Bildung

Wegbegleiter für Mannheimer Schüler in „herausfordernden Lagen“

Sie unterstützen Schülerinnen und Schüler im Unterricht, bei Prüfungsvorbereitung und beruflicher Orientierung: die "Fellows" von Teach First. Warum Mannheimer Schulen von dem Modell begeistert sind

Von 
Bertram Bähr
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Lars Hagenlocher arbeitet als Teach-First-Fellow an der Pfingstbergschule. Im Unterricht kann er ganz individuell auf Schüler eingehen. © Bertram Bähr

Mannheim. „How much does the course cost, where can I find further informations?“ – „Was kostet der Kurs, wo gibt es weitere Informationen?“ Auf Englisch stellt Lars Hagenlocher dem Neuntklässler der Pfingstberg-Werkrealschule Fragen. Erhält Antworten – auf Englisch. Und die Gegenfrage – auf Deutsch: „Reicht das?“, möchte der Schüler wissen. Hagenlocher bleibt hartnäckig. „Nein“, sagt er. Denn die Übersetzungsübung steht noch aus. Sie ist für die anstehende Prüfung relevant.

Hagenlocher, 27 Jahre alt, hat zwei Bachelor-Abschlüsse (in Kommunikation, Kultur, Management an der Uni Friedrichshafen und in Philosophie und Geschichte an der Uni Konstanz) hinter – und sein Master-Studium vor sich. Jetzt arbeitet er an der Pfingstbergschule, zwei Jahre lang – als „Fellow“ der gemeinnützigen Organisation Teach First Deutschland (TFD). Ein Fellow ist eine Art Wegbegleiter für die Schülerinnen und Schüler.

Vier Personen in Mannheim

Lars Hagenlocher unterstützt die Lehrkräfte im Unterricht. „Ich schnappe mir besonders die Schülerinnen und Schüler, die mehr Hilfe brauchen“, berichtet der 27-Jährige im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. In vier Klassen der Jahrgangsstufen 9 und 10 ist der Fellow im Einsatz, in Englisch, Mathe und Gemeinschaftskunde, rund 24 Stunden pro Woche.

Daneben initiiert er eigene Projekte, hilft bei der Suche nach einem Praktikumsplatz. Er hat Veranstaltungen zu Gewalt- und Alkoholprävention organisiert und in den Ferien einen Lerntag angeboten. „Die Arbeit macht mir Spaß“, sagt Hagenlocher, er möchte einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit leisten.

Die Vision der Fellows und von Teach First ist einfach zu beschreiben – und doch schwer umzusetzen: „Jedes Kind verlässt die Schule mit einem Abschluss und dem festen Glauben an den eigenen Erfolg.“ An diesem abstrakten Ziel arbeiten derzeit in Mannheim ganz konkret vier Fellows. Neben Hagenlocher sind das zwei an der Humboldt- und einer an der Waldschule, berichtet Sonja Köpke.

Teach First Deutschland

  • Teach First Deutschland (TFD) ist als gemeinnützige Organisation Teil der internationalen Bildungsbewegung Teach For All. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, jedem Kind die Chance zu geben, sein volles Potenzial zu entfalten.
  • Um dieses Ziel umzusetzen, schickt Teach First seit 2009 Hochschulabsolventinnen und -absolventen verschiedener Fachrichtungen für zwei Jahre an Schulen in „sozial herausfordernder“ Lage, in der Regel an Werkrealschulen. Derzeit sind 157 Fellows in sieben Bundesländern im Einsatz, vier von ihnen in Mannheim.
  • Die Fellows begleiten gemeinsam mit den Lehrkräften den Unterricht und organisieren zusätzliche Angebote wie Bewerbungstrainings oder Sprachförderung.
  • Fellows werden in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt, üblicherweise drei Monate auf den zweijährigen Schuleinsatz vorbereitet und im Rahmen des Leadership-Programms von TFD begleitet und fortgebildet.
  • Neben dem Fellow-Programm hat Teach First ein Alumni-Programm aufgelegt. Die Alumni, also die Ehemaligen, nehmen ihre prägenden Erfahrungen aus dem Schuleinsatz mit ins Berufsleben und setzen sich als „Bildungsbotschafter“ für Chancengerechtigkeit ein.
  • Schirmherrin von TFD ist Elke Büdenbender, die Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sie sagt, TFD mache sich „seit zehn Jahren für Kinder und Jugendliche in sogenannten Brennpunkten stark und unterstützt sie dabei, erfolgreich und allen Umständen zum Trotz ihren Weg zu gehen. Ich freue mich, einen Beitrag zu dieser Arbeit leisten zu können.“
  • Weitere Informationen unter www.teachfirst.de

