Mannheim. Charlotte Jelitto und Hanna Klafsky tragen stolz das pinkfarbene Trikot der deutschen Nationalmannschaft, während sie trainieren. Die Temperaturen am Dienstag sind auch am späten Nachmittag noch hoch. Vielleicht sind deshalb heute etwas weniger Mädchen zum Training der D-Juniorinnen des Polizei SV Mannheim gekommen. „Gerade bei den D-Juniorinnen erleben wir insgesamt aber großen Zulauf“, freut sich Maximilian Hiemenz, der im Verein Frauen- und Mädchenmannschaften trainiert. Mehr als 20 Mädchen gehören zum Kader der D-Juniorinnen. „Der Andrang ist eine Folge der Europameisterschaft 2022. Wir haben in dieser Saison sogar zwei Mannschaften melden müssen, weil es so viele sind.“
Die Europameisterschaft wurde in England ausgetragen. Die deutsche Mannschaft unterlag erst im Finale den Gastgeberinnen. Nun bestreiten sie am Freitagabend ihr erstes Spiel bei der Europameisterschaft in der Schweiz gegen Polen. „Wir rechnen im Verein damit, dass es gerade bei den Kleinen nach der Europameisterschaft wieder einen Zulauf gibt“, sagt Hiemenz. In älteren Juniorinnen-Jahrgängen sind die Kader dünner. Bei den Frauen ist der PSV dagegen ebenfalls gut aufgestellt. „Da stellen wir sogar zwei Großfeld-Mannschaften.“
Fußball-Abzeichen bei Polizei SV Mannheim
- Der Polizei SV Mannheim richtet an diesem Freitag einen Aktionstag des Mädchenfußballs aus. Dabei können Mädchen des Jahrgangs 2019 oder älter ein DFB-Fußball-Abzeichen machen.
- Wie der Verein mitteilt, soll das Abzeichen am Freitag, 4. Juli, zwischen 17 und 20 Uhr abgelegt werden können. Eine Voranmeldung ist laut Mitteilung nicht nötig.
- Der Verein richtet sich an Mädchen, die bereits Fußball spielen oder die „ausprobieren, ob es dir Spaß macht “, wie es heißt.
- Der Sportplatz befindet sich Im Pfeifferswörth 9a, 68167 Mannheim .
Inzwischen sitzen auch Charlotte und Hanna am Tisch. „Ich habe immer in meiner Wohnung rumgekickt“, erinnert sich Hanna. „Dann haben meine Eltern gefragt, ob ich nicht anfangen will, Fußball zu spielen.“ Charlotte erzählt von Fußballspielen in der Grundschule auf dem Schulhof. „Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich in den Verein gegangen bin.“ Natürlich werden sie die Europameisterschaft verfolgen. Laura Freigang und Giulia Gwinn sind ihre Vorbilder.
„Selbst wenn größere Vereine in der Region Geld hätten, das sie in Mädchenfußball stecken könnten, tun sie das kaum“
Ortswechsel: Im Clubhaus des TSV Neckarau treffen wir einen Tag später Michael Mattern und Sebastiano Franzo. Letzterer wird Mattern bald als Abteilungsleiter für Frauen- und Mädchenfußball im Verein ablösen. Mattern ist außerdem stellvertretender Vorsitzender des Fußballkreises. Bereits vor zwei Jahren hatte er im Gespräch mit dieser Redaktion auf die Euphoriebremse getreten: Der Frauen- und Mädchenfußball in Mannheim hat im Amateurbereich keinen Hype durch die Europameisterschaft erfahren, lautete seine Bilanz. Daran habe sich nichts geändert, sagt er nun. Der Breitensport im Mädchen- und Frauenfußball stagniert – bestenfalls. „Vielleicht ist er sogar rückläufig“, stellt Mattern fest. „Das gilt nicht nur für Mannheim, sondern für den ganzen Verband. Wir kämpfen darum, mehr Mädchen und Frauen zu gewinnen, scheitern aber auch an Rahmenbedingungen.“
Vielleicht ist der Frauen- und Mädchenfußball sogar rückläufig. Wir scheitern auch an Rahmenbedingungen.
