Mannheim. Die zwei Leinen werden gelöst, ein Motor heult kurz auf, und dann geht es los – ganz langsam schwimmt die „Zander“ davon. Das Gütermotorschiff OHF 207 nimmt sie im Mühlauhafen längsseits, schleppt sie mit ihren zwei je 520 PS starken Motoren zur Firma Schrott Wetzel im Rheinauhafen. So endet die ungewöhnliche Geschichte eines Landungsboots der Marine mitten im Binnenland. Es diente als schwimmendes Vereinsheim der Marinekameradschaft. Nun wird es verschrottet.

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„Ein spannender Job ist das schon, wir haben so etwas noch nie gemacht“, kommentiert Michael Dietrich, Abteilungsleiter Technik der Staatlichen Rhein-Neckar-Hafengesellschaft Mannheim (HGM), den Vorgang. Das sei „kein ganz normaler Transport“, so Dietrich. Daher fährt auch die Wasserschutzpolizei voraus auf der etwa 16 Kilometer langen Strecke zu Berg, und das HGB-Arbeitsschiff „Biber“ fährt hinterher. „Zur Sicherheit“, wie es der Abteilungsleiter formuliert.
Taucher dichtet Leck ab
Seine Leute unter Leitung von Jürgen Hans haben zuletzt viel Arbeit mit der „Zander“ gehabt. Sie sieht bereits sehr heruntergekommen aus. Farbe ist abgeblättert, viel Rost sichtbar. Schon Anfang der Woche hat die „Biber“-Mannschaft das rund 400 Tonnen schwere Landungsboot von seinem Liegeplatz am Verbindungskanal unterhalb vom Parkring in den Mühlauhafen geschleppt, damit – auch bei eventuell zunehmendem Hochwasser – der zuletzt mehrfach verschobene Transport jetzt klappt. Zuvor mussten die Hafenarbeiter einen Funkmast absägen, ein Taucherschweißte ein plötzlich entdecktes Leck zu, und es musste noch mal Wasser abgepumpt werden. „Wir müssen verhindern, dass es mit Wasser volläuft und sinkt“, so Dietrich.
Dass die „Zander“ so endet, findet Hafendirektor Uwe Köhn „schon schade, denn da war ja mal richtig viel Leben drauf“, bedauert er. Seit 2004 lag das frühere Landungsboot im Verbindungskanal. Es verfügte über einen in Mannheim hergestellten MWM-Motor, war 1964 von der Howaldt-Werft in Hamburg gebaut und als L 769 „Zander“ vom ersten Landungsgeschwader der damaligen Bundesmarine für die Verteidigung der dänischen und der deutschen Ostseeküste eingesetzt worden. Es konnte Minen legen oder bis zu drei Panzer – etwa den Flugabwehrpanzer „Gepard“ – tragen. Im Zuge der Reduzierung der Bundeswehr ab den 1990er Jahren verzichtete die Marine jedoch auf fast alle Landungsboote. Einige der 22 Boote des Typs wurden an Griechenland verkauft, andere abgewrackt.
Dass die „Zander“ damals der Verschrottung entkam und nach Mannheim gelangte, war dem mit dem Bloomaulorden geehrten Unternehmer Rolf Götz gelungen. Bis zum Ruhestand als Fregattenkapitän der Reserve und Navigationsoffizier noch oft im Auslandseinsatz für die Deutsche Marine unterwegs, sorgte er damals mit seinen guten Verbindungen dafür, dass das ausgemusterte Landungsboot zur Marinekameradschaft kam. Zuvor wurde es demilitarisiert, es fehlt also sämtliche Bewaffnung, und auch die Technik war stillgelegt – es sollte ja nur noch schwimmendes Vereinsheim sein. Aber nach der Auflösung der Marinekameradschaft hatte auch Götz keinen Kontakt mehr.
Museen wollten nicht
Der Verein hat nämlich schon 2018 seine Auflösung beschlossen. „Wir waren völlig überaltert, viele Mitglieder sind kurz hintereinander gestorben, Nachwuchs kam keiner mehr“, bedauert Gotthard Hauser, zuletzt Erster Vorsitzender der 1895 gegründeten Marinekameradschaft und nun ihr Liquidator. Das Landungsboot machte ihm viele Sorgen. „Ich habe fünf Jahre versucht, es bei einem Museum unterzubringen – aber vergeblich, keine Chance“, seufzt er. „Nun bleibt uns nichts anderes übrig als die Verschrottung“, sagt er traurig, und er hoffe, dass der Schrottwert vom Stahl wenigstens die Transportkosten deckt.
Aber auch der Hafen drängte darauf, dass jetzt etwas passiert. „Nach einem Vandalismus-Fall mussten wir reagieren“, betont Hafendirektor Uwe Köhn. Im Februar war ein Unbekannter in das schwimmende Vereinsheim der Marinekameradschaft eingedrungen, hatte an Bord alles verwüstet, Buntmetall abmontiert und gestohlen – darunter auch ein Seeventil. Daraufhin war Wasser eingedrungen und das Boot drohte zu sinken. „Es bestand die Gefahr, dass ölhaltiges Wasser austreten würde“, weiß Köhn noch. Daher rückte damals die „Biber“ an, pumpte den „Zander“ leer. Hafenarbeiter schlossen die Leckage und sicherten das ehemalige Landungsboot aufwendig.
Recyclingfirma übernimmt
„Aber dieser Zustand war nicht länger haltbar. Die Wiederholungsgefahr lag auf der Hand“, erklärt Köhn. Er äußert sich daher „froh, dass wir das Problem nun mit Hilfe eines großen Wasserbauunternehmens sowie einem namhaften Recycling-Unternehmen endgültig lösen können,“ so der Hafendirektor.
Der Hafen hatte laut Abteilungsleiter Michael Dietrich auch überlegt, die „Zander“ direkt am bisherigen Liegeplatz im alten Zollhafen, unterhalb vom Parkring, mit Autokränen aus dem Wasser zu heben und vor Ort zu zerkleinern, diese Idee aber fallenlassen. „An der Stelle wäre es zu aufwendig gewesen, das zu entsorgen“, erklärt Dietrich.
Stattdessen nahm eine Schute der Hafen- und Flussbaufirma OHF, die sonst Dalben und Maschinenteile oder Schiffshallen transportiert, die „Zander“ längsseits. „Problemlos“ sei der Transport, so Stefan Mehling von OHF. Nun wird das 40 Meter lange, 8,80 Meter breite, frühere Kriegsschiff im Rheinauhafen bei Schrott Wetzel auseinandergeschweißt und verwertet.
Damit hört die Marinekameradschaft endgültig auf zu existieren. „Der ganze Rest vom Verein ist eh schon abgeschlossen“, sagt Hauser traurig.
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