Gewalt

Weihnachten im Mannheimer Frauenhaus: Katjas mutiger Weg aus der häuslichen Hölle

Eine Frau erzählt von jahrelanger häuslicher Gewalt und ihrem Entschluss, sich endlich daraus zu befreien

Von 
Valerie Gerards
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Ein Stoffteddy sitzt im Kinderbereich eines Frauenhauses (Symbolbild). © Britta Pedersen/dpa

Mannheim. Für Katja ist dieses Jahr Weihnachten nicht das Fest der Liebe. Sie ist im November vor ihrem prügelnden Ehemann ins Frauenhaus geflohen. Dort wird sie mit ihrer kleinen Tochter allein feiern, ohne die Familie und ohne Christbaum im Wohnzimmer.

Auf die Frage, was ihr Mann ihr angetan habe, antwortet die Frau, sie habe schwere häusliche Gewalt erlebt. Was genau, das berichtet sie zunächst nicht. Nur so viel: Am letzten Abend mit ihrem Mann konnte sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter auf die Straße retten. Und hat zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung getroffen hat, nie wieder zu ihm zurückzukehren. Bis zu diesem Abend hatt er sie immer wieder geschlagen und gedemütigt. Jahrelang.

Hilfetelefon

 

  • Das bundesweite Hilfetelefon ist unter 116 016 rund um die Uhr kostenlos erreichbar
  • Es bietet Schutz, Hilfe und Beratung für Frauen und ihre Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben
  • Das Beratungsangebot ist anonym, kostenfrei, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen verfügbar
  • Das Frauenhaus Mannheim ist unter 0621 - 74 42 42 montags bis donnerstagsvon 9 bis 15 Uhr, freitags von 9 bis 12 Uhr erreichbar. Rufbereitschaf montags bis freitags von 20 bis 6 Uhr und an Wochenenden und an Feiertagen von 20 bis 12 Uhr
  • Das Fraueninformationszentrum ist unter 0621 - 37 97 90 montags, dienstags, donnerstags und freitags von 9 bis 12 Uhr und mittwochs von 16 bis 18 Uhr erreichbar.

Am Anfang sei die Beziehung in Ordnung gewesen, obwohl ihm auch zu diesem Zeitpunkt schon manchmal die Hand ausgerutscht sei. Die Situation habe sich, anders als gehofft, nach der Hochzeit verschlimmert, er habe sie in immer kürzeren Abständen geschlagen, sagt Katja. „Vielleicht war das mein Fehler. Am Anfang habe ich zu viel akzeptiert. Er dachte, er kann alles bestimmen.“ Und das tat er dann auch. Er bestimmte komplett über ihre Aufgaben und Pflichten, behandelte sie wie eine Dienerin. Und schlug fest zu, wenn sie versuchte, etwas mit zu entscheiden.

Warum hat Katja das so lange ausgehalten?

Für Außenstehende ist es nicht einfach zu verstehen, warum Katja das so lange ausgehalten hat. Warum sie jahrelang hoffte, er brauche nur noch etwas Zeit, sich zu ändern. Hatte er etwa beteuert, sich zu bessern? Um Verzeihung gebeten? „Nein, er hat sich nie entschuldigt. Ich bin trotzdem bei ihm geblieben. Ich liebte ihn, und unsere Ehe sollte gut gehen. Ich hatte den Wunsch nach einer funktionierenden Familie.“

Die Heile-Welt-Fassade hat lange gehalten. Katja hat versucht, die Schläge vor allen geheim zu halten und die Wunden zu verstecken. Das hat aber irgendwann nicht mehr funktioniert. Trotz des guten Ansehens ihres Ehemannes haben die Nachbarn mitbekommen, was in der Familie los war. „Ich hatte solche Angst, dass er das herausfindet“, erzählt sie. Ein Brennen liegt in der Luft, es sieht aus, als ob die junge Mutter jeden Moment zu weinen anfängt. Doch sie braucht kein Taschentuch, schluckt die bittere Erinnerung hinunter. Trinkt etwas Wasser und entschuldigt sich für die Pause. Weiter.

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Dann geht es noch mal ein paar Monate lang gut mit ihrem Mann. Das tut es - wie immer - so lange, wie sie sich ohne Widerrede demütigen und beleidigen lässt. Wenn Katja sich aber verteidigt, flippt er aus. Im November schlägt er seine Ehefrau so brutal wie nie zuvor, sie kann sich mit der kleinen Tochter nach draußen retten. „Ich stand blutend auf der Straße, bis eine Nachbarin mich reingeholt hat.“ Von dort ruft sie die Polizei. Ihr Mann will sie wieder zu sich holen, aber sie sagt ihm, sie komme nie wieder. „Nie wieder in Großbuchstaben“, betont Katja.

Dieses Jahr Weihnachten mit ihrer Tochter im Frauenhaus zu feiern, macht sie eigentlich nicht traurig. „Ich bin glücklich, hier zu sein und in Sicherheit mit meiner Tochter.“

Ihr Mann hat keine Ahnung von ihrem Aufenthaltsort

Die Sicherheit ist für sie gegeben, weil ihr Mann keine Ahnung von ihrem Aufenthaltsort hat. Frauen aus Mannheim werden in Frauenhäusern in anderen Städten untergebracht, und Frauen aus ganz Deutschland kommen in das Mannheimer Frauenhaus. Unter ihnen auch Hochrisikofälle, deren Männer besonders gefährlich sind oder eine Waffe besitzen. „Das erste Jahr nach der Trennung ist das gefährlichste Jahr für eine Frau, die ihren Mann verlassen hat“, berichtet Yvonne Kindt, Sozialpädagogin im Mannheimer Frauenhaus. Jeden Tag gibt es in Deutschland einen polizeilich registrierten Tötungsversuch an einer Frau. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners. „Wenn ein Mann seiner Frau droht, sie umzubringen, ist die Frau gut beraten, das ernst zu nehmen und zu flüchten“, sagt Kindt.

Katja will ihr Leben nun selbst in die Hand nehmen, Arbeit und eine eigene Wohnung finden, sich eine Zukunft aufbauen. „Solange wir nicht geschiedensind, habe ich das Gefühl, dass er mir im Nacken sitzt. Er will wissen, wo wir wohnen, er will Kontrolle“, berichtet sie. Kindt verdeutlicht, dass die gewalttätigen Männer oft ein Besitzdenken haben. Sie wollen bestimmen, was ihre Frau macht, und wähnen sich in dem Glauben, dass die Frau ihnen gehört.

Katja konnte sich aus der gewaltgeprägten Beziehung befreien, weil da plötzlich eine Nachbarin war, die geholfen hat. Denn dass sie schließlich vor ihren Mann geflüchtet ist, war keine bewusst reflektierte Entscheidung, wie Kindt betont.

Vielmehr hat sich die Gelegenheit auf einmal aufgetan, und Katja hat sie ergriffen. „Die Frau ist nicht nur ein Opfer, sondern sie hat auch Stärke und ist sehr mutig, in eine komplett ungewisse Zukunft zu gehen“, verdeutlicht die Familienberaterin des Mannheimer Frauenhauses, Christiane Yavuz. „Jeder Mensch hat es verdient, ein gewaltfreies Leben zu leben.“ Das wünscht sich Katja auch. Und sie will zu den zwei Dritteln der Frauen gehören, die nicht zurück zu ihren schlagenden Ehemännern gehen.

Name und Einzelheiten der Geschichte wurden von der Redaktion verändert, damit die Frau nicht von ihrem Mann gefunden werden kann.

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