Am sommerlichen Samstagnachmittag ist Sahra Wagenknecht auch auf dem Mannheimer Stadtfest zu sehen. Aber nur auf Plakaten, die ihren Auftritt ankündigen. Vorige Woche waren es deutlicher mehr. Doch hingen nicht wenige in Fressgasse und Kunststraße unzulässig auf der rechten Seite in Fahrtrichtung, was bei einer Schwerpunktkontrolle moniert wurde. Von denen ist nur noch eines da, womöglich vom Ordnungsdienst übersehen. Wagenknecht hat für ihr neues, nach ihr benanntes Bündnis BSW jedenfalls auch hier bereits Mitstreiter, die für sie Plakate nicht nur auf-, sondern bei Bedarf auch wieder abhängen.
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Auf dem Alten Meßplatz stehen schätzungsweise 500 bis 600 Menschen in der Sonne. Viele weitere sitzen auf Bänken. Den Bereich links hinter der Bühne haben Personenschützer abgesperrt, dort wird Wagenknechts Limousine erwartet.
Zwei Feudenheimer überreichen Sahra Wagenknecht eine rote Rose
Davor warten zwei Männer mit einer roten Rose. Sie kommen aus Feudenheim. Der eine, Arjan Jaho, zeigt sich begeistert von Wagenknecht. Der andere, Carsten Hohmann, lobt ihre Redekunst und Ausstrahlung. Von ihrer Politik ist er indes noch nicht ganz überzeugt. Zwar bräuchten die Armen mehr Geld, aber das Wohlhabenderen einfach wegzunehmen, fände er schwierig. Und im Ukraine-Krieg sei der Aggressor eindeutig der russische Präsident.
So sieht das auch Beatrix Buttler, auf ihrem Schild steht „keine Putinknechte“. Das habe ihr schon viele böse Worte eingebracht, berichtet die Sozialdemokratin aus dem Umland. Daher stehe sie jetzt am Rand in der Nähe von zwei Polizisten. Ein Ordner tritt hinzu und sagt, sie könne bleiben, aber das Schild müsse runter. Darauf schaltet sie die Beamten ein, die ihr bescheinigen, das gehöre zur Meinungsfreiheit. Der Ordner meint, es sei nur eine Bitte.
Plötzlich gibt es Gedränge am hinteren Bühnenrand, Wagenknecht fährt vor. Zwischen all den Selfie- und Autogrammjägern haben Jaho und Hohmann Mühe, ihre Rose zu überreichen. Die BSW-Chefin macht alles lächelnd mit. „Die isch total nett unn bürgernah“, findet ein Mann mit badischem Idiom.
Vom „MM“ auf das Datum angesprochen, zeigt sie sich überrascht und lacht: „Wir wollten natürlich dem Stadtfest keine Konkurrenz machen.“ Ihres Wissens habe das bei der Terminfindung keine Rolle gespielt. Aber warum ist sie nicht in ihrem Geburtsland Thüringen, wo das BSW an diesem Sonntag erstmals zu einer Wahl antritt? Sie müssten ihre Kräfte bündeln, sagt Wagenknecht. „Und da spielen Kommunalwahlen nicht die wichtigste Rolle.“
In Mannheim hat das neue Bündnis bisher noch keine Mitglieder
In Mannheim tritt das Bündnis gar nicht an. Sie hätten hier bisher keine Mitglieder, berichten später zwei Frauen hinter einem BSW-Infostand. Die beiden kommen aus Heidelberg und aus Schwetzingen.
Doch hat Wagenknecht hier begeisterte Fans, wie sich bei ihrer umjubelten Rede zeigt. Primär attackiert sie die Ampel. Die CDU habe Deutschland „heruntergewirtschaftet“, aber eine solch „unfassbare Ballung von Inkompetenz und Ahnungslosigkeit“ wie in der jetzigen Koalition habe es noch nie gegeben. Die müsse am 9. Juni bei der Europawahl „die rote Karte“ bekommen.
Besonders beklatscht wird, wie sich die frühere Linke über das Grünen-Milieu lustig macht, für das es nur Hafermilch-Macchiato, Lastenräder, Bioläden und E-Autos gebe. „Genauso ist es“, ruft etwa eine Frau in gehobeneren Alter immer wieder. Eine andere redet ständig auf den Mann neben ihr ein. Ob sich die Zwei kennen und er das schön findet, bleibt offen. Einmal sagt sie ihm: „Die NATO ist seit zwei Jahren in der Ukraine. Steht nur nirgends.“ Doch, jetzt hier. Nur macht es das nicht richtiger. Auf Nachfrage erklärt die Frau, sie meine einzelne Militärberater und Fremdenlegionäre.
Frau mit „Putinknechte“-Schild wird angeschrien: „Halt’s Maul!“
Einen schweren Stand hat die Frau mit dem „Putinknechte“-Schild, auf dessen Rückseite „Demagogin!“ und Populistin!“ steht. Als sie das mit Zwischenrufen ausdrückt, schreit eine andere Frau: „Halt’s Maul!“
Wagenknecht äußert sich nur indirekt zum Ukraine-Krieg, indem sie etwa die „Doppelmoral“ kritisiert, auf billige Energie zu verzichten und lieber „Kniefälle vor diktatorischen Regimen“ wie Saudi-Arabien zu machen. Und sie beklagt, dass die Bundesregierung Konflikte nur mit noch mehr Militärhilfe entschärfen wolle. Israel wirft sie einen Vernichtungs- und Rachefeldzug in Gaza vor.
Die BSW-Chefin arbeitet sich auch an der Unpünktlichkeit der Bahn und an Hoffnungen in Künstliche Intelligenz ab. „Fangen Sie erstmal an, die natürliche Intelligenz unserer Kinder und Jugendlichen ausreichend zu fördern“, gibt sie Bildungspolitikern mit. Auch die AfD kriegt ihr Fett weg. Die meine ja nun: „Die SS, die war doch ganz okay.“
Nach rund einer Dreiviertelstunde und heftigem Schlussapplaus muss Wagenknecht zum nächsten Auftritt nach Stuttgart. Ein älterer Herr mit großem Strauß wird noch schnell zu ihr durchgelassen. „Wir hätten auch Blumen mitbringen sollen“, raunt eine Frau ihrer Begleiterin zu. Dann hat sie eine andere Idee: „Wollen wir noch aufs Stadtfest?“ Und das geht immerhin sogar noch bis Sonntagabend, wenn die BSW-Chefin längst wieder weg ist.
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