 

Die Mannheimerin ist bei TFD vor zehn Jahren als Trainerin der Fellows eingestiegen. Sie übernahm 2015 die Region Süd (Hessen und Baden-Württemberg), wurde 2020 Mitglied der Geschäftsleitung und ist vor wenigen Monaten zur Geschäftsführerin aufgestiegen. Mit TFD erstmals in Kontakt kam die Grund-, Haupt- und Realschullehrerin, die an der PH Heidelberg studiert hat, in Pforzheim. Dort lernte die Pädagogin vor gut zehn Jahren einen Fellow kennen, „der mich inspiriert hat, zu Teach First zu wechseln. Bis heute bin ich tief überzeugt und immer wieder aufs Neue begeistert von dem, was unsere Fellows an Schulen in herausfordernder Lage leisten“, berichtet sie.

Auch Lars Hagenlocher kam eher zufällig mit TFD in Kontakt, eine Freundin habe ihn darauf aufmerksam gemacht, erzählt er. Beworben habe er sich „just for fun“. Er informierte sich eingehend, „und Tag für Tag wollte ich das mehr“. Auch wenn es ihn nicht in den Lehrerberuf zieht, freut er sich über die vielfältigen Erfahrungen, die er im schulischen Kontext sammeln kann.

So wie ihm geht es auch den anderen Fellows. Sonja Köpke bringt auf den Punkt, was für viele den Reiz der Arbeit ausmacht: „In die begeisterten Augen von Kindern und Jugendlichen zu schauen, die ein Erfolgserlebnis spüren und ihr Potenzial just in diesem Moment bewusst erkennen – unbezahlbar!“

Ihre Hauptaufgabe als Geschäftsführerin sieht sie darin, möglichst viele „Menschen zu finden, die bereit sind, Schülerinnen und Schüler zum Erfolg zu führen und sich für ein gerechtes Bildungssystem einzusetzen“. Derzeit sind 157 Fellows im Einsatz, das ist in Köpkes Augen ausbaufähig. Und „es verlangt uns einiges ab“, das große Interesse von Schulen wenigstens einigermaßen zu befriedigen.

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Seit Jahren im Einsatz

Die Waldschule hatte schon seit längerem Interesse daran, mit Fellows zusammenzuarbeiten. In diesem Schuljahr ist sie erstmals zum Zuge gekommen. „Wir haben sehr viele Nachfragen von Schulen in herausforderndem Umfeld“, so Köpke. Aber primär wolle TFD mit den bisherigen Schulen zusammenarbeiten, weil dort bereits entsprechende Strukturen geschaffen seien.

Wie zum Beispiel in der Pfingstbergschule. Wie beurteilt Leiter Harald Knapp den Einsatz der Fellows im Unterricht und darüber hinaus? Hat er gute Erfahrungen mit ihnen gemacht? „Nicht nur gute, sondern ganz hervorragende Erfahrungen“, freut er sich im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. Seit Jahren kämen Fellows hier in enger Absprache mit den Lehrkräften zum Einsatz. Sie seien „hervorragend vorbereitet und ausgebildet, obwohl sie nicht aus dem Kontext Schule kommen“. Knapp hat „selten ein Konzept gesehen, das so gut durchgeführt wird“.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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