Innenstadtkonzept - Timo Hegenbergs Zauberwort heißt Parkschleifen.

Wie ein Ingenieur Mannheims City-Verkehr revolutionieren will

Von 
Valerie Gerards
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Mit seinem Konzept für die Mannheimer Innenstadt will Timo Hegenberg nicht nur Verkehr und Staus reduzieren, sondern auch Anwohner entlasten und mehr Freiräume für Menschen schaffen. © Blüthner

Mannheim. Der Verkehr in der Innenstadt gehört zu den am kontroversesten diskutierten Themen in Mannheim. Der Wirtschaftsingenieur und Energieberater Timo Hegenberg hat ein Verkehrskonzept entwickelt, das durch die Verringerung des Autoverkehrs in den Quadraten Platz für Alternativverkehr und eine lebenswertere Innenstadt schaffen will. Es soll ein Beitrag zur Debatte sein.

Herr Hegenberg, was ist der Kernpunkt Ihres Verkehrskonzepts?

Timo Hegenberg: Jeder, der nicht in der Innenstadt wohnt, soll mit seinem Fahrzeug nur bis zum Parkhaus gelotst werden und auf kürzestem Weg wieder hinaus. Dafür können Leute von extern nur sogenannte Parkschleifen nutzen. Es ist überhaupt nicht notwendig, dass sie durch andere Straßen der Innenstadt fahren.

Wie funktioniert das konkret?

Hegenberg: Wenn man die Quadrate entlang der zwei Mittelachsen teilt, kann man sich vier Teile als halbrunde Kuchenstücke vorstellen. Der Quadrant Ost mit dem ringnahen Parkhaus Herschelplatz sowie den Parkhäusern um Q 6/Q 7 bietet die besten Möglichkeiten, weil die Parkhäuser relativ ringnah und die Zufahrtswege sehr kurz sind. Im Bereich des Bauhaus-Parkhauses wäre eine kleine Verkehrsänderung sinnvoll, damit die Zufahrt von beiden Seiten gewährleistet wäre. Die Parkhäuser stehen dicht zusammen, und es ist ziemlich logisch, wo die Parkschleifen verlaufen könnten. Demnach müssen Besucher gar nicht weit in die Stadt hineinfahren. Hier kann man den restlichen Bereich ganz problemlos zu einem Anwohnerbereich machen.

Timo Hegenberg

  • Timo Hegenberg hat Wirtschaftsingenieurwesen in Mannheim und Darmstadt studiert. Er ist 33 Jahre alt und wohnt auf dem Lindenhof.
  • Das Bürgerbeteiligungsformat der Stadt Mannheim zum geplanten Masterplan Mobilität 2035 war für ihn nach eigenen Angaben der Anlass, sich ein Konzept für den Verkehr in der Innenstadt zu überlegen. „Es stellt einen Kompromiss verschiedener Meinungen aus der Bevölkerung dar“, sagt Hegenberg selbst.
  • Beteiligungsformate wie dieses sollten zu verschiedenen Themen häufiger angesetzt und vor allem zügiger umgesetzt werden, findet Hegenberg

Wie sieht die Lösung für die Anwohner aus?

Hegenberg: Eine Schranke mit Nummernschilderkennung wäre eine Möglichkeit, Besucher komplett von der Anwohnerzone fernzuhalten. Es gibt nur fünf Zufahrtswege zum Quadranten Ost, man bräuchte also nur fünf Schranken. Gegenüber dem geplanten Verkehrsversuch, in dem die Anwohner gar nicht groß berücksichtigt wurden, hätte dieses Konzept den großen Vorteil, die Nebenstraßen nicht zu Ausweichstrecken werden zu lassen - wie geschehen in der Erbprinzenstraße während der Wochenenden bei geschlossener Schranke am Ende der Fressgasse.

Würden die Parkschleifen auch für die Parkhäuser in den anderen Quadranten funktionieren?

Hegenberg: Grundsätzlich ja, auch im Bereich von Engelhorn, dem ehemaligen Kaufhof und Saturn wäre das zum Beispiel möglich, weil die Parkhäuser ringnah eng zusammen liegen. Allerdings gibt es mehr Zufahrtswege und weitere verteilte Parkplätze in den Nebenstraßen dieses Süd-Quadrants. In diesem Quadranten bietet sich die Schließung des Straßenabschnitts zwischen dem Stadthaus und dem Paradeplatz an, um den innerstädtischen Durchgangsverkehr zu reduzieren. Das Konzept der Parkschleifen sollte man also im Rahmen des Verkehrsversuchs im besonders geeigneten Ost-Quadranten testen. Dann könnte man das Konzept optimieren und auf andere Quadranten übertragen.

