Mannheim. Als Somayeh Mousavinejad ihre Hand zur Begrüßung ausstreckt, strahlt sie über das ganze Gesicht: „Meine Mutter hat immer zu mir gesagt, dass ich nie vergessen soll, zu lächeln“, sagt die 39-Jährige. Sie ist seit fünf Jahren in Deutschland, war noch nie zuvor in Europa: „Ich wollte hier eine neue Heimat finden und hatte keine Ahnung, was hier passieren würde, wie es hier ist“, sagt sie. Finanziell hat sie damals im Iran keine Probleme: „Ich komme aus einer Akademiker-Familie, habe studiert und war Lehrerin.“ Doch es ist etwas anderes, das ihr Leben dort für sie unmöglich macht: „Ich durfte nie sagen, was ich denke.“

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Im Iran ist Somayeh Mousavinejad schon lange aktiv, wenn es um die Rechte von Frauen geht: „Meinen Schülerinnen habe ich immer versucht, die nötige Stärke zu geben, dann hieß es, ich solle den Mund halten, und ich bekam mit der Regierung Probleme.“ Nicht nur als Frau, auch in anderen Bereichen sei ihre Freiheit sehr eingeschränkt gewesen: „Ich sollte in die Moschee gehen und beten, zweimal wurde ich gezwungen, dabei bin ich gar keine Muslima. Im Iran darf man in der Moschee keinen Nagellack tragen, das wurde kontrolliert.“
Heimliche Abreise
Ihre sieben Brüder, die drei Schwestern, nicht einmal die eigene Mutter weiß bis zur letzten Minute von ihrem Entschluss, die Heimat zu verlassen: „Mutter war sehr traurig, hat aber verstanden, dass ich es machen muss.“ Rund um das Neujahrsfest im März 2018 verschwindet sie, hat zu den zwei Wochen, in denen ihre Schule geschlossen ist, noch zwei Wochen Urlaub beantragt. Auf eine Einladung ihres Cousins bekommt sie ein Visum für einen Monat. Der anschließende Asylantrag wird abgelehnt: „Doch ich durfte bleiben und nach sechs Monaten auch arbeiten.“ Durch die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen findet sie ihren ersten Job im Marchivum, erhält 80 Cent Stundenlohn: „Sechs oder sieben Monate habe ich so gearbeitet.“ Schließlich bekommt sie dort eine Teilzeitstelle und verdient monatlich 800 Euro, eineinhalb Jahre scannt sie Dokumente ein.

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Am 1. Mai 2022 tritt Somayeh Mousavinejad eine neue Stelle an, arbeitet im Technischen Rathaus in der Zensus-Erhebungsstelle. Und im September 2022 beginnt sie ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten - obwohl sie anerkannte Absolventin eines Bachelor- und Masterstudiengangs in Englisch ist. Die Ausbildung bricht sie ab, sucht zwei Monate einen neuen Job - den sie im Dezember 2022 in Ladenburg findet: „Dort arbeite ich im Rathaus“, sagt sie. Zunächst am Empfang, inzwischen hilft sie in der technischen Verwaltung mit. Parallel macht sie den Deutschkurs C1. „Es liegt alles an der Sprache.“ Sie ist über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt, hofft, bald übernommen zu werden: „Ich habe mich beworben.“
Vergiftungen an iranischen Hochschulen
„Es tut mir so weh“, sagt sie, wenn sie an den gewaltsamen Tod von Mahsa Amini denkt: Die 22-Jährige war im September 2022 im Iran verhaftet worden, weil sie den Hidschab angeblich nicht korrekt getragen hatte. „Junge Menschen können sich im Iran nicht entwickeln, ich bin so froh, dass die Menschen jetzt Widerstand leisten, und stolz auf alle Iranerinnen. Ich hoffe, dass sich etwas ändert.“
Mit Sorge verfolgt sie die Nachrichten, auch die Gespräche mit ihrer Familie im Iran machen sie traurig: „Mein Neffe hat von Lebensmittelvergiftungen an der Universität berichtet“, sagt sie: Die Fälle von Massenvergiftungen hatten sich zuletzt gehäuft - Studierende im Iran beschuldigen dabei die Behörden, sie vorsätzlich vergiftet zu haben, um sie an Protesten zu hindern.

