Rhein-Neckar/Essen. Für die Beschäftigten des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof sind es harte Zeiten. Sie waren in den zurückliegenden Wochen wegen des Ansturms durch das Weihnachtsgeschäft stark gefordert. Jetzt, nach den Feiertagen, geht es in den Kaufhäusern munter weiter: Geschenke werden umgetauscht, Gutscheine eingelöst. Doch während den Mitarbeitern am Arbeitsplatz kaum Zeit zum Durchatmen bleibt, wird im Hintergrund an ihrem Stuhl gesägt.
Denn vor den 131 Warenhäusern und den rund 17 000 Mitarbeitern liegt durch das Schutzschirmverfahren des Unternehmens eine ungewisse Zukunft. Für viele könnte es das letzte Weihnachtsgeschäft bei Galeria gewesen sein.
Während viele Menschen positiv gestimmt in das neue Jahr starten, herrscht bei Galeria große Angst. Schon der Jahresanfang verheißt für die Beschäftigten nichts Gutes. Im Januar ist mit einer Entscheidung zu rechnen, wie viele Filialen geschlossen werden und wie viele Mitarbeiter gehen müssen. Sehr wahrscheinlich ist, dass es auch die Region trifft, wo es Häuser in Mannheim, Viernheim, Speyer und Würzburg gibt und sogar jeweils zwei in Heidelberg und Darmstadt.
Übernahme gescheitert
Vor der Filiale in Speyer gab es am Mittwochmittag eine Kundgebung, zu der der Speyerer Stadtverband des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) aufgerufen hatte. Mit den betroffenen Mitarbeitern - alleine in Speyer sind laut DGB mehr als 60 Arbeits- und Ausbildungsplätze gefährdet - und deren Familien sollte „ein Zeichen des Widerstands gegen Unternehmerwillkür und Profitgier“ gesetzt werden.
Durch eine mögliche Schließung der Filiale in der Domstadt befürchtet der DGB „einen riesigen Verlust an Kaufkraft, Gewerbesteuer und Arbeitsplätzen“. Außerdem sei wegen der dann fehlenden Attraktivität der Innenstadt die Schließung von weiteren Einzelhandelsgeschäften zu befürchten.
Das Kaufhaus in Speyer war eines von bundesweit 47, an deren Übernahme der Online-Händler für Bürobedarf und Schulmaterial, buero.de, interessiert war. Auch Heidelberg war auf dieser Liste genannt. Zwei Tage vor Weihnachten gab Markus Schön, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens aus Detmold, nach mehrstündigen Gremiensitzungen jedoch seinen Verzicht bekannt. „Die Gerüchte über viel weitergehende Schließungen und die in diesem Zusammenhang in den letzten Tagen für uns deutlich gewordene Konfliktlage führen zu veränderten Rahmenbedingungen, die für uns nicht akzeptabel sind“, wird Schön in einer Mitteilung zitiert.
Zuvor machte in verschiedenen Medien eine Meldung die Runde, dass bis zu 90 Kaufhäuser geschlossen und von der verbliebenen Belegschaft 30 Prozent Personal abgebaut werden könnten.
„Die Meldungen über weitergehende Schließungsabsichten sind aus unserer Sicht fatal gewesen“, heißt es von buero.de. „Wir haben immer gesagt, die Beschäftigten sind für uns der größte Schatz des Unternehmens. Ohne diese qualifizierten Kräfte sind wir nicht mehr von den Erfolgschancen einer Übernahme überzeugt“, so Schön.
Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl enttäuscht
Das Unternehmen will nun aus eigener Kraft expandieren und sein Warenhauskonzept mit dem Namen „Schön hier“ „zügig ohne eine Übernahme“ umsetzen. Der Bürohändler hatte vor allem Galeria-Standorte in Mittelzentren und kleineren Großstädten im Visier. Ein Modellprojekt könnte in Halle/Saale entstehen. Weitere mögliche Standorte werde das Immobilien- und Expansionsteam analysieren. „Wenn es ,ideal läuft‘, wären wir in absehbarer Zeit mit ,Schön hier‘ in mehr als 40 Prozent der Städte vertreten, bei denen wir eine Übernahme anstrebten“, teilte Schön mit.
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Enttäuscht über den Rückzug ist der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Galeria, Jürgen Ettl: „Es wäre eine Chance gewesen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Es ist ein bisschen frustrierend, dass so schnell das Handtuch geschmissen wurde.“ Die ersten Gespräche seien konstruktiv gewesen. Trotz des Rückzugs von buero.de liege Galeria ein Übernahmeangebot für eine Reihe von Filialen vor.
Wie die Beschäftigten sind auch Vertreter der Gewerkschaften in der Region weiter im Unklaren. „Die Schließungsliste ist noch nicht raus“, sagte Horst Gobrecht, Gewerkschaftssekretär von Verdi Südhessen, der mit „harten Verhandlungen“ im Zuge der Sanierung rechnet. „Es gibt noch nichts Konkretes“, erklärte Sabine Möller von Verdi Rhein-Neckar. „Die Ungewissheit und das Zittern gehen weiter.“ Die Beschäftigten seien immer die Leidtragenden, „wenn das Management seine Hausaufgaben nicht macht“. Täglich Leistung zu bringen, wenn man Angst um den Arbeitsplatz haben müsse, „da kann man nur den Hut ziehen“.
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