Denkmalpreis

Warum die Sanierung der Alten Brauerei in Mannheim preiswürdig ist

Er brauchte dafür Mut und viel Geld: Eigentümer Jürgen Herrmann, dessen Großvater hier einst eine Zigarettenfabrik betrieb, hat die Alte Brauerei in der Neckarstadt saniert und ist dafür ausgezeichnet worden

Von 
Peter W. Ragge
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Der Vorstand vom Verein Stadtbild übergibt an den Eigentümer der Alten Brauerei, Jürgen Herrmann (4.v.r.), sowie beteiligte Architekten den Denkmalpreis 2023. © Thomas Tröster

Mannheim. 3000, vielleicht 4000 Backsteine - dass sie die austauschen müssen, damit hatten sie gerechnet. Am Ende waren es jedoch 30 000 Klinker, die in der Fassade der Alten Brauerei ersetzt werden mussten. „Aber dafür ist aus einem Schandfleck ein Aushängeschild geworden“, freute sich Jürgen Herrmann, der Besitzer. Er ist für den Erhalt und die gelungene Sanierung des Gebäudes in der Käfertaler Straße 162 jetzt mit dem Denkmalpreis ausgezeichnet worden.

Es sollte mal abgerissen werden - auch daran erinnerte Herrmann, für eine Verbreitung der Straße im Zuge der Pläne für eine „autogerechte Stadt“. Davon ist schon lange nicht mehr die Rede. Stattdessen wurde das markante Gebäude 1991 unter Denkmalschutz gestellt. Jetzt, „nach einigen Höhen und Tiefen, nach viel Lust und Leid“ bei der mehrjährigen Sanierung bekam der Eigentümer als Dank diese Ehrung.

Verein und Preisträger

  • Der Verein Stadtbild ging 1991 aus der Bürgerinitiative für den Wiederaufbau des Alten Kaufhauses in N 1 hervor, nachdem der Bürgerentscheid dafür gescheitert war. Er tritt dafür ein, dass stadtbildprägende Gebäude, Plätze und Denkmäler erhalten bleiben.
  • Den Preis für Denkmalpflege erhielten bisher: 2009 Familie Aschbacher für E 3, 16, 2010 Familie Jöst für B 7, 5, 2011 Normann und Marie-Luise Stassen für Bopp & Reuter Siedlung, 2012 Familie Schütz für Alte Schule Seckenheim, 2013 Gesellschaft Räuberhöhle für Villa Werderstr. 36, 2014 Familie und Firma Lochbühler für Wasserturm Seckenheim, 2015 Dietmar Brixy für Altes Pumpwerk Neckarau.
  • 2016 folgten Martina und Simone Herrdegen für Café Herrdegen, 2017 Susanne Räuchle für die Villa in der Viktoriastraße, 2018 Roland Oparaku und Petra Rambow vom Hotel und Restaurant „Kleiner Rosengarten“ in U 6,19, 2019 Wendelin Scharbach für das Doppelhaus Meerwiesenstraße/Schwarzwaldstraße, 2020 Alexander Tanzer und Markus Hauch für das Haus Schanzenstraße 11, 2021 Ehepaar Kuchenbuch für die Sanierung des alten Lokschuppens im Glücksteinquartier und zuletzt 2022 Angelika Hill und Apotheker Wolfgang Mülle für Erhalt und Restaurierung der historischen Marien-Apot

Herrmanns Großvater hatte das 1880 bis 1883 für die damalige Badische Brauerei erstellte Gebäude einst erworben. Schon 1917 war nämlich der Betrieb der Brauerei wieder eingestellt worden. Einer von Herrmanns Vorfahren, der Tabakfabrikant Wilhelm Niderehe, kaufte dann die Gebäude der ehemaligen Brauerei, nutzte Teile der Gebäude zur eigenen Produktion von „Winima“-Stumpen. Die 1906 gegründete und 1917 erworbene Cigarettenfabrik Ophyr aus Q 6, 10b wurde dann hier von 1920 bis 1944 betrieben. Auch die Firma Auto-Ernst war hier von 1924 bis nach dem Zweiten Weltkrieg ansässig, bis 1954 die Maschinenfabrik Gerberich und bis zur Schließung 1974 die Firma Johann Waldherr Apparatebau und Metallwaren. Ob Judo-Club, Zeugen Jehovas, Umweltzentrum oder „Teppichboden-Frick“ - das Gebäude erlebte zahlreiche Nutzungen.