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„Im Iran haben wir viele starke Frauen, wir geben nicht auf“, sagt sie. Etwas, das sie auch in Deutschland nicht tun möchte: „Ich fühle mich hier wohl, aber wenn ich tiefer schaue, bin ich hier einfach eine Ausländerin, das ist enttäuschend.“ Viele Menschen glauben hier, Menschen aus dem Iran seien nicht gebildet: „Aber alle meine Brüder haben studiert, eine meiner Schwestern leitet ein Gymnasium, eine andere ist Lehrerin, die dritte ist Hausfrau, weil sie nicht arbeiten muss.“ Zu ihrer Familie hat sie regen Kontakt. „Ich würde sie gerne wiedersehen.“ Ihre Mutter wird sie allerdings nicht mehr treffen können, sie ist im vergangenen Jahr verstorben - sie haben sich nicht mehr gesehen.
Schwierige Job-Politik
Sie selbst sei eine Frau, die gerne arbeitet: „Aber allein bei der Stadt Mannheim hatte ich zehn Vorstellungsgespräche, immer hieß es, ich würde ja die deutschen Unterlagen nicht kennen. Doch ich habe Erfahrung, ich will arbeiten“, sagt sie bestimmt. Manchmal habe man ihr auch gesagt, dass sie zu qualifiziert sei: „Aber ich finde trotzdem keinen Job, warum?“ Vieles habe mit Job-Politik zu tun: „Da muss man Glück haben, aber ich habe bisher keins.“ Obwohl sie sich in diesem Punkt „unfair behandelt“ fühlt, ist sie auch dankbar: „Allen, die mir geholfen haben. Es war nicht einfach als Frau, einen Job oder eine Wohnung zu finden.“ An vielen Stellen habe sie Unterstützung gehabt: „Auch in der Abendakademie, dort wurde ich noch selbstbewusster.“
Dass Frauen aktiv sein können, liebt die 39-Jährige hier: „Draußen Radfahren, das durften wir im Iran nicht.“ Über ihre Schule spielt sie früher Handball, professionell: „Aber ich hier noch kein passendes Team gefunden, vielleicht meldet sich jemand“, hofft sie. Hat sie einen Wunsch? „Ein Lächeln auf dem Gesicht jedes Deutschen. Das brauchen wir Ausländer, um besser atmen zu können. Ich habe nächtelang nachgedacht, wo ich hingehöre. Ich glaube, ich habe meinen Weg gefunden.“ Bald will sich Somayeh Mousavinejad einbürgern lassen.
Wer in Mannheim bietet Integrationskurse an?
In Mannheim bieten verschiedene Träger Integrationskurse an. Die Kursträger helfen auch bei Fragen zu den Integrationskursen, zur Anmeldung und Teilnahme.
- Mannheimer Abendakademie und Volkshochschule GmbH U1, 16 - 19, Tel.: 0621/10 76 16 6, E-Mail: deutsch@abendakademie-mannheim.de
- AWO Kreisverband Mannheim e.V. Murgstr. 3, Tel.: 0621 / 338 19 43, E-Mail: g.bornhoffer@awo- mannheim.de
- Büro für Aus- und Weiter- bildung Mannheim (BfAW) P3, 6, Tel.: 0621 / 25 24 4, E-Mail: info@bfaw.de
- Goethe-Institut Mannheim Oskar-Meixner-Str. 6, Tel.: 0621 / 83 38 52 8, E-Mail: integrationskurs@goethe.de
- integra - Der Bildungsträger GmbH Q1, 7 und Hans-Thoma-Str. 34, Tel.: 0176 / 20 77 22 90, E-Mail: ik-mannheim@integra-dbt.de
- Internationaler Bund e.V. Neckarauer Straße 106 - 116, Tel.: 0621 / 81 98 17 2 oder 0621 / 81 98 31 2, E-Mail: Sprachkurse-mannheim@ib.de
- Katholische Familienbildungsstätte (Caritasverband Mannheim) L2, 7 - 8, Tel.: 0621 / 15 56 33, E-Mail: integrationskurse@ caritas-mannheim.de
- Sprachschule Heesch (Gehörlosen-Kurse) Lutherstr. 15-17, Tel.: 0211 / 36 77 66 54, E-Mail: info@sprachschule-heesch.de
- USS impuls gGmbH Fabrikstationstr. 20, Teil.: 0621 / 78 99 77 61, Mail: info.rnk@uss.de
- DRK KV Mannheim e.V. E 1, 16,Tel.: 0621 / 8 33 70 43 18, E-Mail: michael.gelb@ mannheimer-akademie.de
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