Porträt

Wie ein junger Syrer den Weg ins Schauspielensemble vom Mannheimer Nationaltheater bewältigte

2015 floh Omar Shaker als Zwölfjähriger aus Syrien. Über viele Zwischenstationen kam er nach Mannheim. Seit 2022 gehört Shaker zum Schauspielensemble des Nationaltheaters. Wie er viele Hürden überwand und seinen Weg machte

Von 
Ilgin Seren Evisen
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Omar Shaker arbeitet als Schauspieler am Mannheimer Nationaltheater. © Nationaltheater Mannheim

Mit Beginn des syrischen Bürgerkriegs vor zwölf Jahren fanden geflüchtete Syrer in Mannheim eine neue Heimat. Einige von ihnen stechen durch ihre Erfolge und ihren gesellschaftlichen Aufstieg hervor. Einer davon ist Omar Shaker. Nach einer abenteuerlichen Flucht über die Balkanroute und einen Aufenthalt in einer Flüchtlingsunterkunft fand er in Mannheim ein neues Zuhause und arbeitet hier als Schauspieler am Nationaltheater.

„Mein Leben vor dem Krieg war gezeichnet von Sicherheit und Optimismus“, schildert Shaker seine Kindheit in Damaskus. Der 1996 in der syrischen Hauptstadt geborene junge Mann gehört als Sohn eines Zahnarztes und einer Kosmetikerin zur wohlhabenden Mittelschicht. Als 2011 der Krieg ausbricht, ist Shaker gerade mal 15 Jahre alt. „Was mit Demonstrationen und Protesten begann und sich anfangs harmlos anfühlte, wurde zu einem brutalen Bürgerkrieg“, so Shaker. Seine Mutter beschließt 2015, das Land zu verlassen. Zu groß wiegt die Angst, dass die beiden Söhne in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. „Die Toten, die Raketen, die Explosionen – und das im Vergleich zu anderen syrischen Städten friedlichen Damaskus – so wollten wir nicht leben“, erklärt der 27-Jährige seine Flucht.

Viel Hilfe bei der Integration

Auch die Option, zum Militärdienst eingezogen zu werden, und gar Bekannte, Verwandte oder Nachbarn töten zu müssen, erschreckt den jungen Pazifisten „Wie kann ich jemanden umbringen, nur weil er eine andere Meinung hat, fragte ich mich. Und mir war schnell klar: Ich wollte niemanden töten“, so Shaker. Nach einer abenteuerlichen Flucht mit Schlauchbooten über das Mittelmeer folgt eine kräftezehrende Wanderung über die Balkanroute. Nach wochenlangen Fußmärschen gelangen Omar, seinem Bruder und seine Mutter nach Dortmund, wo sie Asyl beantragen. In einer Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Arnsberg findet die dreiköpfige Familie Anschluss an die deutsche Nachbarschaft.

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Ältere Senioren bieten den beiden Teenagern Hilfe beim Deutschlernen an. Der erwartete Kulturschock bleibt dank der Hilfe freundlicher Nachbarn und engagierter Kulturschaffender aus. Dass die beiden Jungs sehr gut Englisch sprechen können, hilft ihnen, in Kontakt mit den Arnsbergern zu treten.

„Das Leben hier war ganz anders als in Syrien, aber kein Hindernis für uns. Schwieriger fanden wir das Erlernen der deutschen Sprache, denn das fühlte sich für uns anfangs unmöglich an“, reflektiert Shaker seine erste Zeit in Deutschland. Die engagierte Mutter motiviert ihre Kinder dazu, zügig Deutsch zu lernen, denn Sprache erachtet die bildungsorientierte Familie als Schlüssel zur Integration und zum Erfolg.

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„Es gab so viele tolle Menschen in Arnsberg, die uns geholfen haben – wie unsere Theatergruppe“, so Shaker. In der ehrenamtlich begleiteten Gruppe von Amateur-Schauspielern finden Geflüchtete und Deutsche in der kleinen Stadt zusammen. Hier kann Shaker, dessen Kindheitstraum eine Karriere als Schauspieler ist, mehr über die deutsche Theaterlandschaft und Kulturszene erfahren. Neben dem Engagement in der Theatergruppe widmet Shaker seine Zeit dem Erlernen der deutschen Sprache und besteht 2017 die herausfordernde Sprachprüfung, die für ein Studium an einer deutschen Universität verpflichtend ist. Es folgt eine intensive Bewerbungsphase.

An der Hochschule für Theater und Medien in Hannover besteht Shaker die Aufnahmeprüfung. Er rückt seinem Kindheitstraum einer Schauspielkarriere tatsächlich näher. Sein Fleiß und sein Talent ermöglichen dem ehrgeizigen Nachwuchsschauspieler ein Stipendium der Stiftung des Deutschen Volkes. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums folgen bundesweite Bewerbungen an staatlichen und kommunalen Theatern. Im August 2022 erhält Omar Shaker vom Mannheimer Nationaltheater die Zusage für eine feste Stelle als Schauspieler.

Projekt mit Schülern

Mittlerweile ist Shaker in vielen Schauspielen des Nationaltheaters zu sehen: Von „Woyzeck“ über „Was ihr wollt“ bis zu „Nathan, der Weise“. Der junge Syrer beherrscht klassische wie moderne Stücke. Inzwischen unterstützt Shaker Schauspielinteressierte beim Entwickeln ihrer Bühnenpräsenz. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Deutsch-Türkischen Institut für Arbeit und Bildung (DTI) und dem Nationaltheater unterstützt er acht Mannheimer Schüler, die erst vor Kurzem zugewandert sind, mit Mimik- und Stimmübungen Sprachbarrieren zu überwinden. Neben der Möglichkeit, sich besser auszudrücken, lernen sie so auch den Kulturbetrieb der Region kennen.

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„Die Stadt gibt mir immer Glück“, dachte ich mir. Denn ich war doch vor vielen Jahren schon hier, als ich die Hochschulprüfung für ein Studium bestanden habe. Für den jungen Syrer steht fest: Mannheim ist der neue Mittelpunkt seines Lebens. „Die Stimmung ist gut, es gibt so viele Restaurants, Cafés und Bars. Mein Ensemble ist klasse“, feiert Shaker die Stadt und ihre kulturelle Vielfalt. Auch die kurpfälzische Herzlichkeit hat es ihm angetan. Von Mannheim wegzuziehen, kann sich Shaker nicht vorstellen. Für die Zukunft als Schauspieler plant er weitere Meilensteine: Auftritte im Kino oder bei Netflix-Produktionen. „Ich habe noch einiges vor. Ich möchte ein Filmstar werden“, schmunzelt Shaker.

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