Mannheim. Als der silberne Mercedes plötzlich in die Kreuzung und auf die Straßenbahn zurast, reagiert die Fahrerin der Linie 3 blitzschnell: Mit einer Notbremsung bringt sie die Bahn abrupt zum Stehen - und verhindert in letzter Sekunde eine Kollision. Die Bahn ist an diesem Novembertag im vergangenen Jahr gerade von der Kurpfalzbrücke Richtung Paradeplatz unterwegs. Als unvermittelt ein Mercedesfahrer vom Luisenring auf der Höhe vom Eingang zur Breiten Straße über eine rote Ampel fährt - ohne dabei auf die heranfahrende Bahn zu achten.
Zwar kann die Straßenbahnfahrerin einen Aufprall - und damit größeren Schaden für Mensch und Maschine - verhindern, lediglich zwei Fahrgäste werden leicht verletzt. Nicht immer aber geht es so glimpflich aus, krachen auffällig oft Autos oder Lastwagen mit Straßenbahnen zusammen. Woran das liegt, weiß man bei der Polizei Mannheim. „Der häufigste Grund für Unfälle mit Straßenbahnen ist das Missachten der Ampelschaltung“, sagt Polizeisprecher Michael Klump. Allerdings gibt er auch zu bedenken, dass sich aus der Statistik nicht herauslesen lässt, wie oft und wer genau das Rotlicht ignoriert hat - das Auto oder die Straßenbahn?
Oft führen laut Klump auch Fehler beim Abbiegen oder das Verletzen der Vorfahrt zu Zusammenstößen. Nach Autofahrern sind es Fußgänger, die am häufigsten in Unfälle mit Straßenbahnen involviert sind, gefolgt von Radfahrenden. Weil bei solchen Zusammenstößen meistens auch Fahrgäste betroffen sind, häufig der öffentliche Nahverkehr umgeleitet wird oder ganze Straßen gesperrt werden, bleiben solche Unfälle wohl besonders im Gedächtnis.
Zahlen und Wissenswertes zur Unfallstatistik der Polizei
- Insgesamt verzeichnet das Polizeipräsidium Mannheim bei Unfällen mit Straßenbahnen für 2020 im gesamten Einzugsgebiet mit 115 Vorfällen einen leichten Rückgang. 65 Menschen wurden dabei leicht, elf schwer verletzt. Drei Menschen starben.
- 2019 gab es die höchste Zahl an Unfällen in den vergangenen drei Jahren mit 142 Unfällen. 91 Menschen wurden dabei leicht verletzt, elf schwer, eine Person tödlich.
- Im Jahr 2018 gab es insgesamt die wenigsten Unfälle, hier waren es 96. Dabei wurden 66 Menschen leicht und acht schwer verletzt. Zwei Menschen kamen ums Leben.
- Das Polizeipräsidium Mannheim erfasst regelmäßig die Zahlen der Verkehrsunfälle aus dem gesamten Einzugsgebiet. Dazu gehören Mannheim, Heidelberg und der Rhein-Neckar-Kreis.
- Die Erhebung der Unfälle aus dem Vorjahr läuft noch bis zum Frühjahr 2022, erst dann werden die aktuellen Unfallzahlen für 2021 von der Polizei veröffentlicht.
Zahl der Unglücke relativ konstant
Wie etwa ein Vorfall Anfang April 2019: Kurz vor einem Brückenbauwerk in der Nähe des Luisenparks streift ein Lastwagen die Linie 6 Richtung Neuostheim. Die Bahn entgleist, gerät auf die Gegenfahrbahn und schlittert die Straße entlang, bis das Führerhäuschen krachend auf einen Brückenpfeiler trifft. Lokführer und Lkw-Fahrer werden verletzt. Den meisten Schulkindern im Inneren der Waggons passiert zum Glück nichts. Was bleibt, ist ein Schock bei allen - und fünf Leichtverletzte sowie ein Schaden von 120 000 Euro. Ein Blick auf die Unfallstatistik der Polizei aus den vergangenen drei Jahren macht aber deutlich: Beim Großteil solcher Unglücke kommen die meisten Beteiligten mit Blessuren davon.
In Mannheim etwa wurden 2020 bei 69 Unfällen 44 Menschen leicht verletzt, acht davon schwer, drei kamen ums Leben. Zwar passieren laut Statistik im Vergleich mit der Stadt Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis in Mannheim die meisten Unfälle mit Straßenbahnen. So waren es 2020 in Heidelberg grob halb so viele Unfälle (36), und im Rhein-Neckar-Kreis nur ein Bruchteil (zehn). Trotzdem sei die Zahl dieser Unglücke in Mannheim laut Polizei in den vergangenen drei Jahren relativ konstant geblieben - und eben „nicht übermäßig hoch“. Auch das Verkehrsunternehmen Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) bestätigt, dass Unfälle mit Bahnen „erfreulicherweise sehr selten passieren“. Komme es dennoch zum Zusammenprall, würden Menschen meistens von der Bahn zur Seite gedrückt. Das liegt laut RNV an den größtenteils eingesetzten Niederflurfahrzeugen. Soll heißen: Schon die Bauart der Bahnen, deren Waggons sehr tief gelegt sind, verhindert oftmals, dass Unfallopfer unter die Räder geraten.
Wo aber sind die kritischsten Orte, an denen Lokführende, Autofahrende, Fußgänger oder Radfahrerinnen auf der Hut sein sollten? Für die RNV sind die kritischsten Punkte im Verkehrsnetz nicht die Fußgängerzonen, sondern einzelne Bahnübergänge. Demnach gefährde sich dort so manch ein Fußgänger oder Radfahrer selbst durch Leichtsinn, Ungeduld oder Fehlverhalten.
Sofortbetreuung für Fahrer
Wie gefährlich ein unachtsamer Moment an so einer Stelle sein kann, zeigt ein Ereignis aus dem vergangenen September: Auf Höhe der Haltestelle Fernmeldeturm in der Oststadt will ein 14-Jähriger auf seinem Fahrrad nach rechts Richtung Fernmeldeturm abbiegen. Dabei übersieht der Junge eine heranfahrende Bahn, wird von ihr erfasst und durch die Wucht des Aufpralls gegen eine Warntafel geschleudert. Der 14-Jährige überlebt den Unfall schwer verletzt. Und auch der Straßenbahnfahrer erleidet einen Schock.
Für solche Fälle gibt es bei der RNV eine interne Sofortbetreuung für Fahrer. Für diejenigen, die die schrecklichen Bilder nicht aus dem Kopf bekommen, bietet das Unternehmen professionelle psychologische Hilfe an.
Damit die Fahrgäste täglich sicher an ihr Ziel gelangen, wird das Fahrpersonal laut RNV umfassend in der Bedienung der Fahrzeuge geschult. „Dazu gehört auch das vorsichtige Einfahren in Haltestellen.“ Im Fall der Straßenbahnfahrerin auf der Kurpfalzbrücke ist es ihr umsichtiges Handeln, das dafür sorgt, dass der Mercedes nicht in die Straßenbahn kracht, sondern unbeschadet seinen Weg fortsetzt. Der Lokführerin gelingt es dabei, ein Bild vom Nummernschild zu schießen. So kann die Polizei später nach dem Unfallverursacher fahnden.
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