Für Kinder ist das Ponykarussell auf der Maimess in Mannheim zumeist ein Riesenspaß, für Tierschützer ein mindestens genauso großes Ärgernis. Sie kritisieren eine nicht artgerechte Haltung der Tiere. Die Ponys müssten stundenlang im Kreis laufen, was Gelenke und Wirbelsäule schädige. Die Ponys seien einer enormen psychischen Belastung ausgesetzt. Dazu der Lärmpegel bei Volksfesten und ständig wechselnde Menschen auf dem Rücken.
Andererseits hängen Existenzen an solch einem Betrieb. So wie die des Reitpalasts Bügler aus Bad Kreuznach, der derzeit mit seinem Ponykarussell auf der Maimess Halt macht. „Bubi hat Feierabend, ich hol’ den Paul“, schreit ein Mitarbeiter von draußen ins Kassenhäuschen, wo wir uns bei unserem unangekündigten Besuch mit Betreiber Dominikus Bügler unterhalten. Schichtwechsel in der Manege.
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Seinen Standplatz hat das Ponykarussell in einer der ruhigeren Ecken auf dem Neuen Messplatz. „Lärm wollen wir nicht“, betont Bügler. Zwölf Ponys hat er auf der Maimess mit dabei. Jeweils fünf laufen gleichzeitig auf der Reitbahn, die laut Bügler einen Durchmesser von 11,5 Metern hat. Vorgeschrieben sind zehn. Dabei wechsele er die Ponys regelmäßig aus. Zwei bis drei Stunden würden die Tiere höchstens laufen. Ein Maximum von vier Stunden darf nicht überschritten werden. Auch die Richtung werde zum Ausgleich der monotonen Bewegungen regelmäßig gewechselt. Bügler beweist das alles anhand von Fotos auf seinem Handy. Die Bilder mache er vorsichtshalber, damit ihm im Zweifel keiner etwas anlasten könne.
Peta kritisiert Stadt Mannheim für Nutzung von Ponykarussells
Bügler zeigt die Stallungen. Zehn Boxen sind es, in denen die Tiere ausreichend Platz zu haben scheinen. Die Shetland-Ponys teilen sich eine Box, erzählt Bügler. „Die Shettys sind nicht so gerne alleine“, erklärt er. Etwas abseits vom Trubel der Mess befindet sich auf einer Wiese in der Heinrich-Zille-Straße die Freifläche. 28 Meter Durchmesser beträgt die Auslauffläche für die Tiere. Das sind etwa 615 Quadratmeter.
Im Ponykarussell ist der Andrang derweil groß. Es vergeht kaum eine Minute, in der Bügler keine Tickets verkauft. Er freut sich über den Zuspruch. Weniger trifft das auf die Kritik zu, die ihn ständig erreiche. „Welches Pferd ist belastet von denen?“, fragt er. Fachleute hätten beispielsweise noch nie eine einseitige Veränderung der Hufen festgestellt. Bügler erklärt: „So lang der hintere Fuß in den Abdruck des vorderen Fußes tritt, läuft ein Pferd nicht im Kreis, sondern geradeaus.“ Das ist bei Büglers Ponys der Fall und zu erkennen. „Der Radius ist so ausgelegt, dass das nicht passieren kann“, betont er.
„Wir haben Ponys, die sind zwischen 15 und 20 Jahre. Zeigen Sie mir ein Reitpferd oder Pony in privater Haltung, das in diesem Zustand ist“, sagt Bügler. Tierschützer wollten das oft nicht sehen. „Sie sollen es sich anschauen. Aber sie suchen das Gespräch nicht. Und wenn, braucht man meistens nicht mit denen zu reden - egal, was ist, du bekommst eh kein Recht“, beklagt Bügler.
Die Tierrechtsorganisation Peta kritisiert die Stadt Mannheim, weil die Ponykarussells auf ihren Volksfesten zulässt. „Die Ponys laufen Nase auf Hintern. Dazu die nicht artgerechte Haltung. Das ist in unseren Augen Tierquälerei“, sagt Peter Höffken, Fachreferent bei Peta, dieser Redaktion. Die Rede ist gleichzeitig von einem Verbotsbeschluss, den der Gemeinderat im Dezember 2022 getroffen haben soll, der aber nicht umgesetzt werde. „Es kann nicht sein, dass sich die Stadtverwaltung einfach über einen demokratischen Beschluss hinwegsetzt, um die für die Tiere leidvolle ‚Kinderattraktion‘ weiter zu dulden“, sagt Höffken.
