Reiss-Engelhorn-Museen

Was machen Saurier-Knochen in der Mannheimer Universitätsmedizin?

Wie Ärzte den Mannheimer Museumsmachern bei der Vorbereitung einer neuen Sonderausstellung helfen.

Von 
Peter W. Ragge
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Versteinerte Saurier in der Radiologie: v. l. Matthias Frölich, Sebastian Voigt, Wilfried Rosendahl und Stefan Schönberg am Photon-Counting-Computertomographie-Gerät. © Christoph Bluethner

Mannheim. Er ist viel gewohnt und trotzdem „ganz fasziniert“, bekennt Wilfried Rosendahl. „Wir machen hier mit modernster Hightech die tiefste Urzeit lebendig“, sagt der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen. Denn zur Vorbereitung auf die ab 12. Oktober laufende Sonderausstellung „Saurier – Faszination Urzeit“ sind nun in der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin versteinerte Saurierknochen untersucht worden.

Es sind gleich mehrere Kisten, die Rosendahl, eine Mitarbeiterin der Universität Heidelberg und Sebastian Voigt vom Urweltmuseum GEOSKOP auf Burg Lichtenberg (Pfalz) ins Uniklinikum gebracht haben. Insgesamt sechs Objekte sollen an diesem Tag untersucht werden. Dabei hilft Stefan Schönberg, Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, sei sein Haus doch für innovative Konzepte bekannt. „Wir unterstützen gerne die Forschung“, sagt er. Das passe „gut in unsere klinische Motivation, bildgebende Verfahren für schonende Diagnostik und Therapie einzusetzen, etwa bei Krebspatienten“. Nun gehe es eben darum, zerstörungsfrei archäologische Funde zu durchleuchten.

Das modernste Gerät auf der ganzen Welt

Schönberg stellt dafür ein von Siemens entwickeltes Healthineers Photon-Counting Computertomographie-Gerät „Naeotom Alpha“ zur Verfügung. „Supermodern, absolut revolutionär, das Beste, was es derzeit gibt“, erläutert Oberarzt Matthias Frölich. Die Mannheimer Universitätsmedizin sei 2022 „weltweit einer der ersten Standorte gewesen, wo es installiert worden ist“, hebt Frölich hervor. Das Gerät liefere bei weniger hörbarem Rauschen für den Patienten „ultra-hochauflösende Aufnahmen, höhere Kontraste, bisher unerreicht detaillierte Bilder“ und erspare einen vorher nötigen Zwischenschritt, erklärt Stefan Schönberg.

Reiss-Engelhorn-Museen: Ausstellungen 2025

21.9.2025 bis 6.4.2026: „Aufgetaucht!“: Philipp Klein im Kreis der Impressionisten.

12.10.2025 bis 2.8.2026: Saurier – Faszination Urzeit

25.10.2025 bis 21.6.2026: Marta Klonowska „Glasmenagerie“

15.11.2025 bis 5.7.2026: Fotoausstellung Margaret Courtney-Clarke „Geographies of Drought“.

Derzeit laufen noch:

Bis 27.7.2025: „Essen und Trinken - Reisen durch Körper und Zeit“

Bis 6.7.2025: Fotoausstellung Gabriele Galimberti „In Her Kitchen“

Bis 6.7.2025: „Zum Wohl! Gläserne Trinkgeschichten

Bis 25.5.2025: „Ein Kurfürst auf Zukunftskurs - Carl Theodor zum 300. Geburtstag“.

Bis 27.4.2025: „SACHLICH NEU“ Fotografien von August Sander, Albert Renger-Patzsch & Robert Häusser. pwr

Nun – das Geräusch des Geräts hören die Exponate von Rosendahl nicht mehr, und er ermuntert die Radiologen auch, die höchste Strahlendosis einzusetzen. „Unsere Patienten erdulden einiges“, scherzt er. Er erhofft sich von der Untersuchung „dreidimensionale Datensätze für unsere Forschung“. Sie würden nicht nur weitere Erkenntnisse über die vielgestaltigen Urzeit-Herrscher bringen, die Millionen von Jahren alle Lebensbereiche der Erde besiedelten. „Wir können für die Ausstellung auch dreidimensionale Repliken erstellen, die man anfassen kann – das ermöglicht neue Museumserlebnisse neben den Originalen, die wir zeigen“, kündigt er an.

