Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in unserer Verfassung verankert. Doch bis es dazu kam, dass Frauen mitentscheiden durften, war es ein langer Weg. Ein Meilenstein war die Einführung des Frauenwahlrechts 1918. Seit nunmehr 105 Jahren dürfen Frauen zur Wahlurne. Auch in Mannheim hatten sie sich dafür starkgemacht. Susanne Schlösser, die frühere Abteilungsleiterin Historisches Archiv im Stadtarchiv, hat für ein Kapitel im Buch „100 Jahre Frauenwahlrecht im deutschen Südwesten. Eine Bilanz“ die Verhältnisse in der Quadratestadt unter die Lupe genommen. Demnach war Mannheim neben Berlin und Hamburg ein Zentrum der bürgerlichen Frauenbewegung.
Schlösser beschäftigte die Frage, wer die Frauen waren, die sich hier für das Wahlrecht einsetzten. Ihren Nachforschungen zufolge hat der Diskurs darum 1906 an Fahrt aufgenommen. In diesem Jahr gründete sich die Mannheimer Ortsgruppe des „Deutschen Vereins für das Frauenstimmrecht“. Lida Gustava Heymann, die den Dachverband mitgegründet hatte, sprach im September 1906 in Mannheim und wollte besonders wohlhabende Frauen dazu bringen, sich zu engagieren.
Aber es waren nicht nur bürgerliche Frauenorganisationen, die sich für mehr Rechte einsetzten, sondern auch der 1905 in Mannheim gegründete sozialdemokratische Frauenverein. Beide Lager hatten aber gänzlich unterschiedliche Vorstellungen vom Frauenwahlrecht, wie Schlösser aufzeigt. Clara Zetkin, eine bedeutende Vertreterin der proletarischen Frauen- und Arbeiterbewegung, bezog dazu im September 1906 in Mannheim Stellung. Als sich anlässlich des Reichsparteitags der SPD auch sozialistische Frauen zu ihrer vierten Konferenz trafen, führte Zetkin aus, dass eine Zusammenarbeit proletarischer und bürgerlicher Frauen unmöglich sei.
Unterschiedliche Intentionen für das Engagement Mannheimer Frauen
Denn während es den Proletarierinnen darum ging, mit dem Wahlrecht nicht nur ihre ökonomischen und kulturellen Interessen zu verteidigen, sondern auch den Kapitalismus zu stürzen, wollten die bürgerlichen Frauen damit helfen, die bürgerliche Gesellschaftsordnung zu bewahren. Für das allgemeine, gleiche, aktive und passive Wahlrecht, wie es später eingeführt wurde, setzten sich in der Quadratestadt nur die SPD-Frauen ein. Die bürgerliche Frauenbewegung hätte sich auch mit dem Dreiklassenwahlrecht zufriedengegeben, wie Schlösser darlegt. Das Dreiklassenwahlrecht teilte die Wähler entsprechend ihres Steueraufkommens in drei Gruppen mit gewichteten Stimmenanteilen ein.
Der Mannheimer „Verein für das Frauenstimmrecht“ sah seine Bestimmung in der politischen Bildung der Frauen. Was dabei auffiel: Nahezu alle Vorstandsmitglieder waren jüdischer Herkunft. Schlösser schreibt hierzu: „Möglicherweise haben sich an diesem Punkt die emanzipatorischen Bestrebungen der Mannheimer Juden mit denen der Mannheimer Frauen getroffen.“ Schlössers Analyse zufolge waren die meisten der öffentlich in Erscheinung getretenen Persönlichkeiten bürgerliche Frauen aus der gehobenen Mittelschicht und aus dem jüdischen Umfeld. Die meisten von ihnen waren zwischen Mitte 30 und Mitte 50, verheiratet, ohne Berufsausbildung und hatten Kinder.
Was in Mannheim den Aufstieg der Frauen befördert haben dürfte, ist ihre frühe Beteiligung in den Kommissionen der Stadt. Was im Rest Badens erst ab 1910 zur Regel wurde, schaffte Alice Bensheimer als erstes weibliches Mitglied in der städtischen Armenkommission hier schon 1899. 1911 wirkten sowohl bürgerliche Frauen als auch solche aus dem Arbeitermilieu in den Kommissionen - 13 von 33 waren mit Frauen besetzt.
Als 1908 dann auch das Reichsvereinsgesetz in Kraft trat, durch das Frauen politische Organisationen gründen und auch deren Mitglieder werden durften, war eine weitere Hürde überwunden. Der „Verein für das Frauenstimmrecht“ informierte ganz nach seinem Selbstverständnis über das neue Recht. Auch die Sozialdemokratinnen ermutigten Frauen, sich politisch zu engagieren.
Demokratie-Abo - auf Dich kommt es an!
Anzeige
Hintergründig recherchiert, faktenbasiert, unabhängig: Wir schauen genau hin, wenn es Dich betrifft. Wir stellen Öffentlichkeit her, damit Du Dir selbst eine Meinung bilden kannst. Wir berichten, damit Du informiert Entscheidungen treffen kannst.
Lese 6 Monate MM+ und erhalte Zugriff auf alle Artikel unter mannheimer-morgen.de. Jetzt bestellen und 50 % sparen!
Dass sich durch die zwei Lager aber immer noch tiefe Gräben zogen, zeigte sich bei der Feier des ersten Internationalen Frauentags am 19. März 1911. Den feierten in Mannheim nur die Sozialdemokratinnen - mit einem prominenten Gast. Clara Zetkin, die sich maßgeblich für diesen Tag eingesetzt hatte, trat zusammen mit Theresa Blase, die für die SPD in Mannheim bereits seit einigen Jahren aktiv war, im Mannheimer Gewerkschaftshaus auf. Fünf Tage später, am 24. März, begingen dann die bürgerlichen Frauen in Mannheim ihren eigenen Tag. Über die Folgejahre ist wenig überliefert. Zunächst verstummten mit dem Ersten Weltkrieg die Forderungen der Frauen - auf bürgerlicher und sozialdemokratischer Seite.
Internationaler Frauentag 1911 wird in Mannheim getrennt gefeiert
Erst 1918 kam hier wieder Bewegung in die Sache. Der Mannheimer „Verein für das Frauenstimmrecht“ schickte im März, wie auch die nationalliberale Frauengruppe zuvor, eine Petition an den badischen Landtag, in der er das aktive und passive Wahlrecht für Frauen forderte. Nur acht Monate später, am 12. November 1918, wurde das Realität. Nach dem Zerfall des Kaiserreichs und dem verlorenen Krieg wurde eine Wahlrechtsreform verkündet, die schließlich auch für Frauen galt.
Am 5. Januar 1919 bot sich bei den Wahlen zur badischen Nationalversammlung eine erste Möglichkeit, das neue Privileg auszuleben. Eine weitere folgte am 19. Januar bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung - 81 Prozent der wahlberechtigten Frauen machten hier von ihrem Recht Gebrauch. Die Mannheimer Frauen konnten am 18. Mai 1919 außerdem das erste Mal an Kommunalwahlen teilnehmen. Neun Frauen wurden als Stadtverordnete gewählt, fünf davon hatten zuvor schon Ämter in städtischen Kommissionen eingenommen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-welche-frauen-in-mannheim-fuer-das-frauenwahlrecht-kaempften-_arid,2208556.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html