Alle 45 Minuten wird bundesweit eine Frau durch ihren Partner verletzt. Jeden dritten Tag so stark, dass sie das nicht überlebt. Körperliche, psychische und institutionelle Gewalt gegen Frauen ist auch in Mannheim nicht selten. So vermelden das Polizeipräsidium Mannheim sowie das Fraueninformationszentrum (FIZ) für dieses Jahr steigende Fallzahlen. Dabei geht es im FIZ beim Großteil der Fälle um psychische Gewalt, indem Männer ihre Partnerinnen unter Druck setzen und so Macht und Kontrolle ausüben.
Bei Übergabe der Kinder nicht selten angegriffen
Was den FIZ-Expertinnen in der Beratungsstelle vermehrt auffällt: Besonders wenn bei häuslicher Gewalt Kinder mit im Spiel sind, wird es problematisch bei Sorgerechts- und Umgangsverfahren. Für die Institutionen sei der Umgang des Vaters mit den Kindern oft wichtiger als der Schutz der Mutter vor weiteren Übergriffen. So würden in machen Fällen die Frauen aufgefordert, weiterhin mit dem Vater in Kontakt zu bleiben - trotz erlebter Gewalt. In der Beratung berichten einige Mütter davon, dass sie bei der Übergabe der Kinder nicht selten angegriffen werden.
Rat für Betroffene
- Polizei: 110, hier kümmert sich eine extra dafür eingerichtete Koordinierungsstelle für häusliche Gewalt um Betroffene.
- Beratung und Hilfe bietet auch das Fraueninformationszentrum (FIZ), Tel.: 0621/37 97 90, sowie die Beratungsstelle Frauen und Mädchennotruf, Tel. 0621 / 1 00 33.
- Zuflucht bietet das Mannheimer Frauenhaus, Tel. 0621 / 74 42 42 und das Frauen- und Kinderschutzhaus Heckertstift, Tel. 0621 / 41 10 68.
- Die Gewaltambulanz des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg dient dem Schutz der Opfer vor weiteren Übergriffen und der Rechtssicherheit in Strafverfahren, in denen objektiv gesicherte Beweise wichtig sind. Terminabsprache ist für die Untersuchung erforderlich unter Tel. 0152/54 64 83 93. Die Ärzte unterliegen der Schweigepflicht.
- Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, erreichbar unter 08000 / 116 016, ist ein bundesweites, kostenloses Beratungsangebot. lia
Studie zeigt eklatante Mängel
Das Problem: Aussagen über Schläge oder physischen Druck würden von Institutionen sogar angezweifelt, es stehe oft Aussage gegen Aussage. In einigen Fällen seien sogar Gutachten erstellt worden, um festzustellen, wer von den beiden Elternteilen erziehungsfähig ist. Auf Anfrage erklärt das Amtsgericht Mannheim: „In Verfahren vor dem Familiengericht werden sicher keine Frauen dazu gedrängt, trotz Gewalterfahrung mit den Vätern in Kontakt zu bleiben und im Wechselmodell die Kinder dem Vater übergeben zu müssen.“ Vielmehr würden die Familienrichter und Richterinnen das Thema „sehr ernst nehmen“ und in Einzelfällen sogar den Umgang ausschließen. Einen „gearteten Automatismus“ gebe es nicht.
Wie das an anderen Gerichten gehandhabt wird, hat die Studie „Familienrecht in Deutschland - Eine Bestandsaufnahme“, untersucht. Sie belegt anhand von über 1000 familiengerichtlichen Fällen, dass Mütter und ihre Kinder oft Opfer fragwürdiger Verfahrenspraktiken sind. Das fällt in Verfahren auf, die sich um psychische, physische Gewalt oder Missbrauch drehen. Trotz früheren Übergriffen auf die Ex-Partnerin ordnen Gerichte an, dass Kinder von der Mutter zum Vater platziert, ins Heim gebracht oder das Wechselmodell benutzt wird. Das sieht vor, dass Kinder zu je 50 Prozent bei Mutter und Vater leben.
Richtiges Verhalten
- Der Betroffenen glauben, nichts bezweifeln oder bewerten. Bedürfnisse und Wünsche respektieren. Nie eigenmächtig oder unabgesprochen handeln. Geduldig und in Kontakt bleiben.
- Mit zur Polizei, Beratungsstelle oder Anwälten begleiten. Im Alltag bei der Kinderbetreuung oder der Suche nach Job oder Wohnung helfen.
- Täter nicht konfrontieren, Hilfe bei Fachstellen holen. lia
Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen, hängen am 25. November auch Plakate mit weißen Lilien am FIZ. Die Blume ist das Symbol der Aktion „white lily revolution“, die bundesweit so Gewalt gegen Mütter im Familienrecht und seinen Institutionen sichtbar machen will. Betroffene werden aufgerufen, Lilien auf die Stufen von Familiengerichten und Jugendämtern zu legen. Die Forderung: mehr Gewaltschutz für Mütter sowie die Anwendung der Istanbul Konvention, den europaweit verbindlichen Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Darum sind Frauenrechte unverhandelbar!