Mannheim. „Ich weiß nicht, wie es ab Februar weitergehen soll“, sagt Fatma Türk. Sie arbeitet am Klinikum, im Schichtbetrieb. Und ist dringend auf einen Hortplatz für ihren siebenjährigen Sohn angewiesen. Aber der Hort am Kinderhaus Kleine Riedstraße in der Neckarstadt-West, den der Junge besucht, schließt zum 31. Januar – ohne dass es Ersatz gibt. Nicht nur die Mutter ist völlig verzweifelt. Auch ihr Sohn leide unter der Ungewissheit und könne deshalb nicht mehr durchschlafen. Sie selbst fürchtet, dass sie nach 17 Jahren ihre Arbeit im aufgeben muss.
Dabei ist Fatma Türk kein Einzelfall. Gut 30 weitere Eltern sind von der Schließung betroffen. Dass ein Hort aus Personalmangel dicht macht, hat es bisher noch nie gegeben. Aber die Situation im Betreuungsbereich ist mittlerweile so angespannt, dass sich die Stadt dazu veranlasst sah. Und weil für Schulkinder (noch) kein rechtlicher Anspruch auf einen Platz besteht, in Kitas dagegen aber schon, versucht die Verwaltung, die angespannte Situation dort mit dem frei werdenden Personal aus Horten zu stabilisieren.
Das ist auch im Kinderhaus Neckarau der Fall, der zweiten Einrichtung, die wenige Tage später, zum 9. Februar, ihr Angebot einstellen wird. Dort sind 16 Eltern betroffen. Ihnen hat die Stadt angeboten, bei einer Caritas-Einrichtung einen Platz anzunehmen. Anders in der Neckarstadt. Auch hier sei man im Gespräch mit freien Trägern auf der Suche nach einem Ersatz. Aber die Situation sei schwierig, und „wir haben noch keine finale Lösung“, bedauerte Bürgermeister Dirk Grunert am Dienstag im Bildungsausschuss.
Der Förderverein Campus, der sich seit Jahren intensiv um Grundschulkinder im Stadtteil kümmert, kritisiert, die Schließung erschwere „nicht nur die Lage der Eltern dramatisch“, sondern man nehme „den Kindern die dringend erforderlichen Bildungschancen weg“.
Horte in Mannheim werden geschlossen: Keine Kriterien festgelegt
Es sei nun „eilig“, pragmatische Lösungen zu finden. Der Verein sieht als „tiefere Ursache“ für die aktuelle Problematik das Fehlen eines Ganztagsschulangebots in der Neckarstadt-West und fordert „eine mehrjährig stabile Brücke“ der Betreuung, „bis in einigen Jahren ein Ganztagsangebot kommt“. Der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei hält das Fehlen von Betreuungsalternativen für „nicht nachvollziehbar: Die Verwaltung solle zumindest nach anderen Horten im Stadtgebiet suchen, „wo die Kinder im Zweifelsfall per Bustransfer hinkommen können“.
Dass der erste Hort, der schließen muss, in der Neckarstadt-West und damit in einem Gebiet mit „vielfältigen Problemlagen“ liege, hatte die SPD-Fraktion bereits vor einer Woche kritisiert. Der Förderverein Campus sieht das genauso. Das wirft die Frage auf, nach welchen Kriterien die Stadt die zu schließenden Horte ausgewählt hat.
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Die Verwaltung antwortet dem „Mannheimer Morgen“, dass es dazu „keine zuvor festgelegten Kriterien“ gebe – auch nicht der jeweilige Sozialraum. Sie begründet: Beide Einrichtungen seien bereits das ganze Jahr 2023 über in Krippe, Kita und Hort „in einer prekären personellen Lage“ gewesen. Zuletzt habe man trotz Einsatz von Springkräften und Zusatzkräften, „konsequenter Stellenausschreibungen“ sowie „Umsetzungen von Fachkräften innerhalb der Einrichtungen und zeitweise aus anderen Einrichtungen“ die „personellen Lücken nicht ausreichend“ schließen können.
Auch ein Umsetzen von Personal aus Einrichtungen mit älteren Kindern sei keine Lösung, antwortete die Verwaltung auf eine weitere Frage. Sie hält das Risiko für zu hoch, „stabiles Personal durch eine erzwungene Umsetzung zu verlieren“. Das bekräftigte auch Dirk Grunert im Ausschuss: Wenn Erzieherinnen in einem bestimmten Hort nicht arbeiten wollten, „können wir das nur entweder akzeptieren, oder diese Person würde uns absehbar verlassen“. Schließlich gebe es mutmaßlich „allein im Stadtkreis Mannheim 300 offene Stellen, wo sie hingehen könnten“. Deshalb, so Grunert, „mussten wir einfach dort schließen, wo tatsächlich das Personal weggebrochen ist“.
In dieser schwierigen Lage von der Stadt „gänzlich alleingelassen“ fühlen sich Eltern der Neckarstadt, das hatte vor ein paar Tagen ein Vater gesagt. Die Betroffenen aus Neckarau empfänden das ähnlich, betont Beirätin Bianca Rennecke. Die Elternvertretung sei am 15. Dezember, die Eltern selbst seien in der Woche vor Weihnachten schriftlich über die Schließung informiert worden. Die Bitte des Elternbeirats an die Stadt, Eltern mit dem Brief zugleich Anlaufstellen, Ansprechpartner und alternative Möglichkeiten zu nennen, sei nicht erfüllt worden.
Hort schließt - Eltern „nicht wertgeschätzt gefühlt“
Die Einrichtungsleitungen hätten „zuverlässig“ als Ansprechpartner „zur Verfügung gestanden“, und man investiere „sehr viel Zeit, um die einzelnen Kinder und Familien in weitere Systeme zu überführen“, hält die Stadt dem entgegen. Die Kritik der Eltern kam auch im Ausschuss zur Sprache. Kathrin Kölbl (FDP) teilte mit, „dass Eltern sich da nicht wertgeschätzt gefühlt haben mit ihren Sorgen und der Art und Weise, wie die Informationen an sie gekommen sind“. Andreas Müller, kommissarischer Leiter des städtischen Fachbereichs Tageseinrichtungen für Kinder, räumt ein, dass eine solche Nachricht kurz vor Weihnachten für Emotionen sorge: „Aber ich persönlich sehe kein Versäumnis im Rahmen der Kommunikation.“
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