Käfertal - Ausstellung zum Leben der Amerikaner in Mannheim im „Zeitstrom-Haus“ / Zukunft des Projekts unklar

Wehmütige Erinnerungen an „Ami-Mess“

Von 
Peter W. Ragge
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Dieses Plakat im grell leuchtendem Pink – über Jahrzehnte haben es die Mannheimer immer wieder gesehen. Bis 2010, doch seither gibt es das Deutsch-Amerikanische Volksfest nicht mehr. Im „Zeitstrom-Haus“ im Benjamin Franklin Village wird jetzt daran und an einige weitere Aspekte des Lebens der US-Soldaten in Mannheim erinnert, denn die seit zwei Jahren bestehende kleine Ausstellung in der früheren Vorschule wurde nun erweitert.

Das Plakat, Fotos und Texte haben Schüler der Friedrich-List-Schule bei einem Projekt zusammengetragen, dazu mit Zeitzeugen gesprochen. Dabei sei „ein bisschen Wehmut aufgekommen“, so ihr Lehrer Bernd Oßwald. Und er bekennt, dass er selbst früher „begeisterter Fan der Ami-Mess“ gewesen ist.

Club-Kultur geprägt

Wehmut registrierte nicht nur Oßwald. Sie habe gemerkt, „wie sehr die Mannheimer das Thema noch bewegt und berührt“, so Nora Kaiser von der Firma „beier + wellach projekte“, die für die Ausstellung verantwortlich zeichnet. „Fast 70 Jahre haben eben ihre Spuren hinterlassen“, so Kaiser. Um diese zu sichern, führten Studenten von Philipp Gassert, Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim, Interviews mit Mannheimern, die in Kurzform in der Ausstellung abgerufen werden können. Das komplette audiovisuelle Material übergab Projektleiterin Kirsten Batzler, inzwischen bei der Bundesgartenschau-Gesellschaft tätig, an Marchivum-Direktor Ulrich Nieß.

Interviews und Ausstellung spannen den Bogen von den ersten amerikanischen Soldaten, die Ende März 1945 in Mannheim einmarschierten, bis zum Einholen der Fahne zur Auflösung der Garnison am 31. Mai 2011. Einen ersten Schwerpunkt bildet die Enteignung der Ackerflächen für den Neubau der zeitweise von 10 000 Menschen bewohnten, bis zuletzt größten amerikanischen Siedlung in Deutschland zwischen Gallwitz-Kaserne (später Funari Barracks) und Flak-Kaserne (später Sullivan Barracks). Das Albert-Schweitzer-Basketballturnier darf da ebenso wenig fehlen wie der Deutsch-Amerikanische Frauenarbeitskreis sowie die schärfer werdenden Einlasskontrollen nach den Terrorakten am 11. September 2001, die viel vorher übliche Gemeinsamkeit verschwinden ließen.

Nicht nur mit Bild und Text ist die amerikanische Club-Kultur präsent, sondern auch mit Tür, Schild, Bierkrug, Gläsern, Getränkedosen und Spirituosen aus dem legendären „Top Hat Club“, der längst abgerissen ist. Er steht stellvertretend für die „Ami-Clubs“, in denen einst nicht nur die Karriere von Joy Fleming begann, sondern die den Grundstein zur Entwicklung zur heutigen Musikstadt Mannheim gelegt haben. Auch die Proteste gegen den „Panzerwald“, die Übungen im Käfertaler Wald, werden gestreift.

„Natürlich war das Verhältnis nicht immer konfliktfrei, sondern musste Spannungen aushalten“, sagte Bürgermeister Michael Grötsch daher zur Eröffnung. Doch als die Amerikaner 1945 in Mannheim einmarschierten, „sind sie gekommen, um zu bleiben“, spannte Grötsch den Bogen von der Befreiung von der Nazi-Diktatur über den Schutz der Amerikaner für Deutschland im Kalten Krieg bis zu ihrem bleibenden Einfluss auf die Alltagskultur. Dank dem „Zeitstromhaus“ bleibe ein wichtiger Aspekt der Stadtgeschichte lebendig: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten!“, betonte Grötsch. Es sei nun Sache des Gemeinderats, aus „Zeitstrom“ mehr zu machen, nämlich einen ganzen „Bildungs- und Erlebnisweg“.

„Es lohnt sich“

Viele Ideen und Ansätze dazu gibt es, berichtete Wilfried Rosendahl, Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen. Das „Zeitstrom-Haus“ sei „eigentlich nur ein Ort“. In Mannheim gebe es mehr als 200 Punkte im Stadtgebiet und insbesondere entlang des neuen Grünzugs Nord-Ost, an dem man Geschichte von der Eiszeit über die Ära der Römer bis heute sehr gut begreifbar machen könne.

Das – von ihm mitentwickelte – Projekt „Zeitstrom“ sei „ein ganzes Band, das Erholung, Erleben und Entdecken verbindet“, so Rosendahl: „Mannheim hat ein Riesenpotenzial dafür. Es lohnt sich, daran weiterzuarbeiten – wir brauchen nur die Mittel dafür“, so der Direktor. Diese Entscheidung liegt beim Gemeinderat. Derzeit ist das Projekt bis Ende 2018 befristet. Bis dahin reichen die bewilligten 150 000 Euro. Wie es nach den dann zwei Jahren weitergeht, blieb bisher offen.

Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/mannheim

Öffnungszeiten

  • Die Ausstellung ist montags bis freitags von zehn bis 16 Uhr zu sehen.
  • Samstag von 13 bis 16 Uhr ist sie ebenfalls geöffnet – dann ehrenamtlich betreut vom Deutsch-Amerikanischen Frauenarbeitskreises.
  • Das „Zeitstrom-Haus“ in der ehemaligen US-Vorschule liegt neben der Sporthalle, Zufahrt über Birkenauer Straße/Platz der Freundschaft, dann zu Tor 1 von Franklin.
  • Mit der Stadtbahn Linie 5 fährt man bis zur Haltestelle „Platz der Freundschaft“ (früher Käfertal-Wald). (pwr)
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"Zeitstrom" Ausstellung im Benjamin-Franklin-Village

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