Die Vereine, die sich im Frauen- und Mädchenfußball engagieren, machen das kontinuierlich und teilweise seit Jahren. Neben Polizei Mannheim, die in der Jugend stark vertreten sind, und Neckarau, das die beste Frauenmannschaft in Mannheim stellt, nennen Mattern und Franzo unter anderem den VfR Mannheim oder Ketsch als Anlaufstellen, an denen gute Arbeit geleistet werde. Doch während es für Jungs zahlreiche Vereine gibt – „Die rennen uns die Bude ein. Wir müssen teilweise Sichtungslehrgänge veranstalten, weil wir nicht mehr aufnehmen können“, sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende –, fehlt es für Mädchen oder Frauen an breiteren Angeboten. „Wir haben keine Neueinsteiger. Keine Vereine, die sich trauen, sich wirklich langfristig und mit Konzept im Mädchen- und Frauenfußball zu engagieren“, sagt Mattern. Zwar gebe es immer mal wieder Überlegungen. „Am Ende des Tages hat sich die Welt zwischen Weltmeisterschaft und Europameisterschaft aber nicht verändert.“
Sein designierter Nachfolger als Abteilungsleiter im Verein stimmt zu. „Selbst wenn größere Vereine in der Region Geld hätten, das sie in Strukturen für Frauen- und Mädchenfußball stecken könnten, tun sie das kaum“, sagt Franzo. Für kleinere Vereine hingegen stehe der Aufwand, Strukturen aufzubauen, zu selten in einem Verhältnis zum Ertrag.
Vereine stoßen teilweise im Jungsbereich an Kapazitätsgrenzen – da bleibt für Mädchenfußball kaum Platz
Das sieht auch Hiemenz. „Vom Verband kommt sehr viel Unterstützung für den Frauenfußball. Sogar mehr als von Vereinen.“ Es fehlt aber allen voran an Trainerinnen und Trainern. „Leute zu finden, die wirklich Lust haben, ist schwierig. Das gilt auch bei den Damen.“ Der Mangel an Ehrenamtlichen macht wenig überraschend auch vor dem Breitensport im Fußball nicht Halt, wie auch Alexa Beidinger weiß, die beim PSV in den Damenmannschaften spielt. „In anderen Vereinen gibt es Frauenfußball oft nur, wenn noch Platz da ist.“ Beim Polizei-Sportverein ist die Frauen- und Mädchenfußballabteilung hingegen die größte im Verein.
Leute zu finden, die wirklich Lust haben, ist schwierig.
Vereine stießen auch im Jungs- und Herrenbereich teilweise an Kapazitätsgrenzen, sagt Mattern. Da sei für weitere Projekte wenig Spielraum. „Die sagen uns als Verband: Wenn ihr mir ein Konzept vorlegt, ist das schön und gut. Aber wir brauchen die Menschen, die sich darum kümmern und nicht gleich aufgeben, wenn man mal zwei, drei Wochen irgendwas probiert hat und es noch nicht gleich funktioniert.“ Gleichzeitig sei die Quote der Mädchen, die nach kurzer Zeit wieder aufhören, höher als bei Jungs. Generell gilt für alle Geschlechter: Die Auswahl an Alternativen ist größer, das Durchhaltevermögen geringer, die Belastung durch Schule oder Digitalisierung höher als noch vor Jahren. „Ich glaube nicht, dass das besser werden wird. Wir müssen aufpassen, dass das im Amateurbereich nicht auch irgendwann auf den Jungs- und Herrenfußball überschwappt.“
„Bestehende Vereine können einen Hype stemmen“
Wie vor jedem Turnier wird auch vor dieser Europameisterschaft über die gesellschaftliche Akzeptanz von Frauenfußball diskutiert. In Kommentarspalten auf sozialen Medien tummeln sich hämische, nicht selten beleidigende Vergleiche zum Männerfußball. Dennoch, ist Mattern überzeugt, sei die gesellschaftliche Akzeptanz von Frauenfußball „extrem hoch“. Das werden auch die Einschaltquoten zeigen, hofft er. In der Vergangenheit hatte Mattern immer wieder gesagt, dass man Männer- und Frauenfußball mit Blick auf unterschiedliche Voraussetzungen nicht miteinander vergleichen dürfe. „Der Frauenfußball hat sich technisch und taktisch toll entwickelt. Das ist ehrlicher Sport ohne Rumgepiense. Und trotzdem haben Frauen natürlich eine andere Athletik und Dynamik, weshalb man Frauen- und Männerfußball nicht miteinander vergleichen kann.“
Der Frauenfußball hat sich technisch und taktisch toll entwickelt. Trotzdem haben Frauen natürlich eine andere Athletik und Dynamik
PSV-Spielerin Beidinger kennt diese körperlichen Unterschiede. Dennoch sei es „grundsätzlich das gleiche Spiel“: Fußball. Zuletzt hatte Polizei Mannheim eine Torfrau in einem Pflichtspiel der Herren eingesetzt. „Ein tolles Zeichen“, sagt Mattern.
Charlotte und Hanna übrigens sind optimistisch: Deutschland kommt ins Finale, sagen sie. „Vielleicht gewinnen sie sogar“ – und lösen damit doch wieder einen Hype und Boom für Mädchen- und Frauenfußball auch in Mannheim aus? Könnte man den dann überhaupt stemmen, Herr Mattern? „Ja. Aber nur bei bestehenden Vereinen. Ich lasse mich auch gerne eines Besseren belehren und freue mich, wenn andere Vereine plötzlich sagen: ,Jetzt ist der Tag.‘“
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