Zweieinhalb-stündige Debatte

Wie die Mannheimer SPD mit ihrer Wahlniederlage hadert

Nach den bitteren Schlappen bei der Kommunalwahl im Juni und der Oberbürgermeisterwahl vor einem Jahr ist bei der Mannheimer SPD dicke Luft. Bei einem Kreisparteitag wurde nun teils scharfe Kritik laut

Von 
Steffen Mack
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SPD-Parteitag in der Neckarstadt-West, auf dem Podium Petra Carrera (v.l.) Stefan Fulst-Blei und Isabel Cademartori sowie Reinhold Götz am Rednerpult. © Steffen Mack

Mannheim. Nach rund zwei Stunden sagt Stefan Fulst-Blei etwas in sein Mikrofon, das für einen Sitzungsleiter recht ungewöhnlich ist. „Reinhold, schau bitte mal in deine WhatsApps!“ Daraufhin bückt sich in der ersten Reihe Reinhold Götz, der SPD-Fraktionschef im Mannheimer Gemeinderat und sucht in seiner Tasche nach dem Handy. Eine Reihe dahinter ruft Baubürgermeister Ralf Eisenhauer lachend: „So geht das!“

Kreisparteitag der Mannheimer SPD: Aussprache über Kommunalwahl

Es ist trotz der Dauer ein kurzweiliger Parteitag. Der Kreisvorsitzende hat vor allem auf einen kurzen gesetzt. Als Fulst-Blei die rund 70 Delegierten und Gäste im Bürgerhaus Neckarstadt-West begrüßt, weist er auf Betreuungsprobleme hin, die einige an diesem Abend hätten. 19 Uhr sei unter der Woche eine schwierige Uhrzeit. Eigentlich sei die Aussprache über die Kommunalwahl für diesen Samstag geplant gewesen. Aber wegen des SPD-Sommerfests im August-Bebel-Park hätten die Neckarauer Genossen auf eine Verlegung gedrängt („seid so gut!“).

Ergebnis bei Mannheimer Gemeinderatswahl: Fulst-Blei verweist auch auf einige mildernde Umstände

Der in der Neckarstadt wohnende Götz spricht von einem „Heimspiel für mich“, aber auch sogleich von einer „etwas schwierigen Luft hier“. Gemünzt ist das auf die noch knapp 30 Grad draußen, die man auch drinnen spürt. Dicke Luft herrscht bei den Mannheimer Sozialdemokraten jedoch auch im übertragenen Sinne, wie sich eindrucksvoll zeigen wird.

„Das Wahlergebnis kann uns nicht zufriedenstellen, keine Frage“, so Fulst-Blei in seiner Analyse. Ihr Ziel, stärkste Fraktion zu werden, hätten sie mit Platz drei klar verfehlt. Er verweist aber gleich auf die Grünen, die im Vergleich zu 2019 drei von zwölf Sitzen verloren haben. Bei der SPD ist es nur einer von zehn.

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Als mildernde Umstände führt der Kreisvorsitzende auch an, dass seine Partei seit der OB-Wahl vor einem Jahr nicht mehr den Oberbürgermeister stelle und einige Prominente mit mittlerweile anderen Funktionen nicht mehr kandidiert hätten (namentlich nennt er Eisenhauer, Lena Kamrad, Thorsten Riehle und Helen Heberer). Den bundespolitischen Gegenwind sowie das Marktplatz-Attentat erwähnt Fulst-Blei ebenfalls. Unterm Strich spricht er von „einem guten Wahlkampf unter schwierigen Bedingungen“.

Götz nennt Umgang mit AfD "Schlüsselfrage" im neuen Mannheimer Gemeinderat

Götz, so ist es vorab verabredet, richtet den Blick primär nach vorne. Trotz der bitteren Verluste seien die Sozialdemokraten im Gemeinderat noch immer ein gewichtiger Faktor. Sie würden insbesondere auf die „Schlüsselfrage“ achten, wie es die bürgerlich-konservativen Parteien und das CDU-Stadtoberhaupt fortan mit der AfD hielten. Also ob sie auf kurzfristige Mehrheiten schielten. Stattdessen erwarte er von Christian Specht, die großen Fraktionen einzubinden. Seine sei zu einer konstruktiven Rolle bereit, sagt Götz. Er warnt aber auch: „Wer die inhaltliche Konfrontation mit der SPD will, der wird sie auch bekommen.“

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Es folgt die Aussprache. Fulst-Blei bittet um Wortmeldungen. Als er sich laut die ersten drei - männlichen - Namen notiert, fordern einige Zwischenruferinnen: „Quotieren, quotieren!“ Fortan treten also beide Geschlechter abwechseln ans Rednerpult. 17 Delegierte haben sich gemeldet. Die anfängliche Hoffnung des Kreisvorsitzenden auf eine kurze Sitzung ist somit schon nach einer Dreiviertelstunde definitiv dahin.

Ein Delegierter: „So ein Wahlkampf darf sich nicht wiederholen!“

Anfangs wird eher moderate Kritik an organisatorischen Abläufen laut. Doch dann geht es Schlag auf Schlag. Dennis Ewert bescheinigt der Wahlkampagne ein Glaubwürdigkeitsproblem, nächstes Mal müsse man etwa die Ortsvereine stärker einbinden. Er führt den in der Neckarstadt-Ost. Die Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartorti erinnert daran, dass die SPD am 9. Juni auf Bundesebene - anders als hier - vor den Grünen lag. Ihr Büroleiter Kai-Uwe Herrenkind verlangt: „So ein Wahlkampf darf sich nicht wiederholen!“

Der stellvertretende Juso-Kreisvorsitzende Philip Raubach nennt das Ergebnis „desaströs“ und „eine Blamage“. Einige hätten persönliche Befindlichkeiten an eigenen Leuten ausgelassen. Juso-Chefin Klara Scheffler kritisiert, vieles habe nur wie „von der amtierenden Fraktion für die amtierende Fraktion“ gewirkt. Ihr Co-Vorsitzender Hamun Zourmand beklagt eine „chaotische innerparteiliche Organisation“ und eine „Kultur der Verschleppung“.

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Spitzenkandidatin Melanie Seidenglanz bemüht sich, die Wogen zu glätten. Es sei „okay, wenn der Frust rauskommt“, aber sie spüre auch eine sehr positive Energie im Saal.

Worum es in Fulst-Bleis WhatsApp während der Sitzung an Götz gegangen ist

Nach der Aussprache tritt Götz erneut ans Rednerpult. Später sagt Fulst-Blei dem „MM“ auf Nachfrage, darum sei es in jener (eingangs erwähnten) WhatsApp gegangen. „Ich habe gesehen, dass er die ganze Zeit mitgeschrieben hat.“

Der Fraktionschef erklärt, vieles Angesprochene könnte er unterschreiben. Manches nicht. Vor der nächsten Wahl werde man frühzeitig gemeinsam Konsequenzen ziehen. Er empfehle indes allen, nicht nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern auch den eigenen Beitrag mal kritisch zu hinterfragen. Zwischendurch redet sich Götz in Rage und bittet um einen Schluck Wasser.

Das letzte Wort hat wiederum Fulst-Blei, der allen für ihre Offenheit dankt. „Ich freue mich auf die weitere Diskussion“, man werde alles gründlich aufarbeiten. Dann setzt er noch einen Punkt, bei dem ihm niemand widersprechen kann: Es sei ein Kompliment für eine zweieinhalbstündige Veranstaltung, wenn fast keiner vorzeitig gehe.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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