Nachhaltigkeit

Was hinter Mannheims Local Green Deal steckt

Für die einen ist es ein innovatives Zukunftskonzept, für die anderen Firlefanz: Mannheims Local Green Deal. Hier erklärt die Leiterin, was das Ganze soll.

Von 
Martin Geiger
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Der zusätzliche persönliche Beitrag des Local-Green-Deal-Teams zur nachhaltigen Stadtentwicklung: In ihrer Freizeit haben die Managerinnen und Manager die Grünfläche vor dem Rathaus neu bepflanzt. © Stadt Mannheim

Mannheim. Frau Geiser, was ist der Local Green Deal?

Judith Geiser: Mit dem Local Green Deal will die Stadt Mannheim – abgeleitet vom europäischen Grünen Deal – die Klimaneutralität mit konkreten Beiträgen der Stadtgesellschaft schneller erreichen: Mannheim soll nachhaltiger, gesünder und noch lebenswerter werden. Dafür arbeitet eine interdisziplinäre Gruppe der Stadtverwaltung, die im Kern aus acht sogenannten Managerinnen und Managern besteht, intensiv mit gesellschaftlichen Gruppen zusammen.

Was ist ihre Aufgabe?

Geiser: Die Manager sollen zusätzliche Projekte aus der Bürgerschaft für den Klima-, Natur- und Umweltschutz anregen und die Umsetzung begleiten. Wir als Stadtverwaltung können die ehrgeizigen Klimaziele nicht allein erreichen: Wir brauchen Menschen, die den Weg mit uns gehen. So können wir alle zusammen Mannheim dabei unterstützen, ab 2030 klimaneutral zu werden.

Gibt es dafür nicht den Klimaschutz-Aktionsplan?

Geiser: Doch. Aber erstens arbeitet das Local-Green-Deal-Team an 30 Maßnahmen aus dem Klimaschutz-Aktionsplan aktiv mit. Und zweitens ist unser Ansatz breiter: Wir kümmern uns nicht nur ums Klima, sondern um alle Facetten der Nachhaltigkeit. Die haben wir in acht Handlungsfelder aufgeteilt. Und für jedes Feld gibt es eine Managerin oder einen Manager mit Fachexpertise.

Welche acht Felder sind das?

Geiser: Erstens natürlich „Ambitionierte Klimaziele“. Hier geht es um Klimaschutz und Klimafolgenanpassung. Zweitens „Saubere Energie“. Drittens „Nachhaltige Wirtschaft“, die möglichst Ressourcen schonend arbeitet und Stoffe wiederverwendet. Viertens „Umweltfreundliche Mobilität“. Fünftens „Zukunftsfähiges Bauen“ mit ressourcenschonenden und bezahlbaren Bauweisen. Sechstens „Landnutzung und Lebensmittel“ für gesunde, faire und umweltfreundliche Lebensmittel aus der Region. Siebtens „Biodiversität und Ökosysteme“ mit dem Ziel, eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt zu erhalten. Und Achtens „Schadstofffreie Umwelt“.

Judith Geiser leitet die Geschäftsstelle des Local Green Deal. © Martin Geiger

Wie viele Projekte haben Sie seit dem Start im Februar 2023 begleitet?

Geiser: Insgesamt mehr als 230. Wir haben bestehende Projekte sichtbar gemacht, die seit 2021 auf unsere Aktionsfelder einzahlen, und darüber hinaus neue Projekte angestoßen, unterstützt und umgesetzt. Die kann man sich übrigens alle auf unserer Internetseite www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de anschauen.

Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?

Geiser: Klar! Eines der beliebtesten sind die Gemeinschaftsäcker: Wir haben festgestellt, dass es Gruppen in Mannheim gibt, die furchtbar gerne urban gärtnern, aber kaum Angebote in der Stadt finden. Darum haben wir alle Akteure an einen Tisch geholt und so letztlich erreicht, dass dieses Jahr in Neuhermsheim ein neues Gebiet ausgewiesen wird: Dort können rund 120 Menschen auf einer Fläche von 6.000 Quadratmetern gärtnern. Und auf Spinelli könnte demnächst etwas ähnliches entstehen. Zudem hat der Gemeinderat Geld bereitgestellt, damit die Gruppen zum Beispiel bei der Wasserversorgung unterstützt werden können.

Was fällt Ihnen noch ein?

Geiser: Ein neues umweltfreundliches Altöl-Recyclingverfahren: Ein Mannheimer Unternehmen - ich nenne mal keinen Namen, weil ich niemanden bevorzugen will - hat einen innovativen Ansatz entwickelt, um mineralische Altöle mit weniger Energieeinsatz und geringeren CO₂-Emissionen aufzubereiten. Hier haben wir bei der Vernetzung mit möglichen Partnern unterstützt und so die Mindestmenge Altöl erreicht, mit der die Anlage wirtschaftlich betrieben werden kann.

Aber das wurde doch nicht wegen Ihnen gemacht, sondern aus unternehmerischen Erwägungen.

