Fußballhistorie

Welche Anekdoten es über Mannheimer Fußballvereine zu erzählen gibt

Sechs Rekorde in sieben Jahren, eine Misswahl in der Halbzeit und die erste Meisterschaft mit Schale: In einem kurzweiligen Vortrag beleuchtete Martin Willig die Historie vom VfR Mannheim und dem SV Waldhof Mannheim

Von 
Andi Nowey
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Momentaufnahme vom Aufstieg des SV Waldhof Mannheim in die Bundesliga. © Delta

Mannheim. Vor gut einem Jahr hatte Martin Willig einen Vortrag über die Anfänge des Fußballsports im Mannheimer Marchivum gehalten. Während der Raum damals zum Bersten gefüllt war, seien zudem die Klickzahlen im Livestream durch die Decke geschossen, berichtete Marchivum-Leiter Harald Stockert. Doch nicht nur die Zuschauerzahl brach Rekorde, auch die Vortragsdauer sprengte den dafür vorgesehenen Rahmen, so dass schon damals laut über eine Folge-Veranstaltung nachgedacht wurde.

Willig, ehemaliger Waldhof-Fanbeauftragter seitens des Sportkreises Mannheim und leidenschaftlicher Fußball-Historiker, erklärte sich umgehend bereit und unterbrach nun sogar seine Reha, um einen interessanten, aber nicht minder unterhaltsamen Abend anzubieten.

40 Jahre Bundesliga-Aufstieg des SV Waldhof Mannheim

Hauptanker für den Vortrag waren zwei Jubiläen in der Mannheimer Fußballgeschichte: 40 Jahre Bundesliga-Aufstieg des SV Waldhof Mannheim und 75 Jahre Deutsche Meisterschaft des VfR Mannheim – und damit einhergehend die Derby-Geschichte dieser beiden Clubs. „Welches Geschenk kann man dem VfR zu seinem Jubiläum besser machen, als wenn eine SVW-Nase darüber referiert“, eröffnete Stockert die Veranstaltung mit einer steilen These. An das Ende des Zweiten Weltkriegs, dort, wo Willigs ausführlicher erster Vortrag geendet hatte, knüpfte er dieses Mal wieder an.

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Am 9. September 1945, wenige Monate nach der deutschen Kapitulation, fand in dem vom Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Stadion an den Brauereien das erste Nachkriegs-Fußballspiel statt – ein Freundschaftsspiel zwischen dem VfR und dem SV Waldhof. „Es sollte eigentlich sogar noch einen Monat früher ausgetragen werden, aber aufgrund einer Platzbelegung sowie der notwendigen Genehmigung durch die amerikanische Besatzungsmacht war es verschoben worden“, berichtet Willig. Die Blau-Schwarzen gingen damals vor 5000 Zuschauern, die diese temporäre Flucht aus Schutt und Trümmern wahrgenommen hatten, mit 3:1 als Sieger vom Feld.

Kurios war ferner der 17. Dezember 1946, als in der Halbzeitpause des Spiels Mannheim gegen Stuttgart (4:0) im Städtischen Stadion, das an der Stelle des heutigen Carl-Benz-Stadions stand, mit Eleonore Wahrheit die erste Miss Mannheim gekürt wurde. Dann aber gebührte dem VfR Mannheim, dem Deutschen Meister von 1949, die volle Aufmerksamkeit.

Mit dem Titel ging große Euphorie in der Stadt einher

Die Wurzeln des Erfolges lagen laut Willig in Kanada. Fünf spätere VfR-Spieler weilten nach dem Krieg in einem Gefangenenlager in Lethbridge und schworen sich ein für ihre fußballerische Rückkehr. „Die ,Kanadier’ hoben den VfR auf ein neues Level“, unterstrich Willig die Bedeutung der Spieler um Rudolf de la Vigne, der später als Aushängeschild für die Mannheimer Fußball-Glanzstunde stand. „Nur“ als Tabellenzweiter waren sie in die Endrunde der Deutschen Meisterschaft eingezogen, schafften es aber dennoch ins Finale, wo Borussia Dortmund bezwungen wurde.

Mit etlichen zeitgenössischen Fotos demonstrierte der 63-Jährige die große Euphorie in der Stadt, die seinerzeit mit dem Titel einherging. Um den Zeitgeist der zweiten Hälfte der 1940er Jahre zu beschreiben, gewann Willig mit Nora Noé eine Mannheimer Schriftstellerin, die aus dem Kapitel über den VfR Mannheim aus ihrem Buch „Mitten in Mannheim“ las.

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Es war die perfekte Überleitung zu zwei Gästen, die Willig anschließend auf die Bühne bat. VfR-Sportdirektor Hakan Atik und Präsident Boris Scheuermann präsentierten die Replika der Meisterschale, die der Verein vor zehn Jahren nach einer Spendenaktion hatte anfertigen lassen. Dabei räumte Willig mit einem oft zitierten Irrtum auf: „Der VfR ist nicht der erste Meister nach dem Krieg – das war der FC Schalke 04. Der VfR ist aber der erste Meister, der die Schale bekam.“

Waldhof-Mannschaft: Team mit den meisten Bartträgern

Mit einem Ausflug zur Entstehungsgeschichte des DFB-Pokals gelang Willig die Kurve zum SV Waldhof. 1940 erreichten die Blau-Schwarzen nämlich das Endspiel des Wettbewerbs, der seinerzeit noch Tschammer-Pokal hieß. Mit 0:2 unterlagen die Mannheimer dort dem 1.FC Nürnberg. Noch einmal, 1953, stieß der SV Waldhof im DFB-Pokal ganz weit nach vorne vor. Im Halbfinale war damals Rot-Weiss Essen, späterer Pokal-Sieger, Endstation. Schlagzeilen machten die Waldhof-Kicker erst wieder 1983 mit dem Bundesliga-Aufstieg.

Karl-Heinz Bührer gab hierzu ein paar Anekdoten zum Besten. Einzigartig machen die Mannheimer sieben Bundesliga-Jahre, aber auch sechs Rekorde, die auch heute noch Bestand haben. So war die Waldhof-Mannschaft einst und bis heute das Team mit den meisten Bartträgern. Außerdem war Maurizio Gaudino der jüngste Spieler mit einem Platzverweis, und acht Remis in Serie sind auch heute noch unerreicht. Kurios war die Begebenheit von Wolfgang Böhni, der mit 17 Jahren die längste Zeitspanne zwischen seinem ersten und zweiten Bundesliga-Spiel hatte. Fritz Walter gelang das Kunststück, in zehn aufeinanderfolgenden Spielen zu treffen, und Günter Sebert war der älteste Spieler, der je einen Elfmeter verschoss in der Bundesliga-Historie.

Geschichten wie diese waren es, die den Abend erheiterten. Einen Platz in den Geschichtsbüchern beider Vereine hätte somit eigentlich auch Martin Willig verdient.

Freier Autor Schwerpunkte: Mannheimer Kreisfußball, Kreisklassen A und B, Kreispokal, Waldhof-Legenden

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