Giebelelemente ergänzt

Herrmann wagte dann ab dem Jahr 2000 das, was er „eine Abenteuerreise“ nennt - die Sanierung mit Hilfe vom Architekturbüro Schmucker. Sie erfolgte in zwei Abschnitten. Den ersten nutzen vor allem die Konzertagentur BB Promotion und die Medizinische Fakultät des Uniklinikums. 2020 bis 2023 ging Herrmann dann mit Unterstützung von Architekt Matthias Schönfeld vom Büro Schmucker es an, sich den gesamten Gebäudekomplex einschließlich der früheren Direktorenvilla und dem Hof vorzunehmen, zudem einige bisher gewerblich genutzte Flächen in Wohnungen umzubauen.

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Dabei sei man „in enger Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt und der Mannheimer Denkmalpflege vorgegangen“, so Schönfeld. Immerhin handele es sich „um ein bedeutendes, stadtbildprägendes Industriedenkmal an einer sehr präsenten Straße“. Dabei seien früher nur notdürftig reparierte Kriegsschäden angegangen, für das Gebäude wichtige, aber fehlende Gestaltungselemente wie das hohe Türmchen und das Schieferdach der Villa sowie Giebelelemente des Brauereigebäudes ergänzt worden - aber so, dass erkennbar bleibt, dass es sich nicht um historische Bauteile handelt. Die gesamte Fassade wurde saniert, Metall-Sprossenfenster nach historischem Vorbild eingesetzt, in Anlehnung an einen früher vorhandenen Zugang an der Röntgenstraße ein neues Tor gebaut.

Mit Mut und Finanzkraft

„Wir haben uns für einen Dialog zwischen historischer Bausubstanz und zeitgemäßer Architektursprache entschieden“, so Schönfeld. So sind 31 Wohnungen, davon sechs barrierefrei, entstanden, ferner ein Bistro, Räume für Ärzte, Firmen und ein bepflanzter Innenhof mit neuer Aufenthaltsqualität. Das Ganze habe für „einen immensen Aufwand“ und Kosten bedeutet, so der Architekt. „Wir waren uns zwischendurch nicht sicher, ob es gut geht“, gestand er und bescheinigte dem Bauherren, dass er mit viel Mut und Herzblut das Projekt begleitet habe.

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Stadträtin Helen Heberer dankte Herrmann als Vorsitzende des Vereins Stadtbild, dass er „in vorbildlicher Weise ein Industriedenkmal an stadtbildprägender Stelle erhalten und saniert“ habe. Dank der gelungenen Sanierung könne man das Ensemble der Alten Brauerei jetzt nicht nur als Juwel, sondern sogar als „Neckarstädter Schloss“ bezeichnen, meinte sie. Dabei gebühre neben dem Bauherren auch dem Architekten ein großes Lob und ebenso den Baufirmen, die „Handwerkskunst vom Feinsten“ geliefert hätten.

Die Mitglieder des Vereins Stadtbild schweiften „wachsames Auge quasi ununterbrochen durch die Stadt und beobachten genau, wo Gefahr in Verzug ist, wo historische Gebäude Schaden nehmen, vernachlässigt werden oder gar abgerissen werden“, so Heberer. „Aber auch das Gegenteil nehmen wir wachsam wahr und freuen uns über Menschen, denen es ein Anliegen ist, historische Bausubstanz und ihre Funktion zu erhalten“, die dafür Mut und Finanzkraft aufbrächten.

Redaktion Chefreporter

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