Geiser: Das stimmt, aber das Vorhaben hat sich aus einem Gespräch mit uns heraus entwickelt. Wir sind auf Unternehmen in der Stadt zugegangen, um mit ihnen über Nachhaltigkeit zu sprechen. Und wenn die Unternehmen Interesse signalisiert haben, haben wir mitgeholfen, damit aus den Ansätzen möglichst schnell ein konkretes Projekt wird. Das ist die Grundidee des Local Green Deals: Mit vielen kleinen Projekten überall im Stadtgebiet Impulse setzen.

Local Green Deal

Judith Geiser wurde 1968 geboren . Sie ist studierte Diplom-Verwaltungswirtin .

Bei der Mannheimer Stadtverwaltung arbeitet sie seit 1991. Bevor sie Leiterin des Local-Green-Deal-Teams wurde, war sie Abteilungsleiterin für Digitale Strategie im Fachbereich Informationstechnologie.

Weitere Informationen zum Local Green Deal sowie zu Beteiligungsmöglichkeiten gibt es im Internet unter: www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de

Viel mehr können Sie auch nicht, weil sie kein eigenes Budget haben, oder?

Geiser: Wir bringen kein Geld mit, das ist richtig. Aber wir können informieren, beraten, vernetzen und Impulse geben. Und wir können vermitteln und Türen öffnen: Wir sind Ermöglicher.

Inwiefern?

Geiser: Ein weiteres Beispiel: Ein Unternehmen hat einen neuen Beton entwickelt, bei dessen Herstellung weniger CO₂ anfällt als sonst. Den durften sie aber in Baden-Württemberg nicht herstellen, weil er nicht zugelassen war. Da haben wir ihnen geholfen, die richtigen Ansprechpartner im Ministerium zu finden – und jetzt ist der Beton zugelassen. Davon profitiert das Unternehmen, davon profitiert die Umwelt und davon profitiert Mannheim. Solche Beispiele sichtbar zu machen, gehört auch zu unseren Aufgaben.

Warum?

Geiser: Weil Sichtbarkeit für viele wichtig ist. Für Unternehmen beispielsweise, weil sie ihren Mannheimer Standort damit gegenüber anderen aufwerten und ein Bekenntnis zur Stadt abgeben können. Es hilft aber auch Interessierten zu sehen, was alles möglich ist – und sich das Beste davon auszusuchen. Zudem bilden sich Kontakte: Andere Firmen, die über ähnliche Projekte nachdenken, können sich bei den Vorreitern nach deren Erfahrungen erkundigen. So entstehen ganze Netzwerke wie etwa unser „Klimanetz“, bei dem mittelständische Firmen von Experten auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit begleitet werden. Da ist die Nachfrage so hoch, dass wir schon das zweite Netzwerk planen.

Mit solchen Plaketten sind vor Kurzem 39 Mannheimer Unternehmen ausgezeichnet worden, die sich besonders für Nachhaltigkeit einsetzen. © Christoph Blüthner

Haben Sie bislang eigentlich nur Unternehmen angesprochen?

Geiser: Nein, wir arbeiten mit vielfältigen Akteuren zusammen: Neben Unternehmen etwa mit Kirchen, Vereinen, Verbänden, Bildungseinrichtungen und Initiativen. Nun wollen wir auch verstärkt einzelne Bürgerinnen und Bürger ansprechen, zum Beispiel mit unserem neuen Deal-O-Mat.

Was ist das?

Geiser: Eine Anwendung auf unserer Internetseite. Sie zeigt ganz einfache Möglichkeiten auf, um den eigenen Alltag nachhaltiger zu gestalten. So kann jeder Einzelne seinen persönlichen Deal abschließen – und dadurch mithelfen, die Natur zu schützen und Mannheim lebenswerter und resilienter zu machen. Darum geht es im Endeffekt.

Wenn Sie sich auch an ganz normale Menschen richten wollen, warum verwenden Sie dann nicht deren Sprache? Das mit den Deals versteht doch keiner. Manche denken sofort an Drogen…

Geiser: Die Anglizismen machen es nicht einfacher, die Bürgerschaft zu erreichen, das sehen wir auch. Darum versuchen wir offensiv damit umzugehen und immer wieder zu übersetzen, sprechen etwa vom lokalen grünen Deal oder von Beiträgen anstatt Deals. Aber ganz weglassen können wir sie nicht, weil wir Teil eines europäischen Projekts sind: Wir sind Pilotstadt der EU für den Local Green Deal und müssen regelmäßig über unsere Arbeit auf europäischer Ebene berichten.

Kommentar Local Green Deal: Klingt wie Firlefanz, ist es aber nicht

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Auf die EU geht der ganze Ansatz ja auch zurück.

Geiser: Ja, der Local Green Deal ist quasi die Antwort der Kommunen auf den Green Deal der EU, also deren zentrales Programm zur Erreichung der Klimaneutralität 2050 und zur nachhaltigen Stärkung der Wirtschaft: Die beteiligten Städte wollen damit zeigen, wie sie das EU-Programm aufgreifen und umsetzen.

Und was ist Ihr persönlicher Deal bei der ganzen Sache?

Geiser: Das Local-Green-Deal-Team hat zusammen die Grünfläche zwischen Rathaus und Reiss-Engelhorn-Museen neu bepflanzt. Außerdem bespielen wir in diesem Sommer die U-Halle auf dem ehemaligen Buga-Gelände mit Veranstaltungen und bringen dort verschiedene Akteure zusammen.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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