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Wenn man die Anwohnerzonen für Besucher sperren würde: Gäbe es überhaupt genügend Stellplätze in Parkhäusern für alle, die mit dem Auto in die Innenstadt kommen?

Hegenberg: Ja, das hat auch die CDU bereits vor zwei Jahren ermittelt, als es darum ging, die Fußgängerzone auszuweiten. Die Parkhäuser sind ausreichend groß dimensioniert, sogar für die Spitzenzeiten an den Samstagen. Es gibt für Besucher also überhaupt keinen Anlass, in den Nebenstraßen herumzufahren und dort einen Parkplatz zu suchen - außer vielleicht, um ein paar Cent zu sparen oder sogar gar kein Parkticket zu lösen. Die Anwohner müssten dann auch nicht mehr mit den Stadtbesuchern um Parkplätze konkurrieren.

Ob nun mit Schranken oder Anwohnerparkausweisen: Wer würde vom System der Parkschleifen profitieren?

Hegenberg: Die Anwohner der Innenstadt haben eigentlich völlig unnötigerweise einen unheimlich hohen Parkdruck. Den würde man sofort reduzieren. Man könnte angepasst an die tatsächlich angemeldeten Fahrzeuge sogar noch weitere Flächen freigeben, die dann zum Wohle aller viel besser genutzt werden könnten. Zum Beispiel als Erweiterung des Gastro-Bereichs, wie es in der Fressgasse schon praktiziert wird. Oder Spielplätze für Kinder. Da gibt es viele Möglichkeiten. Es wäre eine Zukunftsperspektive für eine lebenswertere Innenstadt. Gleichzeitig würden Besucher von außerhalb aufhören, nach Parkplätzen zu suchen und damit Stau zu verursachen. Stattdessen wäre der Verkehrsfluss schneller, Besucher würden zügiger und entspannter in die Innenstadt gelangen. Das dürfte auch im Interesse der Einzelhändler sein.

Und wer wären die Verlierer in dem Parkschleifen-Modell?

Hegenberg: Für die vielen Autoposer wäre das schon ein drastischer Einschnitt, weil das Posen im Endeffekt nur über eine ganz kleine Schleife bis zum Parkhaus möglich wäre. Das wäre sicher nicht mehr so reizvoll. Über diesen Wendepunkt dürfte sich jedoch der überwiegende Teil der Bevölkerung ziemlich freuen.

Haben Sie das Konzept schon im Masterplan Mobilität der Stadt Mannheim eingebracht?

Hegenberg: Beim Masterplan Mobilität wurden schon viele solcher Dinge besprochen. Es gab auch ein Beteiligungsformat, an dem ich teilgenommen habe. Da war eine Person dabei, die im Quadranten Ost gewohnt hat und sich genau über diese Parkplatzsituation beschwert hat. Daher kam die Idee, diesen Verkehrsversuch, der ja existiert, nochmal speziell für die Anwohner in diesem Bereich zu verbessern. Der Beginn wurde nun aufs Frühjahr verschoben, da könnte man meine Idee integrieren. Perspektivisch wäre der Wunsch nach mehr Radwegen in der Innenstadt mit weniger Verkehr ebenfalls einfacher umzusetzen. Ich habe mein Konzept beim Masterplan Mobilität noch nicht eingebracht, da es bisher nur um die Analyse der Ist-Situation und allgemeine Zielvorstellungen ging.

Welche Perspektive bietet der Masterplan Mobilität?

Hegenberg: Der Masterplan Mobilität 2035 stellt die Weichen für die kommenden 15 bis 20 Jahre. Die Zeitschienen sind so langfristig gesetzt, dass Veränderungen erst sehr spät stattfinden werden. Demnach verschenkt man eigentlich Potenzial, was Lebensqualität in der Stadt angeht. Zügigeres Umsetzen, Valideren und Nachjustieren wäre sicherlich der pragmatischere Ansatz.

Freie Autorin

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