Bildung

Wie begabte Mannheimer Schülerinnen und Schüler gefördert werden

Jedes Kind hat seine Begabung. Aber dieses Potenzial muss erst einmal erschlossen werden. Wie das gehen soll, das ist beim "Tag der Begabtenförderung" am Lessing-Gymnasium das zentrale Thema.

Von 
Bertram Bähr
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Schülerinnen und Schüler der 9c stellten beim Tag der Begabtenförderung am Lessing-Gymnasium einen „Begabungskoffer“ vor. Er kommt in Kitas und Grundschulen zum Einsatz. © Bertram Bähr

Mannheim. Im Such-Spaßbuch entdecken und entschlüsseln Kinder Fehler. Andere werden zu Mathefüchsen und lösen Logicals. Beim Spiel „Höchste Eisenbahn“ koppeln Schülerinnen und Schüler schnellstmöglich passende Wagen aneinander und achten dabei auf Art, Farbe und Radanzahl. Sie produzieren mit elektronischen Bauteilen Alarmanlagen und Powerboote. Oder werfen „Story-Würfel“ und bauen jedes der gezeigten Bilder in eine Geschichte ein.

Das ist nur eine kleine Auswahl der Bücher und Spiele, die im „Begabungskoffer“ zusammengepackt sind. „Diesen Koffer können Grundschulen und Kitas ausleihen. Wir stellen hier vor, welche Möglichkeiten es gibt“, erklärt Noah. Er ist einer der Schüler aus der 9c des Lessing-Gymnasiums, die den Koffer in der Sporthalle der Schule einem breiten Publikum präsentieren. Der Stand auf dem „Markt der Möglichkeiten“ ist Teil einer großen Veranstaltung, die die weiterführende Schule am „Tag der Begabtenförderung“ für ganz Nordbaden ausrichtet.

Hochbegabtenzug seit 2009

Dass das Lessing-Gymnasium in der landesweiten „Woche der Begabtenförderung“ gemeinsam mit dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) die Tagung mit Impulsvorträgen, Workshops und Best-Practice-Beispielen ausrichtet, kommt nicht von ungefähr. Denn ebenso wie am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium in Heidelberg gibt es hier am Mannheimer Neckarufer einen Hochbegabtenzug – also eine Klasse pro Jahrgang. Eingeführt wurde er zum Schuljahr 2009/10, der erste Jahrgang legte im Sommer 2017 sein Abitur ab.

Wer in eine solche Klasse einsteigen möchte, absolviert zunächst in einer Schulpsychologischen Beratungsstelle einen Test. Danach führen das Kind und seine Eltern ein ausführliches Eignungsgespräch. Schließlich entscheidet die Schule über die Aufnahme. In der Regel bewältigen die Schülerinnen und Schüler der entsprechenden Klassen ihren Lernstoff etwas schneller – und schaffen sich dadurch Freiräume für ein erweitertes Unterrichtsangebot.

Das könne sehr individuell ausfallen, erklärt Lehrer Bernhard Bildstein, der am Lessing gemeinsam mit Laura Theurer dem Team Hochbegabung angehört. Zusätzliche herausfordernde Aufgaben, Projektarbeiten oder Exkursionen können das sein – zum Beispiel zu einer Robotik-Experimentierwoche an der Hochschule, zu Kunsthalle oder Nationaltheater, zur BASF oder ins Reiss-Engelhorn-Museum. Einzelne Schülerinnen und Schüler belegen neben dem Unterricht auch schon mal Vorlesungen an der Uni Mannheim.

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Marion Gottlob
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Gibt es da nicht Neid bei anderen Klassen? Davon könne keine Rede sein, betont Bildstein. Es gehe keinesfalls darum, nur eine bestimmte Gruppe zu fördern. „Begabungen haben eigentlich alle Kinder.“ Und ein wichtiges Ziel des Hochbegabtenzugs sei es, „die anderen Schülerinnen und Schüler zu motivieren“, quasi ein „Motor für die ganze Schule“ zu werden. Deshalb läuft am Lessing vieles klassenübergreifend.

So besuchen Kinder und Jugendliche aus dem Hochbegabtenzug den Unterricht gemeinsam mit den anderen in Religion, Ethik, Französisch und IMP (Informatik/Mathe/Physik) sowie in der Kursstufe – also den zwei Jahren vorm Abitur. Voneinander profitieren können sie daneben in allen AGs und in der SMV. Und sie arbeiten als Schüler-Mentoren zusammen. Das ist eine derzeit 18-köpfige Gruppe Älterer, die Jüngeren kostenlose Nachhilfe gibt – in der Regel in einer 1:1-Konstellation. Im letzten Schuljahr seien so rund 70 Stunden in Mathe, Deutsch, Englisch und Latein zustande gekommen, berichtet Bildstein.

Wie alle Schülerinnen und Schüler von Begabtenförderung profitieren können – unter anderem darum geht es an diesem Tag in acht Workshops und in einem Impulsvortrag von Gabriela Weigand. Die Professorin an der PH Karlsruhe geht auf „Begabungsförderung als Motor von Schul- und Unterrichtsentwicklung“ ein. Und betont, dass sie die Förderung von Begabungen aller Art und über alle sozialen Schranken hinweg für unabdingbar hält.

„Markt der Möglichkeiten“

Das „Verständnis für Begabung“ müsse „sehr weit gefasst“ sein, betont bei der Begrüßung Schulleiterin Dorothea Eisele. Es gehe darum, „jedes Kind bedarfsgerecht in seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu unterstützen“, ergänzt Bernd Schmid-Ruhe, Chef des städtischen Fachbereichs Bildung. Auch für Elke Dörflinger, Leiterin der ZSL-Regionalstelle Mannheim, ist klar: „Wir müssen unabhängig von sozialer Herkunft und Lage frühzeitig fördern“, damit der Gesellschaft keine Begabung, kein Potenzial verlorengeht.

Für sie ist der Tag am Lessing-Gymnasium ein „Highlight“ der gesamten landesweiten Themenwoche. Denn hier werde deutlich, wie vielfältig und regional vernetzt die Begabtenförderung sein. Das zeigt sich zum Beispiel beim „Markt der Möglichkeiten“. Der Stand der 9c ist nur einer von neun. So informieren unter anderem noch Kinderakademie Mannheim, das Heidelberger Life-Sciene-Lab des Deutschen Krebsforschungszentrums oder das Hector-Seminar über ihre Angebote.

Die Workshops beschäftigen sich unter anderem mit Begabtenförderung in Deutsch und Mathe, der Arbeit der Schulpsychologischen Beratungsstelle oder der Elternberatung. Dorothea Eisele bringt die Motivation wohl sämtlicher Teilnehmenden auf den Punkt: „Begabtenförderung ist eine Aufgabe von uns allen.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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