Einzelhandel

Warum der Mannheimer Naturkleidung-Pionier "Hautnah" schließt

Schluss nach 27 Jahren: Peter Meusel öffnet sein Geschäft "Hautnah" am Mannheimer Kaiserring bald zum letzten Mal. Warum der größte Anbieter für ökologische und nachhaltige Kleidung in der Rhein-Neckar-Region schließt

Von 
Eva Baumgartner
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Peter Meusel schließt am 25. März nach 27 Jahren zufrieden die Türen. „Alles hat seine Zeit“, sagt er. © Eva Baumgartner

Mannheim. Als Peter Meusel vor 27 Jahren sein Geschäft „Hautnah“ für Naturkleidung in der Innenstadt eröffnet, ist er ein Pionier in der Branche. Der Mannheimer hat damals 30 000 Mark, davon kauft er bei dem Schwarzwälder Produzenten Natur + Co. eine Erstausstattung und bringt Pullis, Hosen und Kinderkleidung in die Quadratestadt.

In T 3, 9 eröffnet Peter Meusel 1996 seinen ersten Laden. 1997 zieht er in den Kaiserring, 1999 dann ein paar Häuser weiter an den jetzigen Standort in M 7, 13. Direkt auf die sogenannten „Öko-Meile“: Hier ist auch Deutschlands erster Natursupermarkt von Alnatura zuhause, Heller’s Restaurant und das Schuhgeschäft Fußspur.

Faire Kleidung wird später wichtig

Damals ist den Kunden von Meusel vor allem der Umweltaspekt wichtig, dass die Baumwolle ökologisch produziert wird: „Fair gehandelte Kleidung war noch kein Thema.“ Das ändert sich, als im April 2013 die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzt und dabei 1135 Menschen getötet und 2438 verletzt werden. Doch Meusel findet schon immer: „Es muss den Menschen und der Erde gut gehen“ - und verweist darauf, dass 20 Prozent der weltweit verwendeten Pestizide für den Baumwollanbau eingesetzt würden: „Dieser macht aber nur 2,3 Prozent der Gesamt-Ackerfläche aus.“

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Inzwischen ist Meusel ein Urgestein in seinem Metier - und blickt zurück auf rosige Zeiten. Bis Corona kommt: „Wir hatten erst eine Schließung von sechs Wochen, dann vom 16. Dezember 2020 bis Pfingsten 2021.“ Sein Laden überlebt wegen der Überbrückungshilfe, weil die Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen. Doch es bleiben die Fixkosten.

Viele Stammkunden sind traurig

Am 25. März öffnet Meusel sein Geschäft zum letzten Mal. „Es hat sich erholt, aber kam nie mehr an den Punkt vor Corona zurück.“ Zudem läuft der Mietvertrag 2025 aus: „Ohne Chance auf Pachtverlängerung.“ Als Hausverwalter hat sich der 57-Jährige deshalb ein zweites Standbein geschaffen. Wenn sich die Situation gebessert hätte, wäre er gerne bis 2025 am Kaiserring geblieben. Doch Umziehen ist keine Option: „Wer hier weggeht, ist tot.“

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Meusel versteht, dass seine Kunden, darunter viele Stammbesucher, traurig sind. Hier schätzen sie das Anfassen und Anprobieren der Kleidung auf rund 100 Quadratmetern: „Wir sind der größte Anbieter für ökologische, faire und nachhaltige Kleidung im Rhein-Neckar-Raum, in Deutschland unter den Top Zehn.“ Hier gibt es Kleidung für Groß und Klein, nur Produkte aus 100 Prozent Naturfasern: „Von der Socke bis zum Sakko“, sagt Meusel. Alles ist derzeit 30 Prozent reduziert.

Für die Kunden gibt es ein Trostpflaster

Bei den Kunden beobachtet Meusel seit Jahren eine Verschiebung: „Sie werden von Jahr zu Jahr anspruchsvoller, sind durch das Internet verwöhnt, dass alles 24 Stunden täglich zu haben ist, das erwarten sie auch hier.“ Die Zukunft des Einzelhandels sei in einer schwierigen Phase: „Experten machen sich gerade viele Gedanken, es wird viel investiert. Doch das größte Wachstum gibt es nur noch online“, sagt Meusel. Und ein Online-Shop ohne Laden ist für ihn undenkbar: „Ich wusste ja, dass ich hier raus muss.“

Am letzten Tag schließt Meusel eine Stunde früher. „Wir gehen mit der Familie und meiner langjährigen Mitarbeiterin Christine Schäfer essen.“ Er verlässt seinen Laden zufrieden und froh: „Alles hat seine Zeit, meine ist hier zu Ende, und jetzt kommt eine neue.“ Ein Trostpflaster für Kunden: Nur wenige hundert Meter weiter, in M2, 15a, gibt es mit „Umgekrempelt“ einen weiteren Laden für Naturkleidung. Die Flyer liegen bei Meusel bereits aus.

Infos und Zeiten: www.naturbekleidung-hautnah.de

Redaktion Eva Baumgartner gehört zur Lokalredaktion Mannheim.

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