitig zu akzeptieren, wie sie sind, und zudem ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln“, sagt die Pädagogin. Das nehme inzwischen viel Zeit in Anspruch. „Und die Wissensvermittlung bleibt zurück“, schildert die Lehrerin.

Unterdessen scheinen aus Sicht der Kreisverwaltung des Weiteren die Deutschkenntnisse schlechter zu sein als in der Vor-Corona-Zeit - sowohl von Kindern, die in Deutschland geborenen wurden, also auch von Kindern mit Migrationshintergrund. Dies spiegle jedoch lediglich einen ersten Eindruck aus den Untersuchungen wider und sei noch nicht statistisch belegt, erläutert Cornelia von Poser.

Die Stadt versuche, etwa bei der Sprachförderung zusammen mit Honorarkräften der Volkshochschule Hilfestellung zu leisten. „In diesem Punkt werden wir unser Bemühen weiter ausbauen“, verspricht Marius Schmidt. „Denn die Nachwirkungen von Corona“, so schätzt er, „werden uns wohl noch eine ganze Zeit lang begleiten“.

Bericht zu Pandemiefolgen

„Die Corona-Pandemie ist wahrscheinlich an keinem Kind oder Jugendlichen spurlos vorüber gegangen“: Das hat die Bundesregierung festgehalten, als Familienministerin Lisa Paus und Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Februar den Bericht „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ vorlegten.

Diesen hatte eine interministerielle Arbeitsgruppe erarbeitet. Unterstützt wurde die Arbeitsgruppe dabei von Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und den Bundesländern

Geschlossene Kitas und Schulen, fehlende soziale Kontakte, mangelnde Bewegung, ausgefallene Fahrten oder Feiern - all das mache sich unter anderem bemerkbar in Lernrückständen oder einer Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Dies untermauern auch weitere wissenschaftliche Studien.

Es sei eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe, die immer noch fortbestehenden Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche in den Blick zu nehmen und Angebote der Unterstützung zu erarbeiten, so die Minister.

Der Bericht rät, mögliche Maßnahmen an Kitas, Schulen oder Einrichtungen für Jugend- und Familienhilfe anzugliedern, damit sie für alle leicht zugänglich sind.

Ziel der Maßnahmen müsse es sein, Kinder und Jugendliche in ihrer Gesundheit nachhaltig zu stärken und sie resilient auch für künftige Krisen zu machen.

Redaktion

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