Die beiden Speierlinge am Rande des Schulhofs im Ludwig-Frank-Gymnasium (LFG) sind inzwischen gut angewachsen. Bis zu 150 Jahre alt und zehn bis 15 Meter hoch werden diese Bäume im Durchschnitt. Vor allem aber: Sie bieten nicht nur Insekten, Kleinsäugern und Vögeln Schutz, sondern sind gewappnet gegen die Folgen des Klimawandels.
Das alles und noch viele weitere Fakten etwa zu hitze- und trockenheitsresistenten Bäumen oder ihrem Beitrag zum Abbau des klimaschädlichen CO2 haben Marie Zirpins und Begüm Aydin recherchiert. „Wir haben darüber nachgedacht, wie wir die Stadt klimafreundlicher machen können“, erzählt Marie Zirpins im Gespräch mit dieser Redaktion. Und: „Wir wollten etwas Praktisches machen.“ Deshalb stehen jetzt die Speierlinge neben der Schule. Und dazu Fakten und selbst durchgeführten Berechnungen auf einer Schautafel, die die beiden Schülerinnen designt und getextet haben.
Klimaprojekte am Mannheimer Ludwig-Frank-Gymnasium: Praxisorientiert Probleme angehen
Das Baumprojekt ist eines von vielen, dass die 9a im vergangenen Schuljahr auf die Beine gestellt hat. Sie startete damals ein Pilotprojekt, das seit diesem Schuljahr auf alle neunten Klassen ausgedehnt wurde und das nach und nach in sämtliche Klassenstufen des Gymnasiums implementiert werden soll: das Unterrichtskonzept „Entdeckerschule“.
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Grundgedanke dabei: Ein Leitthema soll in nahezu allen Unterrichtsfächern behandelt und vertieft werden - und zwar so, dass die Schülerinnen und Schüler praxisorientiert an Problemlösungen arbeiten, die für den Alltag relevant sind - und mit die ihnen helfen, sich in einer zunehmend komplexer werdenden Welt besser zurechtzufinden. Schule solle einen „echten Bezug zu manifesten Problemen“ schaffen, bringt es Lehrer Ulli Weisbrodt auf den Punkt. Und „besser auf das Leben nach der Schule vorbereiten“, bekräftigt LFG-Leiter Stefan Weirether.
Im vergangenen und in diesem Jahr lautet das Leitthema „Klimawandel und Biodiversität“. Das Unterrichtskonzept beginnt mit einem „Entdeckertag“, der „Aufbruchstimmung schaffen“ soll, erklärt Weisbrodt. Es folgen sechs Wochen, in denen das Leitthema in all seinen Facetten in den verschiedenen Unterrichtsfächern behandelt wird, die „Qualifizierungsphase“. Dem schließt sich bis zu den Weihnachtsferien die „Projektphase“ an, die mit einem großen Präsentations-Event am 19. Januar 2024 endet.
Beim diesjährigen „Entdeckertag“ näherten sich die Neuntklässler im September auf der Bundesgartenschau und in den Reiss-Engelhorn-Museen der Thematik, die anschließend in die Unterrichtsgestaltung eingebunden wurde. Wie das ablief, erklärt Ulli Weisbrodt exemplarisch am Fach Geschichte, in dem der Nationalsozialismus im verbindlichen Bildungsplan steht: „Wir knüpfen daran den Aspekt, wie heute am rechtsextremen Rand mit dem Thema Klimawandel Desinformation betrieben und auf Stimmenfang gegangen wird.“
Jedes andere Gymnasium kann Konzept übernehmen
In Physik geht es zum Beispiel um naturwissenschaftliche Grundlagen zum Klimawandel, in Biologie um Biodiversität, in Chemie um den Treibhauseffekt, in Religion und Ethik um Verantwortung des Menschen für die Natur. Das „fächervernetzende, projektorientierte Unterrichten“ muss gleichwohl sämtliche Inhalte vermitteln, die der Bildungsplan vorschreibt. Dazu hat ein Lehrkräfte-Team ein umfassendes Konzept ausgearbeitet, dass nach Überzeugung des LFG „jedes andere Gymnasium übernehmen kann“.
In der rund sechswöchigen Praxisphase, die sich anschließt und die jetzt gerade endet, geben die verschiedenen Fächer Zeit ab, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Projekte ausarbeiten. Zum Beispiel Elina, Melinda und Sila. Sie bereiten eine Unterrichtseinheit zum Thema Klimawandel für siebte Klassen vor. Eine andere Gruppe recherchiert zum Klimaschutz in anderen Ländern und knüpft dazu Kontakte mit Klassen in Italien, Frankreich und Schottland.
Ein weiteres Projekt lautet: Mit Künstlicher Intelligenz starke Geschichten gegen den Klimawandel gestalten. Teresa und Katharina wiederum produzieren einen Podcast zum geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund von Klimabewegungen - Stichwort Fridays for Future - und binden Experten-Interviews ein. Auch Schüler der Sportprofilklassen bringen spezifische Themen wie nachhaltige Trainingskleidung und Ernährung ein.
Mannheimer Ludwig-Frank-Gymnasium gewinnt Wolfgang-Raufelder-Preis für das Projekt
„Wir haben den Schülerinnen und Schülern viel Freiraum gelassen bei ihren Projektideen“, berichtet Weisbrodt. Und so wachsen seit dem Pilotprojekt im vergangenen Jahr nicht nur die Speierlinge heran. Es entstanden zum Beispiel auch Filme zum Thema Klimawandel, ein Photovoltaik-Infoflyer, Blumenbeete, Insektenhotels und die eines Klimadiensts in jeder Klasse. Alle erarbeiteten Konzepte und Materialien werden digital gespeichert und stehen so problemlos anderen zur Verfügung. Für sein Konzept erhielt das LFG den Wolfgang-Raufelder-Preis - und damit Gelder, die in die weitere Arbeit fließen.
Etliche Eltern hätten mitgeteilt, dass durch die Projektarbeit ihrer Kinder das Thema Klimaschutz in den Familien jetzt viel präsenter sei, freut sich Weirether. Die Entdeckerschule sei „ein zukunftweisendes Konzept - es soll auf so viele Klassen wie möglich übertragen werden“. In den nächsten Klassenstufen sollen allerdings neue Schwerpunkte gesetzt werden. In Planung sind die Themenkomplexe „Frieden, Freiheit und Verantwortung“ sowie „Glück und Gerechtigkeit“.
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