Auch Sebastian Voigt vom Urweltmuseum GEOSKOP freut sich, dass die Universitätsmedizin die Forschung unterstützt. „Man kann die Funde ja nicht zerstören, aufbohren, aufsägen und ins Innere schauen – aber mit der modernen Technik geht das“, so Voigt.

Was er und Rosendahl untersuchen lassen, sind versteinerte Knochen. „Organisch ist da nichts erhalten“, so der Generaldirektor. Voigt hat neben einem nahezu unversehrten Skelett einer noch nicht wissenschaftlich definierten urzeitlichen Spezies unter anderem zwei Schädel vom Stenokranio boldi mitgebracht. Die Versteinerungen sind 300 Millionen Jahre alt, also aus dem Oberkarbon, aber erst 2013 und 2018 in einem Steinbruch am Remigiusberg im Kreis Kusel entdeckt und von einem internationalen Forscherteam als neue Ursaurierart identifiziert worden.

Ein Lurchschädel aus dem Odenwald

„Das nach seiner speziellen Kopfform benannte Tier war eines der größten Raubtiere seiner Zeit“, sagt Sebastian Voigt. Stenokranio wurden etwa anderthalb Meter lang, hatten einen großen, flachen Schädel mit vielen spitzen Zähnen. Die Saurierart ernährte sich von Fischen und anderen Ursauriern. „Er ist ein ausgestorbener Vertreter der Temnospondyli – einer Gruppe von Amphibien, die im Erdaltertum besonders artenreich war“, ergänzt Wissenschaftler Jan Fischer vom GEOSKOP: „Als Amphib vermochte das Tier im Wasser und an Land zu leben“, so Fischer.

Es habe als Lauerjäger in und am Rande tropischer Gewässer gelebt. „Ein Vorgänger der späteren Krokodile“, beschreibt Rosendahl das Urvieh. Laut Voigt ist es „Teil der ältesten gut belegten Ursauriergemeinschaft Europas, die vom Remigiusberg bei Kusel in der Westpfalz stammt“. Rosendahl freut sich, wenn er mit diesen aktuellen und doch uralten Funden seine Ausstellung bereichern kann.

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Ebenso in den Computertomopgrafen geschoben worden sind Überreste vom „Odenwaldia heidelberensis“. Das Exponat stammt aus der Geologisch-Paläontologischen Sammlung des Museums des Instituts für Geowissenschaften der Universität Heidelberg. Der Steinkern des Lurchschädels wurde Anfang der 1960er-Jahre im Odenwald entdeckt. „Dieses große Amphibium ist 248 Millionen Jahre alt und stammt aus der älteren Triaszeit, auch Buntsandsteinzeit genannt“, beschreibt Rosendahl den Fund und stellt auch gleich einen spannenden Zusammenhang her: „Die roten Sandsteine an älteren Gebäuden der Region, etwa dem Rosengarten, ist aus Sandstein dieser Zeit, aus Buntsandstein“.

Odenwaldia gehört laut Rosendahl zu den Capitosauriern. „Das waren große, räuberisch lebende Amphibien. Als Lauerjäger, so wie Krokodile heute, haben diese Fische und kleinere Amphibien gejagt“, so der Generaldirektor über das Tier, das eine Länge von rund 1,5 Metern erreicht hat und damit „zur Gruppe der größten Amphibien gehört, welche es in der Erdgeschichte gab“. Und diese Erdgeschichte will er ab dem 12. Oktober anhand zahlreicher versteinerter Lebensreste, Skelette, lebensechter Rekonstruktionen und Präparate vorstellen.

Redaktion Chefreporter

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