Stadt Mannheim hat Verbot von Ponykarussels nicht beschlossen
Richtig - und wichtig - ist in dem Zusammenhang zu betonen, dass das Verbot nie beschlossen wurde. Zwar war im Dezember 2022 eine Mehrheit im Hauptausschuss dafür, doch wies der ehemalige Oberbürgermeister Peter Kurz bereits damals darauf hin, dass es hohe rechtliche Hürden gebe. So schickte er den gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen und LI.PAR.Ti zur Prüfung in die Verwaltung. Ende des vergangenen Januars wurde auf Anfrage der SPD erneut über das Thema gesprochen. Die rechtlichen Bedenken blieben, eine Umsetzung somit nicht möglich, sagte der damalige Bürgermeister Michael Grötsch.
Die Betreiber handeln nach dem Gesetz - leider.
Die Gewerbeordnung schreibe vor, dass für alle Standplatz-Bewerber das gleiche Recht gelte. Eine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung von Reitbahnen liege nicht vor. Auch im Tierschutzrecht gebe es keine Grundlage zum Verbot, nur Vorgaben, wie die Tiere zu halten und zu behandeln seien. Bei Kontrollen hätten sich dahingehend in Mannheim bisher noch keine Verstöße feststellen lassen. „Das Veterinäramt kontrolliert streng und engmaschig“, versicherte Grötsch.
„Die Betreiber handeln nach dem Gesetz - leider“, sagt Peta-Referent Höffken. Das gelte zwar auch für die Stadt. Er denkt aber, dass die sich hinter möglichen rechtlichen Konsequenzen versteckt, und fordert, „dass die Stadt ihrer Verantwortung und dem Verbotsbeschluss hinterherkommt“. Trotz der Rechtslage bestehe ein Gestaltungsspielraum, etwa über die Vergaberichtlinie. Höffken verweist auf die Städte Ludwigshafen und München, denen es gelinge, ein Verbot umzusetzen.
Aus 1200 Bewerbungen von Schaustellern werden rund 140 von der Stadt Mannheim ausgewählt
Es gebe innerhalb dieses Ermessensspielraums Gesetze, an die es sich zu halten gelte, heißt es aus dem Mannheimer Rathaus dazu. Egal, ob ein Verbot über die gemeindliche Satzung oder die Vergaberichtlinie umgesetzt würde: „Die Voraussetzungen im Hinblick auf einen Ausschluss sogenannter Ponykarussells dürften nicht erfüllt sein“, sagt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage.
1200 Bewerbungen von Schaustellern kommen pro Mess, davon werden rund 140 Betreiber ausgewählt, hatte Christine Igel, Geschäftsführerin des Veranstalters Event & Promotion, im Vorfeld der Maimess berichtet. Nach welchen Kriterien die Auswahl getroffen wird und wieso sich Event & Promotion im Falle des Ponykarussells nicht für einen anderen Betreiber entschieden hat, bleibt auf Anfrage unbeantwortet. „Die Standplätze werden gemäß Gewerbeordnung nach Branchen vergeben“, heißt es lediglich.
Es sind meine Tiere. Es steckt viel Arbeit und Herz dahinter. Ich habe eine emotionale Bindung zu den Ponys.
Also darf auch der Reitpalast Bügler wieder auf der Maimess dabei sein. Seit 1965 schon bietet die Familie ein Ponykarussell auf solchen Veranstaltungen an. Büglers Vater hatte damit begonnen. Sein heute 66-jähriger Sohn Dominikus ist mit hineingewachsen, genauso wie dessen heute 42-jähriger Sohn und der zwölfjährige Enkel. Pro Jahr ist er mit seinem Ponykarussell nur noch auf fünf Veranstaltungen unterwegs, sagt er. Es reiche gerade mal aus, um den Betrieb zu unterhalten.
Zuhause in Bad Kreuznach betreibt Bügler einen Reiterhof. 24 Ponys hat er, die ihn abwechselnd auf die Veranstaltungen begleiten. „Es sind meine Tiere. Es steckt viel Arbeit und Herz dahinter. Ich habe eine emotionale Bindung zu den Ponys“, sagt Bügler: „Wenn ich etwas falsch machen würde, würde ich mir ins eigene Fleisch schneiden.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ponykarussells auf Volksfesten: Alternative Wege finden!