Mannheim. Wer hat da eigentlich wen attackiert, welche Lager sind da wirklich am Wahlsiegabend des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan rund um den Marktplatz aufeinander losgegangen? Und hätten die Ausschreitungen und Autokorsos verhindert werden können?
Antworten auf diese und weitere Fragen hat das Polizeipräsidium (PP) Mannheim nun in einer ausführlichen Stellungnahme im letzten Sicherheitsausschuss vor der Sommerpause geben. Damit folgt die vermeintliche Aufarbeitung, die von einigen Gemeinderatsfraktionen nach den Unruhen von der Verwaltung gefordert worden war - zuletzt von den Freien Wähler/Mannheimer Liste (ML) offiziell per Anfrage an die Stadt.
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Rückblick: Mit Autokorsos und wehenden Fahnen hatten Erdogan-Anhänger, wie in vielen anderen deutschen Städten, am 28. Mai den Wahlsieg des wiedergewählten türkischen Präsidenten zunächst friedlich gefeiert. Später aber kam es zu Auseinandersetzungen: Rund um den Marktplatz wurden Polizisten mit Gegenständen beworfen, Teilnehmer der Autokorsos gerieten mit Fußgängern aneinander. Der Verkehr in der Innenstadt war für mehrere Stunden blockiert worden. Schon wenige Stunden nach den Unruhen hatten sich einzelne Kommunalpolitiker zu Wort gemeldet und das Verhalten der Feiernden scharf kritisiert, die Vorgehensweise der Polizei hinterfragt sowie Konsequenzen für den künftigen Umgang mit solchen Vorfällen und Autokorsos gefordert. Zudem hatte es Bedenken geben, dass solche Ausschreitungen das friedliche Zusammenleben stören.
Aufzug von Feiernden friedlich
In der von Sicherheitsdezernent Christian Specht (CDU) verlesenen Stellungnahme erklärt das Polizeipräsidium Mannheim also: Dass es an diesem Wahlsiegabend zu einer Ansammlung von türkischstämmigen Menschen auf dem Marktplatz und in den Seitenstraßen kommen würde, sei absehbar gewesen. Deshalb habe man Einsatzmaßnahmen geplant und durchgeführt.
Im Laufe des Abends seien über das gesamte Stadtgebiet Autokorsos gemeldet worden. Zwischen 19.30 und 20 Uhr versammelte sich laut Polizei „eine große Anzahl an Menschen und blockierte den Verkehr auf der Marktstraße“. Daraus hätte sich ein Aufzug von 200 Feiernden formiert, der mit schwingenden Fahnen durch die Straßen zog. Es kam zu Verkehrsbehinderungen auf der Straße sowie den Bahngleisen. Bis bis dahin, so die Polizei, sei der Aufzug zwar laut, aber friedlich verlaufen. Erst gegen 20.45 sei es zu Unruhen in den Quadraten H2 und G2 gekommen. Der Grund: unterschiedliche Meinungen zum Wahlausgang zwischen Anhängern und Gegnern des wiedergewählten türkischen Präsidenten. Um die zwei Lager zu trennen, seien Polizeikräfte stark zusammengezogen und Pfefferspray eingesetzt worden. Die feindlichen Gruppen seien schnell stark angewachsen, am Ende hätten sich jeweils 150 Personen gegenüber gestanden.
Einsatz von Pfefferspray
Wer den Konflikt angezettelt hat? Laut Polizei haben wohl einzelne Unruhestifter den Konflikt ausgelöst. Die umstehende Menge hätte sich sofort jeweils mit den Provokateuren solidarisch erklärt, was zu Streit und einer kurzfristigen Eskalation geführt und in einer aggressiven Grundstimmung gemündet hatte.
Auch vereinzelte verbale Aggressionen wegen unterschiedlicher Auffassung zum Wahlausgang hätten Polizisten und Polizistinnen zwischen Passanten und Fahrenden im Autokorso gemeldet. Mit mehr Einsatzkräften, so das PP Mannheim, hätte man zwar die Auseinandersetzungen minimieren, aber eben trotzdem nicht verhindern können.
Insgesamt zwölf Straftaten verzeichnet das PP Mannheim für diesen Abend. Davon habe man acht Tatverdächtige ermittelt. Vier davon seien bereits polizeibekannt, allerdings sei keiner davon bislang bei derartigen Aktionen aufgefallen. Der Großteil der Teilnehmenden des Autokorsos habe ein Mannheimer Kfz-Kennzeichen geführt.
Wie die Polizei künftig auf solche Vorfälle reagieren will? Dazu erklärt das PP: Autokorsos seien grundsätzlich keine außergewöhnliche polizeiliche Lage und zudem ein Phänomen, das sich spontan bei Sportveranstaltungen oder nach politischen Ereignissen bildet. In der Vergangenheit sei es in Mannheim aber immer gelungen, die Korsos gezielt auf den Ring umzuleiten.
Dabei orientiere man sich an der Handlungsempfehlung des Landespolizeipräsidiums zum Umgang mit Autokorsos. „Autokorso befinden sich nicht im rechtsfreien Raum. Werden aber als Ausdruck von Freude und Meinung toleriert. Wobei Beeinträchtigung von Drittem zu reduzieren sind. Das ist gelungen“, so die Polizei weiter. Künftig will das PP Mannheim aber mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Netzwerken Einfluss auf die Route und Dauer der Korsos nehmen.
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