Mannheim

Das erste Fußball-Spielfeld entstand nahe dem Wasserturm

Zahlen, Daten, Fakten, Anekdoten – Martin Willig, der langjährige Fanprojektleiter beim Sportkreis führte durch eine wundervolle Zeitreise in die Mannheimer Fußballgeschichte, die um das Jahr 1892 ihren Anfang nahm

Von 
Andi Nowey
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Bild mit viel Historie: Albert Brückl (dunkel gestreiftes Trikot) erzielt im legendären Waldhof-Stadion am Sandacker einen Hattrick gegen die Stuttgarter Kickers (3:2). © Marchivum

Mannheim. 120 Minuten – so lange wie ein bedeutsames Fußballspiel samt Verlängerung dauerte der Vortrag von Martin Willig im Marchivum. Und mindestens genauso spannend war diese Veranstaltung auch, in der der langjährige Fanprojektleiter des Sportkreises Mannheim einen Streifzug durch die Fußballgeschichte in der Quadratestadt unternahm. „Ich habe mit ihm mitgelitten“, richtete Marchivum-Leiter Harald Stockert in seinen Abschlussworten offene Worte an Willig. „Weil die Zeit hinten raus gedrängt hat, musste er die letzten 50 Jahre quasi im Schweinsgalopp absolvieren.“

Nicht nur die Großen des Mannheimer Fußballs

Etwas schade, denn Willig hatte vieles zu erzählen: Zahlen, Daten, Fakten, Anekdoten, und des Öfteren sprang er auch neben das Rasenviereck – eine wundervolle Zeitreise durch die Mannheimer Fußballgeschichte, die um das Jahr 1892 ihren Anfang nahm. Erfreulich auch, dass er nicht nur auf die beiden Großen des Mannheimer Fußballs, SV Waldhof und VfR Mannheim, einging, sondern auch Clubs wie den VfL Neckarau, den MFC 08 Lindenhof, die SpVgg Sandhofen, den MFC Phönix 02 und auch den FC Germania Friedrichsfeld mitnahm, denen es in der Vorkriegsgeschichte gelungen war, bis in die höchste Spielklasse vorzustoßen.

Willig stellte einmal mehr unter Beweis, dass er aktuell einer der größten Wissensträger der Mannheimer Fußballgeschichte ist und auch weiterhin nicht müde wird, in ihr zu recherchieren und zu forschen.

Willig stellte einmal mehr unter Beweis, dass er aktuell einer der größten Wissensträger der Mannheimer Fußballgeschichte ist und auch weiterhin nicht müde wird, in ihr zu recherchieren und zu forschen. So gelang es ihm, in Bruchsal einen Grabstein von Professor Carl Julius Specht ausfindig zu machen, der quasi als Pionier des Fußballsports in Mannheim gilt. „1891 hatte er einen einjährigen Aufenthalt in England und brachte den Fußball mit nach Mannheim“, berichtete Willig. „Als Lehrer an einer großherzoglichen Schule in Mannheim etablierte er den Sport zunächst an der Schule, später weitete sich das aus.“

Martin Willig, langjähriger Fanprojektleiter des Sportkreises Mannheim, blickte im Marchivum kenntnisreich auf die Fußballgeschichte zurück. © Andi Nowey

Auf einem Exerzierplatz zwischen Wasserturm und dem heutigen Dorint-Hotel soll sich das erste Fußballspielfeld befunden haben. Torstangen, Schnüre und auch Holzspäne, um die Linien zu markieren, wurden einfach mitgebracht. 1896 gründete sich mit der Mannheimer Fußball-Gesellschaft (MFG 1896) der erste Verein, der einer der Vorläuferclubs des VfR Mannheim war. Wie weit Specht den Fußball an seiner Schule bereits vorangebracht hatte, unterstreicht das erste ausgetragene Fußballspiel des neuen Vereins, in dem eine Schülerauswahl gegen die MFG 1896 mit 1:0 gewann.

Spieler 1913 von Hund gebissen

1907 wurde auf dem neu geschaffenen Platz an den Brauereien, lange Zeit die Spielstätte des 1911 unter diesem Namen gegründeten VfR Mannheim, erstmals das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft ausgetragen. Damals siegte der Freiburger FC gegen Viktoria Berlin mit 3:1. 1913 folgte eine kuriose Begebenheit in der noch jungen Geschichte des VfR. Willig berichtete: „Bei einem Spiel bei den Stuttgarter Kickers wurde ein VfR-Spieler beim Stand von 3:0 von einem Hund gebissen. Die Partie ging 5:0 verloren. Der Protest des VfR wurde anschließend abgeschmettert.“

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Willig ging auch auf die ersten beiden großen Trainer der DFB-Geschichte ein. Otto Nerz und Seppl Herberger haben ihre Wurzeln im Mannheimer Fußballsport. „Otto Nerz hat den deutschen Fußball in die Weltspitze geführt“, so Willig. „Leider wird sein Nachlass und das Interesse an ihm dieser Leistung nicht gerecht.“ 1927 wird mit der Städtischen Sportplatzanlage an der Rennwiese das erste Stadion in Mannheim gebaut – interessanterweise an der Stelle, an dem heute das Carl-Benz-Stadion steht. Es folgten Schilderungen über Albert Brückl, den vermutlich erfolgreichsten Torschützen des SV Waldhof, VfR-Trainer Richard Kohn, der Oskar Rohr mit zum FC Bayern München brachte, und Waldhofs wohl bedeutendsten Fußballer Otto Siffling.

Hoffnung auf Fortsetzung

Und natürlich erklärt Willig die Bedeutung das Begriffs Hewwl, ein Ausdruck für die Spieler und Anhänger des VfR: „Das ist ein Treter, jemand, der eine harte Spielweise hat. Dann wurde gesagt: Jetzt leg mol än onnere Hewwl o.“ Auf der anderen Seite wurden die Waldhöfer als Proleten bezeichnet. Durch die Nachkriegsgeschichte hetzte Willig, da der Marchivum-Schiedsrichter mit der Pfeife im Mund mit dem Abpfiff drohte, weckte aber doch noch die Hoffnung auf ein Weiterkommen. „Das schreit nach einer Fortsetzungsveranstaltung“, so Stockert. Das Stadion dürfte dann wieder ähnlich voll werden.

Freier Autor Schwerpunkte: Mannheimer Kreisfußball, Kreisklassen A und B, Kreispokal, Waldhof-Legenden

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