Mannheim. Herr Wehrmeier, warum ist gerade jetzt - in Zeiten hoher Inflation und Kaufzurückhaltung - ein guter Zeitpunkt für eine große Expansion?
Lennart Wehrmeier: Die Expansionsstrategie ist für uns nicht neu. Wir sagen schon seit zehn Jahren, dass wir über stationäre Neueröffnungen weiter wachsen wollen. Allerdings ist das aus verschiedenen Gründen nie so dynamisch nach vorne getrieben worden wie jetzt. Wenn uns Corona nicht dazwischengekommen wäre, würden wir heute bei der Gesamtzahl der Filialen noch weiter vorne stehen. Ich glaube, dass wir ein sehr starkes und stabiles Vertriebskonzept haben, das auch in der Zukunft - trotz Schwierigkeiten wie Inflation und Lieferketten - gut funktioniert.
Sie sind also überzeugt, dass der stationäre Einzelhandel eine Zukunft hat?
Wehrmeier: Wir glauben daran, dass Menschen immer noch das stationäre Einkaufsvergnügen schätzen. Mit unserem Konzept als Nahversorger müssen wir in der Nähe der Menschen sein, die sich versorgen wollen, und das funktioniert auch. Deswegen sind wir guter Dinge, dass wir weiter wachsen können.
Auch das Kaufhaus gilt in Deutschland als Auslaufmodell.
Wehrmeier: In Deutschland heißt Warenhaus oder Kaufhaus immer gleich Kaufhof und Karstadt. Es gibt viele Gründe dafür, warum deren Konzept heute nicht mehr so funktioniert wie früher. Wir sind auch ein Kaufhaus, aber für die Nahversorgung. Ein Karstadt oder Kaufhof hat deutlich über 10 000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Das bietet viele Chancen, denn Sie können viel präsentieren. Es ist aber auch ein großes Risiko, weil Sie einen hohen Kostenblock für Personal, Miete oder Energie haben. Damit haben wir von Anfang an nichts zu tun gehabt, da unser Flächenprofil zwischen 500 und 2000 Quadratmetern liegt. 1000 Quadratmeter ist unsere Idealgröße. Mit der richtigen Auswahl an Abteilungen - Textil für die ganze Familie, Dekoratives und Haushaltswaren - sehen wir uns nach dem Wegsterben der großen Kaufhäuser und Fachgeschäfte gut positioniert.
Woolworth
- Lennart Wehrmeier ist seit Anfang 2020 bei Woolworth und Geschäftsführer für den Bereich Expansion.
- Der 46-Jährige kennt die Region aus der Zeit seines dualen Studiums (BWL, Fachrichtung Handel, und Ausbildung bei Galeria Kaufhof Heidelberg) an der Berufsakademie (heute DHBW) Mannheim.
- Woolworth wurde 1900 von den Brüdern Frank Winfield und Charles Summer Woolworth gegründet.
- 1927 wurde in Bremen die erste deutsche Filiale eröffnet. 1998 erfolgte die Trennung von der Muttergesellschaft.
- Nach einer Insolvenz 2009 startete im Juli 2010 die Woolworth GmbH neu. 2022 eröffnete die 500. Filiale, mittelfristig sollen es 1000 werden. Woolworth beschäftigt etwa 8000 Menschen, jedes Jahr beginnen rund 200 Auszubildende. Im Mai ist die Expansion nach Polen geplant. cs
Galeria Karstadt Kaufhof ist zum zweiten Mal in kurzer Zeit im Schutzschirmverfahren. Woolworth musste 2009 auch schon mal Insolvenz anmelden. Was machen Sie inzwischen anders?
Wehrmeier: Etwas vereinfacht gesagt ist nach dem Eigentümerwechsel außer dem Namen nicht viel geblieben. Das alte Warenhaus Woolworth bis 2009/2010 hat nichts mit der neuen GmbH ab 2010 zu tun. Vertriebskonzept, Einkaufs-, Sortiments-, Personal- und Expansionspolitik wurden komplett geändert. Wir sind von den Flächen her kleiner geworden, haben uns mehr zugetraut was die Lage betrifft, bieten andere Artikel an und sind deutlich günstiger geworden. Wir haben heute 90 Prozent Eigenmarken und die Markenabhängigkeit von externen Lieferanten deutlich reduziert. Wir haben uns klassisch neu erfunden.
Es ist noch nichts entschieden, aber einige Galeria-Filialen werden schließen, andere sollen aufgewertet werden. Wie kann Woolworth davon profitieren?
Wehrmeier: Ich bin eher dafür, dass wir auf uns und unsere Stärken schauen und nicht so sehr auf das, was am Markt passiert. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen und haben genug zu tun. In der Summe muss man sagen, dass die Schließung eines solchen Kaufhauses für uns Vorteile hat. Es wird ein gewisser Bedarf frei, das bringt uns neue Kunden. Auf der anderen Seite hat es auch Nachteile. Weil wiederum ein attraktiver Händler weg ist und es für die Bevölkerung wieder einen Grund weniger gibt, in die Innenstadt zu fahren. Insofern ist es Fluch und Segen zugleich. Wenn in einer Fußgängerzone alle Läden geschlossen sind und nur noch ein Woolworth da ist, dann verlieren wir natürlich auch Frequenz. Ich wünsche mir ein lebendiges, urbanes Handelsumfeld.
