Seit 15 Jahren besteht der Schüleraustausch zwischen dem Lessing-Gymnasium und dem Leo Baeck Education Center Haifa (LBEC), einer interkulturellen Bildungseinrichtung. Die Stadt im Norden Israels ist seit 2009 eine Partnerstadt Mannheims. Auch in diesem Jahr findet der Austausch statt, kurz vor Weihnachten und gleichzeitig am Beginn von Chanukka. Auf die 14 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrer wartete ein ziemlich straffes achttägiges Programm mit kulturellen Events wie Theaterworkshop, Weihnachtsmarkt und Besichtigung von Speyer, das eine lange jüdische Tradition hat. Auch eine Führung durch die Ausstellung über die Mannheimer NS-Zeit im Marchivum und ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Natzweiler-Struthof im Elsass standen auf dem Programm.
Im Jahr 2007 initiiert
Den Freitagnachmittag, zu Beginn des Sabbats, verbrachte die Gruppe im Jüdischen Gemeindezentrum. Hier fand eine Diskussionsrunde statt mit einer Referentin der Initiative „Rent A Jew“ , dabei verglichen die Jugendlichen das jüdische Leben in Israel mit dem in Deutschland. „In Israel muss man sich nicht beweisen, dass man jüdisch ist. Man hat eine jüdische Mutter, das reicht. In Deutschland ist es schwieriger“, sagt Lia, eine Schülerin aus Haifa. Anschließend stattete Bürgermeister Christian Specht der Runde einen Besuch ab, bevor es gegen Abend einen Gottesdienst gab.
Initiiert wurde der Schüleraustausch 2007 vom damaligen Schulleiter Gottfried Becker und Andreas Breunig, dem heutigen stellvertretenden Schulleiter des Lessing-Gymnasiums. Wenn Breunig über den Austausch spricht, merkt man ihm ganz genau an, dass es sich um eine Herzenssache handelt. „Ich leite den Austausch seit 15 Jahren, das Konzept beruht auf drei Säulen. Die erste ist die Begegnung der Jugendlichen. Sie leben in Gastfamilien und lernen die Kultur des jeweiligen Landes kennen“, sagt Breunig. Die zweite Säule ist die deutsch-jüdische Geschichte. Die Gruppen besuchen Gedenkstätten wie Yad Vashem in Jerusalem, Natzweiler-Struthof oder das Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin.
Emotionale Begegnungen
Besonders emotional sei eine Begegnung mit einem Holocaust-Überlebenden in Haifa gewesen, der seinen Kindern und Enkeln noch nichts über das Geschehene erzählt hatte. „Er wollte mit uns sprechen und erzählte uns alles auf Deutsch. Wir haben es gefilmt und den Film nach seinem Tod seiner Familie gezeigt“, so Breunig. Die dritte Säule ist die Diversität, immerhin gibt es im LBEC ein Inklusionsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Autismus. „Außerdem pflegen wir einen Austausch mit Tamra, einer Stadt, in der hauptsächlich arabische Israelis leben“, meint Nissan Pollack, Lehrer am LBEC. „Die Teenager haben Kontakt zueinander, wenn Stereotype aufkommen, werden sie dadurch gebrochen. Auch mit der Delegation aus Mannheim waren wir in Tamra und haben den Oberbürgermeister besucht.“
Mit dem Thema Flucht befasst sich der Austausch ebenfalls. In diesem Jahr wird sich die Gruppe in der Hafenkirche im Jungbusch mit Geflüchteten treffen. „Seit 2013 gibt es diese Treffen, hierzu kooperieren wir mit der der Caritas und der Diakonie. Vor allem Ulrike Manthey von der Diakonie gilt unser Dank für die Zusammenarbeit.“
Auch online in Kontakt
Im Gegenzug fanden auch in Israel Besuche in Unterkünften von Geflüchteten statt, in Tel Aviv tauschte man sich aus mit Leuten aus dem Sudan und Eritrea. Zwei Jahre herrschte Pandemie-Zustand, doch wozu gibt es Zoom-Meetings? Die Begegnungen fanden eben online statt. Manche Schüler, die vor Jahren beim Austausch mit dabei waren, halten noch immer Kontakt.
„Ich hoffe für euch, dass ihr neue Freunde findet“, gibt Specht den Jugendlichen mit auf den Weg. Pollack fügt abschließend hinzu: „Wir vergessen die Vergangenheit nicht, aber wir möchten eine andere Zukunft bauen und die Werte fördern, an die wir glauben. Das sind Demokratie, Toleranz und Diversität.“ Auf den Gegenbesuch müssen die Mannheimer Schülerinnen und Schüler noch etwas warten, dieser findet im Februar statt.
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