Mannheim. „Es ist Druck im Kessel.“ So bringt Lars Hoffmann, geschäftsführender Schulleiter der Real-, Werkreal- und Gemeinschaftsschulen, die Situation auf den Punkt. Zum kommenden Schuljahr sind die Schulen der Sekundarstufe I voll bis zum Anschlag. An seiner Schule, der Konrad-Duden-Realschule, habe er zum ersten Mal zukünftige Fünftklässler an andere Schulen lenken müssen.
593 Kinder sind in Mannheim zum Schuljahr 2025/26 an den öffentlichen Realschulen angemeldet worden, 62 mehr als noch im vergangenen Jahr. An den Werkrealschulen gingen 169 Anmeldungen, 38 mehr, ein. „Wir Schulleiter telefonieren täglich miteinander, um die Schülerinnen und Schüler so zu lenken, dass sie möglichst nicht täglich eine Stunde durch die Stadt fahren müssen“, berichtet Hoffmann. Wiederholer und Rückläufer aus den Gymnasien machten die Klassenbildung aber mittlerweile in allen Stufen zu einer Herausforderung. „Im vergangenen Jahr musste ich zum Beispiel eine zusätzliche neunte Klasse aufmachen“, so der Schulleiter.
Aufregung um Kompass 4: Waren die Mathe-Aufgaben zu schwer?
Ob zumindest an der Anzahl der Rückläufer aus den Gymnasien die jetzt wieder eingeführte, verbindliche Grundschulempfehlung fürs Gymnasium etwas ändert, wird sich erst noch zeigen. Diese Empfehlung besteht aus den Komponenten Kompetenztest, Lehrerempfehlung und Elternwunsch. Die „pädagogische Gesamtwürdigung“, also die Lehrerempfehlung, bezieht sich dabei auf die in Klasse vier erreichten Noten. Der Durchschnitt in Deutsch und Mathematik muss dabei bei mindestens 2,5 liegen, kein Fach darf schlechter als 3,0 sein.
Große Aufregung hatte es um den Kompetenztest mit dem Namen Kompass 4 gegeben, der im vergangenen November von allen Viertklässlern geschrieben werden musste. Es solle mit diesem Instrument eine „landesweit einheitliche und vergleichbare Leistungsrückmeldung“ geben, hatte das Kultusministerium Baden-Württemberg angekündigt. Zwei 45 Minuten umfassende Prüfungen, eine in Deutsch und eine in Mathe, standen auf dem Stundenplan. Das Ergebnis: weinende Kinder, frustrierte Lehrer und verärgerte Eltern. Vor allem die Mathe-Aufgaben seien zu schwer gewesen, lautete danach die Kritik. Rund 80 Prozent der Lehrkräfte sahen bei den Ergebnissen größere Abweichungen zur eigenen Einschätzung der Schülerinnen und Schüler.
Dass an dem neuen Verfahren zum Übergang aufs Gymnasium nachjustiert werden muss, sagt auch Angela Speicher, geschäftsführende Schulleiterin der Mannheimer Grundschulen: „Da wird sich noch einiges verändern, das ist noch nicht rund gelaufen.“ Einer ihrer Kritikpunkte: dass Kompass 4 von allen Kindern geschrieben werden musste, obwohl es dabei aktuell nur um den Wechsel aufs Gymnasium geht. „Das war ein großer Stress und Druck für die Familien“, so Speicher. Generell habe die verbindliche Grundschulempfehlung in diesem Schuljahr einen erheblichen Beratungsbedarf mit sich gebracht. „Es ist vor allem schwer, den Eltern zu vermitteln, dass die Empfehlung nur für den Wechsel aufs Gymnasium bindend ist“, so die Schulleiterin.
Führten die pädagogische Gesamtwürdigung und die Ergebnisse von Kompass 4 nicht zu einer Empfehlung fürs Gymnasium, so bestand in diesem Jahr zum ersten Mal die Möglichkeit zur Teilnahme am sogenannten Potenzialtest. Dieser umfasste die Fächer Deutsch und Mathe sowie allgemeines und strukturelles Denkvermögen und musste an einem Gymnasium abgelegt werden. „Das war schon ein organisatorischer Aufwand für uns“, sagt Roland Haaß, geschäftsführender Schulleiter der Mannheimer Gymnasien.
82 Kinder haben letztlich in Mannheim am Potenzialtest teilgenommen. 13 davon haben bestanden und dürfen nun doch ein Gymnasium besuchen. Das entspricht einer Quote von knapp 16 Prozent. Im landesweiten Durchschnitt liegt sie bei 31 Prozent. Wie sinnvoll diese Prüfung ist? „Für die Schülerinnen und Schüler, die es geschafft haben, war der Potenzialtest ein Rettungsanker“, so Roland Haaß und fügt hinzu: „Ich weiß nicht, ob sie gute Chancen haben. Aber immerhin habe sie die Chance bekommen. Und das ist vielleicht auch Motivation.“
130 Anmeldungen mehr an der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried
Insgesamt wurden 871 Kinder an öffentlichen allgemein bildenden Gymnasien in Mannheim angemeldet. Damit sanken die Anmeldezahlen ein zweites Mal in Folge leicht ab (Vorjahr: 890). Erneut verzeichnete dagegen die Integrierte Gesamtschule Mannheim-Herzogenried (IGMH) mehr Anmeldungen als Plätze zu vergeben waren. Knapp 130 Kinder mussten vom Staatlichen Schulamt an andere Schulen umgelenkt werden. Die Aufnahmekapazität an der IGMH beträgt 240 Kinder für die fünften Klassen.
Großen Zulauf verzeichneten auch die beiden Gemeinschaftsschulen Kerschensteiner und Johannes-Kepler. Aus Kapazitätsgründen konnten an der Kepler-Schule nur zwei statt drei Eingangsklassen gebildet werden. Denn in der Mittelstufe kamen so viele Kinder dazu, dass mehrfach vier Klassen an der dreizügigen Schule gebildet werden mussten. Um die steigende Nachfrage in dieser Schulform in Zukunft decken zu können, ist für das Schuljahr 2026/27 der Start einer dritten Gemeinschaftsschule, der Rosa-Parks-Schule, geplant. Der Gemeinderat muss dafür nächste Woche noch grünes Licht geben.
Bis zum Schulstart im September können sich die Zahlen durch Nachzügler noch weiter erhöhen. Dazu kommen Schulwechsel und unterjährige Zuzüge. „Es wird immer schwerer, alle Kinder unterzubringen. Die Aufnahmekapazitäten sind an den Sekundarschulen nahezu erschöpft“, heißt es aus der Stadtverwaltung.
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