In Ihrem Segment - Discount-Kaufhaus - ist die Konkurrenz durch Kik, Tedi und Co. groß. Ist da überhaupt noch Platz für weitere Woolworth-Läden?
Wehrmeier: Absolut. Es stimmt, Tedi und Kik haben Teile unseres Sortiments im Angebot, auch andere im Preiseinstiegssegment wie Action oder Takko. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass wir das stärkste Konzept haben und viel mehr für eine preissensible Klientel anbieten. Wir haben eine stärkere Kompetenz im Bereich Dekoration oder im Haushaltssegment als die Konkurrenten und eine größere Zielgruppenrelevanz. Wir haben die Erfahrungswerte aus 555 Filialen, machen dort einen guten Umsatz und fürchten keine Konkurrenz.
Ein Unterschied, der mir aufgefallen ist: Anders als Kik haben Sie keinen Onlineshop. Solche Händler traf es in den Corona-Lockdowns besonders hart. Wann kann man bei Ihnen online einkaufen?
Wehrmeier: Online einkaufen wird für uns in absehbarer Zeit kein ernstzunehmendes Thema sein, mit dem wir uns beschäftigen - wenn Sie online als Vertriebskanal verstehen.
Warum nicht?
Wehrmeier: Das liegt ein Stück weit wieder im Warensegment. Ich glaube nicht, dass ein Discounter glücklich mit seinem Onlineshop ist und damit Geld verdient, weil der Artikelpreis und das Preissegment dafür nicht attraktiv sind. Es ist auch schwierig, wenn Sie keine Marken verkaufen. Onlinehandel ist aber suchmaschinengetrieben. Nehmen Sie einen Fernseher, da geben Sie ein bestimmtes Modell ein und können relativ klar vergleichen, wo Sie ihn einkaufen werden. Sie können aber kein „weißes T-Shirt“ oder „schwarze Socken“ googeln, insofern ist das schwierig. Auch die Logistik dahinter ist sehr aufwendig und teuer. Wir prüfen das regelmäßig, haben uns bisher aber immer dagegen ausgesprochen. Als Kommunikationskanal, etwa für Werbung, ist online aber wichtig und wird in Zukunft noch wichtiger.
Wo gehen Sie mit Ihren neuen Filialen hin - mehr in Innen- städte oder in Gewerbegebiete am Stadtrand?
Wehrmeier: Wir funktionieren überall. Wir haben sehr gut gehende Läden in Fußgängerzonen der Innenstädte, aber auch in Stadtteilen - in Wohngebieten neben einem Lebensmittelhändler - und in klassischen Einkaufszentren, wo wir historisch bedingt bisher nicht so stark vertreten sind. Die Anzahl an Flächen in Einkaufszentren steigt, weil die Konditionen für uns attraktiver werden. Auch in den Fachmarktzentren auf der grünen Wiese machen wir gute Geschäfte. Wir reglementieren uns nicht wirklich, was die Lage betrifft. Es gibt keine Lage, die wir nicht haben und die nicht funktioniert.
Ansiedlungen in Einkaufszentren, wie jetzt in Viernheim, waren bisher eher ungewöhnlich. Findet man Sie künftig auch in allen großen Innenstadt-Malls?
Wehrmeier: „In allen“ würde ich nie sagen. Man kann die Einkaufszentren - ähnlich wie die Innenstädte - nicht miteinander vergleichen. Ich kann nicht pauschal sagen: Ein Einkaufszentrum funktioniert immer. Das Rhein-Neckar-Zentrum ist ein sehr gesundes und gut gemanagtes Center mit einem ausreichend großen Einzugsgebiet. Daher ist das für uns sehr attraktiv. Wir schauen uns die Center und die Nachbarschaft an, prüfen die Konditionen und den finanziellen Aufwand, und dann entscheiden wir.
Für neue Läden brauchen Sie auch neue Mitarbeiter. Die sind aber nicht mehr so einfach zu finden. Wie wollen Sie das schaffen?
Wehrmeier: Das ist ein Dauerthema im Einzelhandel, bereitet uns aber kein Kopfzerbrechen. Uns hilft die Kommunikation auf allen Kanälen und ein positives Aufladen der Marke. Wir machen es den Bewerbern maximal flexibel, sich bei uns zu bewerben, zum Beispiel über WhatsApp. Wir suchen über verschiedene Job-Plattformen und es ist so, dass die Mitarbeiter gut vernetzt sind und im Freundes- und Bekanntenkreis viel über den Job erzählen. Außerdem bieten wir gute Aufstiegschancen.
Bekommen Sie bei Neueröffnungen immer alle Stellen besetzt?
Wehrmeier: Das hängt stark von der Region ab, in der wir eröffnen. Wir verfügen über ein großes Netzwerk, sind in einigen Städten mehrfach vertreten. Darüber tut sich eine Menge, etwa durch interne Wechsel. Es gab noch nie die Situation, dass wir aufgrund von Personalmangel einen Laden nicht eröffnen konnten.
Was haben Sie in unserer Region - Nordbaden/Südhessen - noch vor?
Wehrmeier: Das ist eine hochattraktive Region, in der die Verdichtung ein großes Thema wird. In Heidelberg hätte ich gerne einen, lieber zwei bis drei Läden. Wir planen in der Mannheimer Innenstadt einen zweiten Laden, da geht aber noch ein dritter und vierter. Da sehe ich noch viel Potenzial. Wenn die Lage passt, würden wir das tun.
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